Forschung an unterschiedlichen Orten der Antarktis: Tschechische Wissenschaftler auf dem Weg ins Eis
Schon zum 21. Mal sind Wissenschaftler der Masaryk-Universität in die Antarktis aufgebrochen. Im Unterschied zu früheren Jahren werden diesmal jedoch gleich zwei Ziele angesteuert – von zwei unabhängigen Gruppen. Erneut stehen bei den Forschungen der Klimawandel und seine Folgen im Mittelpunkt, aber nicht nur.
Das Schmelzen der Gletscher oder auch der Einfluss extremer Klimabedingungen auf Mikroben, Pflanzen und den menschlichen Körper – all diese Bereiche erforschen tschechische Wissenschaftler schon seit mehr als zwei Jahrzenten. Dies geschieht im Rahmen des Antarktis-Programms der Masaryk-Universität in Brno / Brünn. Immer zu Jahresbeginn brechen die Fachleute ins ewige Eis auf der Südhalbkugel auf. In diesem Jahr sind aber erstmals zwei Gruppen jeweils an unterschiedlichen Orten dort stationiert. Pavel Kapler leitet das Forschungsprogramm und erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Beide Orte sind sehr interessant, obwohl sie nur 180 Kilometer voneinander entfernt sind. Der eine Standort befindet sich auf der Insel Nelson Island und damit auf der Windseite der Antarktis, wo wir ein Camp im Terrain haben. Das andere Ziel ist die tschechische Johann-Gregor-Mendel-Forschungsstation auf der James-Ross-Insel, die auf der windabgewandten Seite liegt.“
Laut Kapler befinden sich beide Orte an den jeweiligen Enden des antarktischen Zirkumpolarstroms – das ist die Meeresströmung, die den Kontinent vom Rest der Welt trennt. Gerade in diesen Randgebieten der Antarktis äußert sich der Klimawandel jedoch am stärksten.
„Dabei zeigen sich an beiden Enden des Zirkumpolarstroms komplett unterschiedliche Wetterphänomene des Klimas. Gerade der Vergleich dieser beiden Randgebiete der Antarktis interessiert uns besonders, deswegen haben wir unsere diesjährige Expedition in zwei Teile geteilt“, so der Leiter.
Von den insgesamt 22 Mitgliedern, im Übrigen sieben Frauen und 15 Männer, sind 14 bereits am Neujahrstag zur Johann-Gregor-Mendel-Polarstation aufgebrochen. Die restlichen acht machen sich am 11. Januar auf die Reise zur sogenannten Eco-Nelson-Station.
Auf der James-Ross-Insel wollen die Wissenschaftler ihre Beobachtungen der Gletscherschmelze fortsetzen. Doch es gibt auch ein nicht weniger beunruhigendes neues Phänomen zu beobachten. Pavel Kapler:
„Im vergangenen Jahr ist erstmals das hochinfektiöse Virus der Vogelgrippe in die Antarktis gelangt. Und das Team interessiert nun, ob und wie das Virus außerhalb der Wirtstiere, also in der Luft, im Boden und im Wasser überleben kann.“
Zum Team gehören auch Mikrobiologen, die nach bisher nicht gekanntem Leben forschen. Dabei hätten sie den Nutzen für die Medizin oder die Industrie im Blick, sagt Kapler:
„Wir versuchen, neue Mikroorganismen zu finden, die als Grundlage dienen könnten zum Beispiel für die Entwicklung neuer Antibiotika, neuer kosmetischer Produkte oder für die Lösung unseres Problems mit dem Plastikmüll. Denn man geht davon aus, dass sich Mikroorganismen aus dieser nährstoffarmen Umgebung gerade dafür nutzen ließen, Kunststoffe zu zersetzen.“
Wie jedes Jahr begleiten zudem Mediziner die Expedition. Es sind Ärzte des Universitätskrankenhauses in Ostrava / Ostrau. Sie kümmern sich dabei natürlich um das Wohl der Wissenschaftler, untersuchen aber auch die größeren Zusammenhänge…
„Unsere Ärzte sind schon zum wiederholten Mal aus Ostrau. Sie erforschen dabei die Wirkung sowohl der extremen klimatischen Bedingungen, als auch der Trennung von Familien und Freunden auf die Polarforscher. Über sie und die Technische Universität in Prag sowie die Akademie der Wissenschaften arbeiten wir zudem mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA zusammen. Da geht es um die psychische Gesundheit der Expeditionsteilnehmer. Die Ergebnisse lassen sich für die Eroberung des Weltraums nutzen. Das heißt, wir helfen, neue Methoden zu entwickeln, oder testen bereits vorhandene Methoden für Astronauten“, so Pavel Kapler.
Die Forschergruppe, die sich in der Gregor-Mendel-Polarstation einrichten wird, bleibt dort zweieinhalb Monate und kommt erst Mitte März zurück nach Tschechien. Die kleinere Gruppe besucht Nelson Island hingegen nur vier Wochen lang.