Film über tragisches Langlauf-Rennen von 1913: Vergessener Held rehabilitiert

Film „Das letzte Rennen“

Fast jeder in Tschechien kennt die Geschichte von Bohumil Hanč und Václav Vrbata. Die beiden Freunde kamen 1913 bei einem Langlaufrennen im Riesengebirge ums Leben. An die beiden Verunglückten erinnert ein Denkmal nahe dem Unglücksort Zlaté návrší / Goldhöhe. Nun erzählt ein neuer tschechischer Film über das Rennen und hebt dabei eine Persönlichkeit hervor, über die Jahrzehnte lang geschwiegen wurde: den vielseitigen Sportler Emmerich Rath. Der Film hatte am Donnerstag in den tschechischen Kinos Premiere – genau 109 Jahre nach dem tragischen Skirennen.

Bohumil Hanč | Quelle: Bontonfilm

Am 24. März 1913 war das Wetter im Riesengebirge ungewöhnlich warm. Der Himmel war klar. Das internationale 50-Kilometer-Laglauf-Rennen wurde am frühen Morgen an der Elbfallbaude / Labská bouda gestartet. Dort sollte auch das Ziel sein. Während des Wettbewerbs kam es jedoch zu einem Wettersturz, ein Schneesturm zog auf und die Temperaturen sanken rasant. Ein Teilnehmer nach dem anderen brach das Rennen ab und kehrte in die Baude zurück. Nur Bohumil Hanč kämpfte weiter um den Sieg. Er galt damals als der beste tschechische Skilangläufer. Der passionierte Sportler merkte aber nicht, dass er nur noch allein auf der Strecke war, und war nur mit einem leichten Hemd bekleidet. Letztlich wurde aus dem Kampf mit den Gegnern ein Kampf ums bloße Leben. Auf der Goldhöhe brach er dann vor Erschöpfung zusammen. Einer seiner Freunde, Emmerich Rath, riskierte sein Leben und begab sich auf die Rettung des Läufers. Er fand den erschöpften Sportler, trug ihn im Schneesturm ein Stück weiter und brachte ihn an einen windgeschützten Ort. Dann eilte er zur Baude, um Hilfe zu holen. Bevor die Retter kamen, starb Hanč jedoch an Erschöpfung und seinen Erfrierungen. Václav Vrbata, ein weiterer Retter, hatte Hanč zuvor seinen Mantel und seine Mütze gegeben, damit dieser sich vor der Kälte schützen konnte. Auch er wurde später tot aufgefunden.

Tomáš Hodan | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Diese dramatische Geschichte um Hanč und Vrbata wurde nun erneut verfilmt. Regisseur Tomáš Hodan ist selbst ein passionierter Sportler. Er sei nach einer zwölfstündigen Skiwanderung im Riesengebirge auf die Idee zu dem Streifen gekommen, erzählt Hodan:

„In der Petersbaude las ich am Abend die Geschichte von Hanč und Vrbata. Das war 2013. Damals wurden in den Medien zahlreiche Artikel zum 100. Todestag der beiden Freunde veröffentlicht. Mich hat die Geschichte tief gerührt. Deswegen sprach ich den Produzenten Ondřej Beránek an. Auch er war von der Idee begeistert. So begannen wir, an den Vorbereitungen zum Film zu arbeiten.“

Emmerich Rath | Quelle:  Bontonfilm

Sie seien nicht immer auf Verständnis gestoßen, merkt Hodan an. Denn schon 1956 wurde ein Film über das tragische Rennen gedreht. Anders als jetzt spielte in dem Streifen mit dem Titel „Synové hor“ (Söhne der Berge) die Persönlichkeit von Emmerich Rath jedoch keine Rolle.

Hodan hat seinen Film vor einem Jahr unter authentischen Bedingungen im Riesengebirge gedreht. Produzent Beránek merkt an:

„Filme dieser Art, die in den Bergen spielen, entstehen meist im Studio und mit großer Computer-Postproduktion. Das hätten wir finanziell nicht bewältigen können. Wir wollten wirklich draußen drehen. Dies ist gelungen, obwohl unter entsprechenden Bedingungen nichts wirklich geplant werden kann. Der einzige Plan bestand darin, dass wir wussten, was wir drehen wollten. Das Wetter hat dann darüber entschieden, ob, wie und wann dies geschah.“

Eichenholzski und Abhärtungskurs

Vladimír Pokorný hat Václav Vrbata gespielt | Quelle:  Bontonfilm

Die Filmemacher ließen für den Film auch spezielle Ski anfertigen, die den damaligen Modellen möglichst ähnlich sahen. Und die Schauspieler mussten sich auf die Leistung in der Loipe entsprechend vorbereiten. Vladimír Pokorný hat Václav Vrbata gespielt. Es sei seine erste Filmrolle gewesen, gesteht er:

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

„Wir haben einige Mal trainiert. Auf normalen Langlaufski geschah dies beispielsweise unter Anleitung von Martin Koukal, dem Weltmeister über 50 Kilometer von 2003. Der legendäre Trainer Aleš Suk aus Vrchlabí hat uns zudem beim Umgang mit den historischen, schweren Brettern beraten. Wir hatten jedoch alle schon Erfahrungen mit dem Langlauf.“

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

Die Skilangläufer waren damals vor 109 Jahren am Start nur leicht angezogen. Dies erwies sich später als schicksalhaft. Die Filmemacher wollten die Atmosphäre des Rennens möglichst treu widergeben. Die Schauspieler absolvierten darum auch einen Abhärtungskurs. Kryštof Hádek spielt Bohumil Hanč:

„Wir haben auf Ski aus Eichenholz trainiert. Nachdem ich einige Wochen lang nur auf den diesen Brettern gelaufen bin, bin ich zu meinen modernen Langlaufski zurückgekehrt. Und ich muss zugeben, dass ich mich da dann ein wenig unsicher fühlte.“

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

Eine besonders wichtige Rolle in dem Film spielt eine Persönlichkeit, die für Jahrzehnte aus der tschechischen Geschichte ausradiert wurde: der vielseitige Sportler Emmerich Rath. Er war es, der damals sein Leben riskierte, um Bohumil Hanč zu retten. Die Geschichte eines Prager Deutschen, der seinen tschechischen Freund in Sicherheit zu bringen versuchte, passte in der kommunistischen Zeit nicht in das offizielle Bild. Anstelle der Wahrheit wurde ein nationalistisches Märchen darüber erzählt, dass damals Hanč lieber starb, als einem Deutschen den Sieg im Rennen zu gönnen. Marek Adamczyk spielt den jungen Emmerich Rath:

„Für mich ist er einfach ein Europäer – ein Mensch, der keine Unterschiede zwischen den Nationen macht und zugleich die unterschiedlichen Völker zu schätzen weiß.“

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

Vergessenes Multitalent Emmerich Rath

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

Es war die Idee von Regisseur Hodan, in seinem Film Emmerich Rath die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

„Als ich zum ersten Mal über das Rennen las, fand ich bereits eine Erwähnung von Rath. Für mich war am schwierigsten, mir vorzustellen, wie die Deutschen und Tschechen damals im Riesengebirge gelebt haben. Natürlich gibt es historische Daten. Das Leben in den Bergen war hart, die Menschen mussten sich gegenseitig helfen, auch wenn es manchmal zu Streitigkeiten kam.“

Der vielseitige Sportler und Olympionike Emmerich Rath habe ihn fasziniert, räumt Tomáš Hodan ein:

Film „Das letzte Rennen“ | Foto: Nikolas Tušl,  Bontonfilm

„Es ist unglaublich, was er alles durchmachen musste – auch als alter Mann. Dabei war er ein Mensch, der einfach nur Sport treiben und arbeiten wollte. Dieser Satz steht im Aufnahmeprotokoll des Seniorenheims in Broumov, wo er gestorben ist. Und dies ist auch die letzte Erwähnung von Rath für viele Jahrzehnte. Emmerich Rath wurde sein ganzes Leben lang aus dem Grund schikaniert, dass er ein Deutscher war. Er war zweisprachig. Um die Nationalitätenfrage kümmerte er sich nicht. Er spielte beispielsweise bei der Eishockey-Europameisterschaft im tschechischen Team, weil er die anderen Spieler aus Prag kannte und der Mannschaft gerade einige Mitglieder fehlten. Während des Kriegs lehnte er die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft ab. Und er versteckte sogar einen jüdischen Freund. Nachdem die Kommunisten in der Tschechoslowakei an die Macht kamen, verbrachte Rath ein Jahr im Gefängnis. Er wurde wegen der ,Propagierung eines amerikanischen Lebensstils‘ verurteilt. Rath hatte zuvor ein kleines Geschäft in Prag, in dem er Sportbedarf und ähnliche Utensilien verkaufte.“

Produzent Ondřej Beránek hofft, dass der Film auch für das ausländische Publikum interessant ist.

Film „Das letzte Rennen“ | Foto:  Bontonfilm

„Es freut mich sehr, dass uns vielleicht gelungen ist, das Interesse für die Persönlichkeit von Emmerich Rath zu wecken. Der Mann blieb trotz allen Ungerechtigkeiten, die er erleben musste, ein Freiheit liebender, stolzer Mensch, obwohl er am Ende seines Lebens obdachlos war. Er war Vegetarier und gilt in Deutschland als Guru der entsprechenden Bewegung. Rath war zudem Bodybuilder und gewann mehrere Wettbewerbe. Er feierte Erfolge in vielen Sportarten: vom Eishockey über Tennis bis zum Fußball. Er nahm an den Olympischen Spielen in Paris teil – als Marathonläufer. Dort begrüßte ihn auch Pierre de Coubertin. Nach der Entlassung aus dem kommunistischen Gefängnis durfte er nur noch als Heizer in den Bergbauden arbeiten. Alle, die ihn kannten, haben ihn als Menschen mit einer offenen Seele und hervorragenden Beziehungen zu anderen bezeichnet. Ich halte ihn für eine bewundernswerte Persönlichkeit, die sich im verrückten 20. Jahrhundert bewiesen hat.“