Filmregisseur Jiri Menzel hat keine Lust Filme zu machen

Jiri Menzel

"Liebe nach Fahrplan", "Launischer Sommer", "Lerchen am Faden", "Heimat, süße Heimat" oder aber etwa "Kurzgeschnitten". Diejenigen von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, die sich für den Film bzw. für den tschechischen Film interessieren, können wohl schon nach der Aufzählung dieser Filmtitel ahnen, dass der heutige Gast in unserem Kultursalon der tschechische Filmregisseur Jiri Menzel ist. Die Sendung wurde von Markéta Maurová vorbereitet, dem Regisseur verleiht Olaf Barth seine Stimme.

Jiri Menzel hat sich vor allem als Filmregisseur weltweit Ruhm erobert. Sein Film "Liebe nach Fahrplan", der 1968 mit dem Oscar-Preis belohnt wurde und als ein klassisches Werk der sog. "Neuen Welle" des tschechoslowakischen Films gilt, ist Zuschauern in der ganzen Welt bekannt. Nur wenige wissen dabei aber wohl, dass es sich um den ersten Spielfilm dieses Regisseurs handelte. Kein schlechter Rutsch in die Filmwelt, nicht wahr? Eigentlich hatte Jiri Menzel aber ursprünglich gar nicht geplant, sich dem Film zu widmen, sondern wurde nur durch einen Zufall dorthin geführt. Sein Traum war zunächst das Theater.

"Ich war nie ein großer Film-Fan. Ich ging natürlich ins Kino, aber ich liebte besonders das Theater. Nach dem Abitur habe ich Prüfungen an der Theaterfakultät abgelegt und wurde nicht aufgenommen. Ich ging daher zum Fernsehen, arbeitete als Träger und machte dort ein Praktikum. Das Fernsehen befand sich damals noch in den Anfängen und ich habe mir gesagt, dass es ein Koloss ist, der sich sicher ausdehnen und immer mehr Leute brauchen wird. Die Ansprüche können dort daher nicht so hoch sein wie beim Theater. Und daher reichte ich eine Anmeldung bei der Film- und Fernsehschule ein, weil ich hoffte, dort größere Chancen zu haben. Ich stellte mir vor, dass ich nach dem Studium beim Fernsehen arbeiten werde. Und dorthin, an der Filmakademie, die FAMU, wurde ich aufgenommen.

Für die weitere Entwicklung des jungen Künstlers war diese Entscheidung von grundlegender Bedeutung.

Schneeglöckchenfest
"Es war ein großes Glück, weil die Filmhochschule ein weit höheres Niveau als die Theaterhochschule hatte und weil an ihr hervorragende Leute arbeiteten. Ich kam in die Klasse von Herrn Professor Vávra und habe später das Fernsehen nicht mehr angerührt. Denn er machte einen Filmregisseur aus mir. Nach der Schule war ich zwei Jahre beim Militär und danach begann ich schon, Filme zu drehen."

Und damit hatte Jiri Menzel seine Filmlaufbahn aufgenommen. Sein geliebtes Theater vergaß er aber nicht. Er traf sich mit Studenten der Theaterakademie, besuchte Vorlesungen des berühmten Theaterregisseurs Jiri Krejca und interessierte sich für alles, was im Theaterbereich passierte. 1965 wurde in Prag ein neues Theater, der "Schauspielklub", gegründet und Menzel wurde von dessen Direktor gebeten, eine Inszenierung vorzubereiten. Seine Aufführung von Machiavellis "Mandragora" wurde dann die nächsten elf Jahre gespielt und in ganz Europa vorgestellt. Und wie begann Menzels Filmkarriere?

"Ich muss eine einfache Sache erwähnen. Es ist am Anfang im Grunde einfacher, weil man sich nicht bewusst darüber ist, was einem noch bevorsteht. Man hat keine Angst, weil man keine Engpässe kennt. Erst später, mit der Erfahrung beginnt man aufmerksamer zu sein und nimmt die Last zur Kenntnis. Ich erinnere mich, dass ich so jung und dumm war, dass ich mich kopfüber in alles stürzte und dabei ein großes Glück verspürte."

Seinen ersten Streifen machte Menzel noch als Student der Filmfakultät: es war ein Kurzfilm, der thematisch aus einer Erzählung des tschechischen Schriftstellers Bohumil Hrabal schöpfte. Und dieser Name hat ihn seitdem auf seinem künstlerischen Weg ständig begleitet und war auch mit den größten Erfolgen Menzels verbunden.

"Ich habe wirklich außergewöhnliches Glück gehabt. Ich mochte Bohumil Hrabal sehr - man begann ihn damals herauszugeben, und ich liebte seine Erzählungen. Und ich war nicht alleine, es war eine ganze Generation, die sich zu Hrabal bekannte. Meine älteren Kommilitonen, wie Jires, Nemec, Chytilova, verbuchten bereits erste Erfolge, jeder von ihnen hatte bereits einen Film gedreht, der sowohl zu Hause als auch auf Festivals im Ausland erfolgreich war, und sie erfreuten sich daher eines gewissen Vertrauensvorschusses. Und sie entschlossen sich, einen gemeinsamen Film eben auf Grundlage der Erzählungen von Bohumil Hrabal zu machen. Und da sie meine Liebe zu Hrabal kannten, luden sie mich dazu ein; ich konnte - ohne vorher als Assistent gearbeitet oder mich beworben zu haben - auf einmal eine der Erzählungen verfilmen. Damals habe ich mir das Drehbuch noch selbst geschrieben. Meine Erzählung war erfolgreich und auf Grund dessen wurde mir dann sofort das Manuskript zu den "Scharf beobachteten Zügen" bzw. zu "Liebe nach Fahrplan" angeboten. Noch bevor es als Buch erschien. Ich habe zusammen mit Herrn Hrabal das Drehbuch geschrieben und der Film wurde zu einem Erfolg. Und seitdem wurden mir weitere Filme angeboten."

Kurzgeschnitten
Der Film erhielt bald zahlreiche Auszeichnungen und Preise im Ausland. Darunter auch die goldene Statue des Oscar-Preises. Wie hat das damals der junge Regisseur erlebt?

"Damals war es kein so großer Ruhm wie heute. Wir haben von den Oscar-Preisen nur wenig gewusst. Und vor allem - ich habe den Preis im Frühling 1968 bekommen. Hier passierten damals große Sachen, es gab den Prager Frühling, es gab die Hoffnung, dass die Kommunisten zur Vernunft kommen und die blöde Regierung, die bisher an der Macht war, verschwindet. Es herrschte hier einfach eine große Euphorie in der Gesellschaft und darin ging die Parade aus Amerika relativ verloren. Ich nahm es damals kaum zur Kenntnis. Ich war froh, dass ich Amerika besuchen konnte, und das reichte mir. Ich ahnte nicht, was sich daraus später entwickeln würde."

Nach dem Film "Liebe nach Fahrplan" drehte Jiri Menzel weitere, nicht weniger erfolgreiche Streifen. Von ihnen müssen wir einen poetischen Film - "Launischer Sommer" - nach einer Novelle des tschechischen Schriftstellers Vladislav Vancura erwähnen. Die glückliche Periode der 60er Jahre wurde mit den "Lerchen am Faden", einer weiteren Verfilmung Bohumil Hrabals, abgeschlossen. Die Hauptrolle spielte darin - ebenso wie in den "Zügen" der junge Sänger und Schauspieler Vaclav Neckar. Wegen der Kritik an der kommunistischen Willkür wurde der Streifen sofort verboten und gelangte erst 20 Jahre später, 1989, zu den Zuschauern. Ein Jahr danach, 1990, erhielt er den Hauptpreis der Berlinale.

Zu Beginn der 70er Jahre wurde über Jiri Menzel und andere begabte Regisseure seiner Generation, wie Vera Chytilova, Evald Schorm oder Jan Nemec, ein Arbeitsverbot im Filmbereich verhängt. Menzel widmete sich in dieser Zeit dem Theater - sowohl als Regisseur als auch als Schauspieler. Zum Film kehrte er jedoch später wieder zurück: seine Verfilmungen der Hrabal-Erzählungen - wie "Kurzgeschnitten" und "Schneeglöckchenfeiern" - und seine Komödien, die oft auf Drehbüchern von Zdenek Sverak basierten - wie "Im Einzelhof am Wald", "Heimat, süße Heimat" - zählen zu dem besten, was im tschechischen Film je geschaffen wurde.

Die 90er Jahre brachten zwar die Freiheit und damit auch die Möglichkeit, Menzels verbotene Filme wieder aus dem Tresor herauszuholen und dem breiten und begeisterten Publikum zu zeigen. Doch seine in dieser Zeit neuentstandenen Filme konnten keine großen Erfolge mehr verbuchen. Seit 1994 hat Jiri Menzel keinen Film mehr gemacht und widmet sich völlig dem Theater. Dazu hat wohl auch eine große Enttäuschung beigetragen, die ebenso wie die größten Triumphe mit dem Namen Bohumil Hrabal verbunden ist. Menzel plante nämlich lange Zeit, dessen Roman "Ich habe dem englischen König gedient" zu verfilmen. Nach dem Tod Hrabals wurden jedoch die Urheberrechte an einen anderen Regisseur verkauft, womit sich Menzel nie abfinden konnte. Die Zuschauer warten seitdem vergeblich auf den "englischen König" und Jiri Menzel entsagte dem Film völlig. Aber nicht nur dieses Ereignis, auch die Verhältnisse im Filmbetrieb hierzulande sind daran schuld.

"Ich habe im Moment keine große Lust, einen Film zu machen. Die Filme sind heute ein bisschen anders und die Art und Weise, wie sie gemacht werden, ist mir ziemlich fremd. Ich war einst Angestellter in einem Studio und dies gab mir die Aufträge. Wenn man jetzt einen Film machen will, muss man sich müde laufen, um sich die Arbeit irgendwie zu besorgen. Und das kann ich nicht. Und ich habe auch keinen Stoff, der es in meinen Augen wert wäre. Ich habe ein Engagement beim Theater bekommen und arbeite im Theater und fühle mich dort wohl."