Gottesdienst in Kirche und in Rockclub: Pastorin Alexandra Jacobea

Alexandra Jacobea
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Kann eine Frau zur Priesterin geweiht werden? In der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (ČCE) ist dies seit 1953 möglich. Seitdem wurden in der größten protestantischen Glaubensgemeinschaft Tschechiens mehr als 200 Frauen in den Priesterdienst berufen. Heute machen Pastorinnen etwa 30 Prozent der evangelischen Geistlichen aus. Darunter sind alleinstehende, verheiratete und geschiedene Frauen mit und ohne Kinder. Eine von ihnen ist Alexandra Jacobea, Pfarrerin der evangelischen Gemeinde im Prager Stadtteil Dejvice.

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Alexandra Jacobea ist 40 Jahre alt. Ihr ungewöhnlicher Nachname bezieht sich auf ihre Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Sie kommt aus Brno / Brünn, wirkt aber heute als Pfarrerin der evangelischen Gemeinde im Prager Stadtteil Dejvice. Radio Prag International hat sie nicht nur dort getroffen, sondern auch in der sogenannten Nicht-Kirche, auf Tschechisch Nekostel, im Prager Stadtzentrum.

Nekostel ist ein Projekt, das von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder unterstützt wird. Es zielt darauf ab, den Gottesdienst für Menschen zugänglich zu machen, die in der Kirche nicht zu Hause sind oder deren Sprache nicht verstehen. Es ist eine Art experimenteller, niedrigschwelliger Gottesdienst.“

„Nicht-Kirche“

Nekostel findet einmal im Monat in einem der Säle des Prager Klubs Rock Café statt.

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

„Der Gottesdienst wird immer von Live-Musik verschiedener Interpreten begleitet, anders als in der Kirche wird aber nicht gesungen. Beim Nekostel singen wir nur vor Weihnachten, wenn unsere beliebten Obdachlosen-Musiker kommen und spielen. Die Menschen müssen aber nicht mitsingen, das ist ein Unterschied zu unserer Kirche, in der im Gottesdienst viel gemeinsam gesungen wird. Neben der Musik gibt es beim Nekostel auch eine Agape, also einen kleinen Imbiss nach dem Gottesdienst. Dieses Treffen bietet Raum für Austausch und für Gespräche über Themen, die in der Predigt angesprochen wurden, oder für Antworten. Aber wir sind es gewohnt, dass die Teilnehmer auch schon während des Gottesdienstes auf uns reagieren.“

Zur Nicht-Kirche kommen oft Menschen, die nach Verankerung und einem Ort suchen, wo sie den Gottesdienst feiern können, sagt die Pfarrerin:

„Oft sind es Menschen, die eine schmerzhafte Erfahrung mit der Kirche gemacht haben, vielleicht für eine Zeit aus ihr ausgetreten sind und nun versuchen, ihr eine neue Chance zu geben. Dafür bewundere ich sie, und ich respektiere ihre Haltung. Manchmal kommen auch Menschen, deren nahes Umfeld, Verwandte oder Partner praktizierende Christen sind und die aber selbst keine Beziehung zur Kirche haben. Nekostel ist eine Gelegenheit, diese Menschen einzuladen und ihnen eine kleine Kostprobe zu geben, um sie spüren zu lassen, was in unserem Leben so wichtig ist“.

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Alexandra Jacobea selbst ist in einer Familie aufgewachsen, die nicht christlich war. Unter ihren Freunden gab es allerdings manche Gläubige. Besonders eine Familie sei wichtig für sie gewesen, erzählt die Pfarrerin:

„Es war eine praktizierende Familie, und in ihrem Haus begann ich, den Glauben zu entdecken und zu leben. Ich kann mich jedoch nicht an einen konkreten Wendepunkt erinnern. Ich glaube, ich war von klein auf gläubig, ich kannte nur keine Praxis in dieser Hinsicht. An der Schwelle zur Pubertät beschloss ich, dass ich irgendwo hingehen und dazugehören will.“

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Der Weg zum Glauben

Zum Glück hätten auch ihre Eltern ungefähr zur gleichen Zeit die gleiche Entscheidung getroffen, fügt Jacobea hinzu:

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

„Mein Bruder hat überhaupt kein Interesse an der Kirche, aber für meine Eltern und mich ist es eine gemeinsame Erfahrung. Nach einigem Suchen stießen wir auf die Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Brno-Husovice, die der Pfarrer Štěpán Hájek leitete. Er war eine wichtige Person für mich. Wir fühlten uns dort wohl, und es ging Schlag auf Schlag – ich ließ mich taufen, und meine Eltern erneuerten ihr Eheversprechen.“

Dass sie ihre Erfahrung mit den Eltern teilen konnte, ist für die Frau sehr wichtig…

„Denn Jugendliche grenzen sich normalerweise gegen ihre Eltern ab: Sie treten aus der Kirche aus, weil ihre Eltern dort leben, oder sie gehen in die Kirche, weil ihre Eltern dort nicht leben. Ich sehe es als Geschenk an, dass wir diesen Weg gemeinsam gingen. Meine Selbstbehauptung musste ich dann in anderen Bereichen suchen.“

Alexandra Jacobea | Foto: Adéla Rozbořilová

Die junge Frau studierte später an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Prag. Ein Jahr verbrachte sie für das Studium auch in Genf. Der Aufenthalt in der Schweiz sei eine große Bereicherung für sie gewesen, sagt Jacobea:

„Genf war fantastisch. Ich würde gern einmal in die Schweiz zurückkehren. Und wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich gerne eine Zeit lang dort leben. Damals gab es dort nur wenige Studenten, und wir kannten uns alle gut. Das Studium in einer frankophonen Region hat seine Besonderheiten, das Bildungssystem ist ein bisschen anders. Aber das war für mich kein Problem, weil ich in Brünn ein zweisprachiges französisches Gymnasium besucht hatte.“

Bin ich zum Priesteramt berufen?

An der Universität in Genf sei sie von einer Gruppe von Studenten besonders stark beeinflusst worden, berichtet Jacobea. Gemeinsam hätten sie Diskussionen geführt, ob sie die Priesterweihe empfangen und Pfarrer werden sollten…

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

„Wir fragten uns immer wieder, ob wir wirklich zum Priesteramt berufen sind. Wir hatten einen hervorragenden Professor für praktische Theologie. Er war ein sehr netter Mann, aber eines Tages beim Mittagessen hielt er es nicht mehr aus und fragte uns, ob wir Post vom Himmel in einem goldenen Umschlag erwarten würden. ‚Hat euch nie jemand ermutigt?‘, fragte er uns. ‚Doch, doch‘ nickten wir. ‚Na, seht ihr…‘, meinte er. Bis dahin dachte ich, ich würde einmal Französisch unterrichten, denn ich hatte eine Zeit lang auch an der pädagogischen Fakultät studiert.“

Nach ihrer Entscheidung, Pastorin zu werden, musste Alexandra Jacobea in ihrer Kirche einen Prozess durchlaufen, der zum Priesteramt führt.

„Als Studentin habe ich Praktika gemacht. Dann wurde ich in der Kirche angestellt und habe ein weiteres Jahr Praktikum gemacht, das wir Vikariat nennen. Das heißt, man arbeitet in einer Gemeinde mit einem erfahrenen Kollegen und besucht gleichzeitig Seminare, die speziell für Vikare bestimmt sind. Wenn man nach diesem Jahr gute Noten hat und sich der Sache gewachsen fühlt, kann man Pfarrer werden. Ich bin seit Herbst 2011 im Amt. Ich kam dafür in die Gemeinde in Brünn, in der ich zuvor mein Vikariat absolviert hatte.“

Im Jahr 2021 wechselte die Pfarrerin nach Prag. Wie zuvor schon in Brünn sei sie auch hier reibungslos aufgenommen worden, schildert Alexandra Jacobea:

„In Brünn kannte man mich schon seit einem Jahr, die Leute waren also nicht überrascht. Und hier in Prag wussten sie, wen sie einladen, denn sie hatten meine Arbeit schon länger verfolgt. Ich habe keine überraschten oder negativen Reaktionen bemerkt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es für Gemeinden manchmal eine größere Herausforderung ist, einen Pastor oder eine Pastorin – hier gilt das sowohl für Männer als auch für Frauen – einzustellen, die Singles sind. Die Gemeinden haben nämlich oft die Erwartung, dass der Pastor oder die Pastorin eine weitere Familie in die Gemeinde mitbringen wird, was sicherlich wichtig ist. Aber manchmal ist es nicht einfach, diesen Erwartungen gerecht zu werden.“

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Zuhören können

Wie reagieren die Menschen außerhalb ihrer Kirche auf die Pfarrerin Jacobea? Manche seien überrascht, so die Antwort, weil sie einfach nicht wissen, dass eine Frau diesen Beruf ausüben könne:

„Aber es scheint, je älter ich werde, desto besser wird es. Als ich mit 26 Jahren anfing, gab es viel mehr überraschte Reaktionen. Manchmal hört man Dinge über sich, die nicht angenehm sind. Aber im Vergleich zu den positiven Reaktionen, die ich bekomme, ist das vernachlässigbar.“

Eigentlich wehrt sich Alexandra Jacobea gegen die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen unter den Geistlichen…

„Ich glaube, dass unsere Arbeit mehr mit dem persönlichen Gaben zu tun hat. Man muss zuhören können, einfühlsam sein. Diese Fähigkeit besitzen aber nicht nur die Frauen. Ich kenne eine Reihe von männlichen Kollegen, die in dieser Hinsicht sehr stark sind.“

Taufen, Trauungen und Beerdigungen, geistliche Begleitung und Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Familien und Menschen mit Behinderungen. Dies alles gehört zu ihrem Beruf als Pfarrerin. Was macht ihr am meisten Spaß?

„Die Vorbereitung von Predigten und die Planung von Gottesdiensten. Ich sage das mit etwas Bammel, weil ich vor jedem Gottesdienst Lampenfieber habe. Es ist immer ein Kampf, aber ich liebe den Prozess.“

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Von ihrer Wohnung in einem Miethaus im Prager Stadtteil Dejvice steigt Jacobea nur ein paar Stockwerke hinunter in den Keller, wo die evangelische Kirchengemeinde ihren Sitz hat…

„Ja, ich kann in Hausschuhen in die Kirche gehen! Dieser Raum wurde 1997 aus einer Wohnung und zwei Kellern umgebaut. Er wurde von Architekten aus der Gemeinde entworfen. Hier feiern wir also unsere Gottesdienste. In der Faschingszeit hat hier zum Beispiel eine Band mit fünfzehn Leuten gespielt. Und nach den Gottesdiensten gibt es Kaffeekränzchen.“

Zuletzt habe man die Stühle weggeräumt, Tische aufgestellt, und so sei Platz gewesen für ein gemeinsames Mittagessen für 80 Personen, ergänzt Jacobea:

„Ich liebe diese räumliche Abwechslung. Mir gefällt auch die Tatsache, dass die Kirche im Keller liegt, und daher nicht nach Außen auffällt. Mir gefallen ebenfalls die Buntglasfenster, auf denen die Gaben des Heiligen Geistes nach dem Galaterbrief dargestellt sind. Sie sind nachts beleuchtet, so dass man auf dem Nachhauseweg dem Licht entgegengeht... Und die Einheimischen wissen, dass es hier eine Kirche gibt.“

Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International
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