Fußball: Pleite in Wales befleckt guten Auftakt in WM-Qualifikation

Pleite in Wales (Foto: ČTK / AP Photo / Nick Potts)

Der Terminkalender im Fußball kennt fast keine Pausen mehr. Die Einführung der Nations League und die Corona-bedingte Verschiebung der Europameisterschaft haben dafür gesorgt, dass die Qualifikation für die WM 2022 in Katar dichtgedrängt ist. Auch die tschechische Nationalmannschaft hat so in den zurückliegenden sechs Tagen gleich drei WM-Qualifikationsspiele bestritten.

Jaroslav Šilhavý  (Foto: ČTK / Michal Kamaryt)

Bei der Auslosung der Fußball-WM in Zürich wurde Tschechien einer Fünfergruppe zugeteilt. Es ist die Gruppe E, in der Belgien und Wales die stärksten Kontrahenten sind für die Schützlinge von Trainer Jaroslav Šilhavý. Gegen beide Teams musste die tschechische Mannschaft in den vergangenen Tagen bereits antreten, doch zum Auftakt der Qualifikation traf sie auf Estland.

Erster Auftritt: Souveräner Triumph über Außenseiter Estland

Wegen der Corona-Pandemie fand die Auswärtsbegegnung mit den Esten im polnischen Lublin statt. Für beide Teams also ein ungewohnter Spielort, doch anscheinend hatten sich die Gastgeber etwas eher darauf eingestellt. Denn nach einem Konter gingen sie in der 12. Minute durch Rauno Sappinen überraschend in Führung. Dieser Treffer war aber offenbar der Funke, den die Spieler um Kapitän Vladimír Darida für ihre danach überzeugende Leistung noch gebraucht hatten. Angreifer Jakub Jankto, der letztlich einen tschechischen Torreigen beendete, sagte nach dem Abpfiff:

Jakub Jankto | Foto: Tadeáš Bednarz,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

„Der Schlüssel zum Erfolg war: Wir dürfen den Gegner nicht unterschätzen. Paradoxerweise haben wir aber kurz nach der zehnten Minute ein Gegentor erhalten, was wir hätten verhindern müssen. Auf der anderen Seite hat uns dieser Treffer wachgerüttelt. Danach waren wir klar das bessere Team und hätten auch noch mehr Tore erzielen können. Doch ich denke, das 6:2 ist ein Superergebnis.“

Von den sechs Toren der tschechischen Mannschaft erzielte ein Spieler drei Treffer, und dieser wurde vom Kommentator am Mikrofon des Tschechischen Rundfunks entsprechend gefeiert: Tomáš Souček. Wäre dem Mittelfeldspieler von West Ham United nicht der Halbzeitpfiff dazwischengekommen, dann hätte er zwischen der 32. und 48. Minute einen lupenreinen Hattrick erzielt. Doch auch so war Trainer Šilhavý mit seinem Führungsspieler sehr zufrieden:

„Ich bin froh, dass Souček so gut in Form ist. Dass ein defensiver Mittelfeldspieler drei Tore schießt, sieht man nicht allzu oft. Mit dieser Leistung hat er einmal mehr bestätigt, dass er zu Recht tschechischer Fußballer des Jahres geworden ist. Ich bin überzeugt, dass er noch öfter so auftrumpfen und seine Teamkollegen mitziehen wird.“

Tomáš Souček  (Mitte). Foto: ČTK / Michal Kamaryt

Auch die Mitspieler zogen vor Součeks Auftritt den Hut. Jakub Jankto:

„Wir haben ihm natürlich gratuliert, denn einen Hattrick macht man nicht alle Tage. Für uns ist er ein Schlüsselspieler. Als defensiver Mann im Mittelfeld hat er in der Premier League neun Tore in 30 Spielen erzielt, das ist einfach Klasse.“

Tomáš Souček aber zeigte sich gewohnt bescheiden und gab die Komplimente gern zurück:

„Wir haben ein tolles Team. Jetzt loben mich meine Mitspieler, nachdem sie mir die Bälle auch gut aufgelegt haben. Beim nächsten Mal ist es vielleicht andersherum, denn jeder in der Mannschaft kann den anderen in eine gute Abschlussposition bringen.“

Zweiter Auftritt: Starke Partie gegen Belgien, aber Sieg verpasst

Tschechien - Belgien  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)

Dass die tschechische Nationalmannschaft der Gegenwart ein verschworener Haufen ist, wollte sie nur drei Tage später erneut unter Beweis stellen: im Heimspiel gegen Gruppenfavorit Belgien. In dieser Begegnung mussten beide Teams jedoch auf ihre Bundesliga-Legionäre verzichten. Der Grund war einmal mehr die Corona-Pandemie. Da die Bundesrepublik das Nachbarland Tschechien weiterhin als Hochrisikogebiet einstuft, hätten sie als Rückkehrer in Deutschland für zwei Wochen in Quarantäne gemusst. Aber auch ohne die Bundesligaprofis zeigten Tschechien und Belgien ein Spiel auf sehr hohem Niveau. Es endete leistungsgerecht 1:1 unentschieden. In der Schlussphase der Partie in Prag aber war Tschechien am Drücker und hätte bei etwas mehr Courage im Abschluss sogar noch den Siegtreffer erzielen können. Trotzdem war Fußball-Experte Jan Suchopárek im Studio des Tschechischen Fernsehens vom Auftritt der Gastgeber begeistert:

Tschechien - Belgien  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)

„Heute haben wir gezeigt, dass wir eigentlich in die A-Gruppe der Nations League gehören. Wir haben ein schönes und dramatisches Spiel gesehen, in dem die Leistung unserer Mannschaft hervorragend war. Doch ich denke, dass wir heute zwei Punkte verloren haben.“

Nationaltrainer Jaroslav Šilhavý sah es ähnlich:

„Belgien hat ein tolles Team mit vielen herausragenden Individualisten. Unsere Mannschaft wiederum zeichnet sich durch ihren Teamgeist aus. Dank dieses Zusammenhalts haben wir auch die Belgier vor Probleme gestellt. Wir hätten sie sogar schlagen können, was uns auch fast gelungen ist.“

Lukáš Provod  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)

Für elf Minuten war Tschechien auch auf der Siegerstraße, nachdem Lukáš Provod die Gastgeber in der 50. Minute mit einem platzierten Schuss ins lange Eck in Führung gebracht hatte. Für den jungen Mittelfeldspieler von Slavia Prag war es das erste Tor im Nationaldress:

„Mein Tor war das Sahnehäubchen auf der Torte. Hätte ich mich in einer weiteren aussichtsreichen Position anders entschieden, hätten es auch zwei Tore sein können. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.“

Kevin De Bruyne  (rechts). Foto: ČTK / Michal Kamaryt

Weil Provod und seine Teamkollegen aber gute Chancen ausließen, wurde Tschechien letztlich noch bestraft. In der 61. Minute zeigten die zwei Stars des belgischen Teams, aus welchem Holz sie geschnitzt sind: Mittelfeldstratege Kevin de Bruyne schickte Romelo Lukako mit einem millimetergenauen Steilpass auf die Reise, und der bullige Stürmer schoss überlegt zum 1:1-Endstand ein. Das nötigte auch dem ehemaligen Bundesligaprofi Günter Bittengel als Fußballexperte im Tschechischen Fernsehen Respekt ab:

„Beide Akteure haben gezeigt, weshalb sie auf dem Markt so teuer sind. De Bruyne und Lukako sind zwei Führungsspieler in der belgischen Mannschaft, und beim Ausgleichstor war ihre Klasse deutlich zu sehen.“

Tschechien - Belgien  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)

Für Jan Suchopárek war das Unentschieden gegen Belgien aber letztlich zu wenig, weil man seiner Ansicht nach die Heimspiele möglichst gewinnen sollte. Daher holte er am Ende seines Resümees noch den Rechenschieber heraus:

„Als ich mir die drei Aufgaben, die unsere Mannschaft jetzt zu absolvieren hat, vor dem ersten Anpfiff genauer angeschaut habe, habe ich mir gedacht, dass vier Punkte nicht viel sind. Neun Punkte wären absolut super gewesen, doch jetzt sind zumindest noch sieben drin. Auch das wäre ein perfekter Start in die WM-Qualifikation, selbst fünf Punkte wären nicht schlecht. Ein Sieg in Wales aber würde uns die Punkte zurückbringen, die wir heute verloren haben.“

Dritter Auftritt: Knappe Niederlage nach unnötigem Feldverweis von Schick

Patrik Schick  (rechts). Foto: ČTK / AP Photo / Nick Potts

Mit dem Ziel, drei Punkte zu holen, ging die tschechische Mannschaft am Dienstagabend auch in das schwere Auswärtsspiel in Cardiff gegen Gastgeber Wales. Dabei konnte sie wieder auf die Dienste ihrer Bundesligaprofis zurückgreifen, weil die britische Insel für Deutschland mittlerweile schon nicht mehr zu den aktuellen Sorgenkindern in der Corona-Pandemie zählt. Zwei von ihnen spielten auch von Beginn an, Patrik Schick aber leider nur 48 Minuten lang. Denn kurz nach der Pause ließ sich der Stürmer von Bayer Leverkusen bei einem Gerangel im Strafraum zu einer Tätlichkeit hinreißen, als er sich aus der Umklammerung seines Gegenspielers etwas ungeschickt befreite. Über diesen Platzverweis war Trainer Šilhavý nach dem Spiel dann auch ziemlich verärgert:

„Ganz gewiss werde ich Patrik diese Aktion vorhalten. Er ist mittlerweile erfahren genug, um das anders zu lösen. Auch wenn ihn der Gegenspieler gehalten hat, darf er nach dem Zweikampf nicht so wild herumfuchteln. Trotzdem haben wir in der zweiten Halbzeit das Spiel diktiert und den Gegner weitgehend in die eigene Hälfte gedrängt. Aber leider ist es schiefgegangen, obwohl Wales in den letzten Minuten auch nur noch zu zehnt gespielt hat. Der Platzverweis von Schick aber hat das Spiel beeinflusst.“

Gareth Bale  (Foto: ČTK / AP Photo / Nick Potts)

Doch ebenso Gareth Bale, der Superstar der Waliser, trug entscheidend zum Ergebnis bei. In der 81. Spielminute setzte sich der 31-jährige Flügelstürmer das zweite Mal stark durch – und seine Maßflanke kam genau zu Mitspieler Daniel James, der mit einem wuchtigen Kopfball zum 1:0-Endstand einnetzte. Auch wenn sich die tschechische Mannschaft danach bis zum Abpfiff gegen die drohende Niederlage aufbäumte, der Ausgleich gelang ihr trotz einer guten Einschusschance von Ondřej Čelůstka nicht mehr. Für Kapitän Vladimír Darida ist das bittere Ergebnis aber kein Grund, um nun die Flinte ins Korn zu werfen:

Ondřej Čelůstka  (rechts). Foto: ČTK / AP Photo / Nick Potts

„Natürlich denken wir immer noch daran, Gruppenerster zu werden und uns so direkt für die WM zu qualifizieren. Würden wir dieses Ziel nicht haben, hätten wir gar nicht erst zur Qualifikation antreten sollen. Andererseits verkompliziert die Niederlage unsere Ausgangsposition. Bis zum Ende der Qualifikation stehen noch genügend Spiele an, aber klar ist auch: Wir müssen zu Hause gegen Wales gewinnen und auch in Belgien. Noch ist nichts verloren. Wir lassen den Kopf nicht hängen, sondern werden weiter kämpfen.“

Ihr nächstes Qualifikationsspiel bestreitet die tschechische Mannschaft am 2. September zu Hause gegen Weißrussland. Drei Tage später reist sie dann bereits zum richtungsweisenden Spiel nach Belgien.

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