Frauen im Pfarramt in Tschechiens Kirchen

Martina V. Kopecká

Die ersten Priesterinnen wurden in der Tschechoslowakei paradoxerweise in den Jahren der Unfreiheit geweiht, als das religiöse Leben durch das totalitäre Regime stark eingeschränkt war.

Die Tschechoslowakische hussitische Kirche (gegründet 1920) war eine der ersten Kirchen in Europa, die zwei Frauen ordinierte. Das war 1947, kurz vor Beginn der kommunistischen Diktatur. Heute bilden die weiblichen Geistlichen etwa die Hälfte der geweihten Priester oder Diakone in der hussitischen Kirche. Die ersten beiden Pfarrerinnen waren Olga Pešková-Kounovská (die wegen ihrer linksgerichteten Ansichten ideologisch mit der Kirche brach und 1953 aus ihr austrat) und Naděžda Brázdilová (die bis 2001 als Pfarrerin in Turnov tätig war). Heute gibt es in der hussitischen Kirche eine Reihe prominenter Frauen im Pfarramt. Zu den bekanntesten gehören Martina Viktorie Kopecká, eine vielseitig begabte und aktive Frau, die in einer Partnerschaft mit einer Frau lebt, oder Sandra Silná, Pfarrerin in Brno / Brünn und alleinerziehende Mutter, zu deren Hobbys die Bienenzucht und das Bierbrauen gehören.

Sandra Silná | Foto:Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder, neben der römisch-katholischen und der hussitischen Kirche eine der drei größten Kirchen des Landes, beruft seit 1953 Frauen in den geistlichen Dienst. Doch schon seit der Gründung der Kirche 1918 wurden Debatten über den Status der Frauen geführt. 2003 wurde die erste Frau in das Amt der Seniorin, das heißt der höchsten Vertreterin der regionalen Kirchenleitung, berufen.

Die ersten evangelischen Pfarrerinnen

Im Dezember 1953 wurden in Poděbrady vier Frauen ordiniert: Alena Šounová für die Gemeinde in Příbram, Antonie Slámová für die Gemeinde in Poděbrady, Eva Nechutová für die Gemeinde in Libštát und Jarmila Hartová für die Gemeinde in Děčín.

Interessant ist die Geschichte von Antonie Slámová, die sich trotz ihrer Behinderung durchsetzen konnte: Im Alter von acht Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung, und ihr rechter Arm blieb gelähmt. Trotz ihrer ausgezeichneten Schulnoten wurde sie nicht zum Gymnasium zugelassen – mit der Begründung, sie sei behindert. Erst nach dem Eingreifen der Behörden konnte sie nicht nur das Gymnasium, sondern auch die evangelisch-theologische Hus-Fakultät absolvieren, an der sie 1938 als eine der ersten Frauen ihren Abschluss machte. Im Jahr 1953 war sie dann die erste evangelische Pfarrerin in Tschechien, die ein Ehepaar traute.

Die überhaupt erste Absolventin der Theologie in Tschechien war Růžena Opočenská. Sie nahm 1922 ihr Studium an der bereits erwähnten tschechoslowakischen evangelisch-theologischen Hus-Fakultät auf. Die Hochschule ließ bereits seit ihrer Gründung im Herbst 1919 Frauen zum Studium zu. Obwohl Růžena Opočenská nie zur Pfarrerin geweiht wurde, war sie während des Zweiten Weltkriegs praktisch im Priesterdienst tätig – zu jener Zeit nämlich, als ihr Ehemann Bohumír Opočenský, Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Klášter nad Dědinou, in einem Konzentrationslager inhaftiert war.

Eine der Frauen, die heute in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist Vendula Glancová aus Hvozdnice bei Prag. Die Pfarrerin, Psychotherapeutin und Gefängnisseelsorgerin führte vor kurzem mit Insassen der Gefängnisse in Příbram und Světlá nad Sázavou das Musical „West Side Story“ auf.

Die Frauenweihe ist in Tschechien auch in der Schlesischen evangelischen Kirche A.B. und in der Evangelisch-methodistischen Kirche erlaubt. Zudem hat die Altkatholische Kirche 2024 zum ersten Mal zwei Frauen zu Priesterinnen (Presbyterinnen) geweiht.

Vendula Glancová | Foto: Tschechisches Fernsehen

Frauen in der römisch-katholischen Kirche

Ludmila Javorová | Foto: Vít Kobza,  Tschechischer Rundfunk

Der Vatikan verbietet nach wie vor die Frauenordination. Trotzdem weihte der römisch-katholische Bischof Felix Maria Davídek in der kommunistischen Tschechoslowakei heimlich eine ganze Generation von Priesterinnen und Priestern, darunter verheiratete Männer und drei Frauen. Der Gründer der so genannten Untergrundkirche war davon überzeugt, dass es in einer Zeit politischer Unterdrückung notwendig war, genau das zu tun, was unmöglich war. 1970 ordinierte er die erste Frau, nämlich seine enge Mitarbeiterin Ludmila Javorová, und zwar „für die Frauengefängnisse und -lager“. Im Jahr 1996 wurde ihr jegliche Tätigkeit als Priesterin offiziell untersagt. Ludmila Javorová, die heute 93 Jahre alt ist, sagte in einem Interview für das Zeitzeugenprojekt Paměť národa (Gedächtnis der Nation):

„Als ich ein Papier erhielt, das mir vom Bischof nicht einmal persönlich überreicht wurde und in dem stand, dass alles verboten und ungültig sei, war ich nicht einmal berührt. Ich dachte mir: ‚Ja, ich räume ein, dass die Menschheit auf so etwas, also auf eine solche Erfahrung noch nicht vorbereitet ist‘“.

Olga Pešková-Kounovská und Naděžda Brázdilová | Foto: Archiv der tschechoslowakischen Hussitenkirche
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