Fußball: Tschechien gefährdet WM-Qualifikation – Umbruch in Team und Verband nötig

Milan Baroš (Foto: ČTK)

Am Mittwoch standen weitere Qualifikationsspiele zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika an. In Prag gab es das pikante, so genannte Bruderduell Tschechien gegen die Slowakei. Für die Tschechen ging es gründlich in die Hose – sie verloren 1:2. Ergo: Für die tschechische Nationalmannschaft wird es nun ganz, ganz schwer, um bei der WM-Premiere auf dem schwarzen Kontinent dabei zu sein. Lothar Martin hat das Spiel beobachtet, hier seine Einschätzung:

Milan Baroš  (Foto: ČTK)
Lothar, die tschechische Auswahl war vor fünf Jahren noch EM-Dritter und hat begeisternden Fußball gespielt. Jetzt ist sie aber nur Vierter der europäischen WM-Qualifikationsgruppe 3 und bietet einen Fußball, der niemanden von den Sitzen reißt. Wie ist dieser Absturz zu erklären?

„Das ist leider eine Abwärtsentwicklung, die schon in der Ära des Trainers Karel Brückner begann. Brückner ließ den tollen Offensivfußball, den er einst kreierte, später nur noch ´verwalten´. Mit anderen Worten: Er setzte immer wieder auf dieselben Spieler, auch wenn sie nicht in Form waren. Das beste Beispiel ist Stürmer Milan Baroš. Der Torschützenkönig der EM 2004 fiel nach seinem bisherigen Karriere-Höhepunkt in ein tiefes Loch; wegen schwacher Leistungen musste er sich ständig neue Vereine suchen, bei Brückner aber hatte er seinen Stammplatz quasi sicher. Zudem haben sich mehrere erstklassige Spieler inzwischen aus der Auswahl verabschiedet – wie Karel Poborský, der seine Karriere beendete, oder wie Pavel Nedvěd und Jan Koller, die sich nur noch auf den Clubfußball konzentrieren. Und ein weiterer Führungsspieler wie Tomáš Rosický ist immer noch verletzt. Last but not least hat die destruktive Entwicklung durch die Ernennung von Brückners ehemaligem Assistenten Petr Rada zum Nationaltrainer eine logische Fortsetzung gefunden. Rada hat keine Meriten vorzuweisen und bringt auch keine neuen Ideen ein.“

Petr Rada  (Foto: ČTK)
Bei der WM 2006 und der EM 2008 war ja zu sehen, dass das Spiel der tschechischen Nationalmannschaft stagniert. Warum wurde nach diesen Enttäuschungen kein rasanter Schnitt gemacht?

„Gute Frage, klare Antwort: Weil im Böhmisch-Mährischen Fußballverband (ČMFS) zu wenig kompetente Fachleute arbeiten, die eine klare Philosophie darüber haben, wie der tschechische Fußball strukturiert und organisiert sein muss, um längerfristig erfolgreich zu sein. Sehenden Auges wurde zugeschaut, wie Karel Brückner es versäumte, junge, talentierte Spieler an den Auswahlkader heranzuführen. Und auch die zweite Chance, nach dem Abgang von Brückner für einen klaren Neuanfang zu sorgen, wurde leichtfertig vertan – die Wahl von Petr Rada zum Auswahlcoach spricht eine klare Sprache.“

Marek Jankulovski  (links) Foto: ČTK
Haben die tschechischen Fußballer mit der Niederlage gegen die Slowakei nun all ihre WM-Chancen verspielt?

Linksverteidiger Marek Jankulovski sieht es so: „Es ist noch möglich, die restlichen vier Spiele zu gewinnen, aber auch dann sind eher nur der zweite Gruppenplatz und damit die Relegation noch drin. Die Slowakei hat vier Punkte Vorsprung und noch ein leichtes Spiel gegen San Marino in der Hinterhand, deshalb ist der erste Platz zu weit entfernt.“

Lothar, was hältst du von dieser Einschätzung?

„Ich finde, das ist eine realistische Einschätzung. Aber auch der zweite Platz ist nur mit einer völlig anderen Spielweise und mit mehreren neuen Spielern zu erreichen. Deshalb halte ich den Rücktritt von Trainer Rada für zwingend notwendig. Darüber hinaus aber müssten auch im Verband einige Veränderungen passieren, damit dort endlich wieder progressive Denkweisen Einzug halten.“

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