General Patton-Memorial in Plzen / Pilsen

Patton-Memorial in Plzen (Foto: Autorin)

Historische Wahrheiten waren in der kommunistischen Tschechoslowakei nur dann erwünscht, wenn sie sich in das propagandistische Geschichtsbild einfügten. Ereignisse wurden verdreht oder negiert. In Plzen / Pilsen entschieden sich daher einige passionierte Sammler ein Museum zu gründen. Anhand einzigartiger Dokumente und Originalexponate wird darin ein Abschnitt der Geschichte Pilsens und des ganzen Landes geschildert, über den während des Kommunismus nicht gesprochen werden durfte: Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Befreiung Westböhmens durch die US-Armee sowie die ersten Monate nach dem Kriegsende in der Region. In das "General Patton-Museum" laden Sie in der Sendereihe "Reiseland Tschechien" Martina Schneibergova und Bernd Janning ein.

Patton-Memorial in Plzen  (Foto: Autorin)
Das Museum, das zu Ehren von General George S. Patton seinen Namen trägt, findet man im Pilsner Kulturhaus in der Pobrezni Nr. 10. Die Idee für ein solches Museum entstand vor rund einem Jahr. Um das Museum pünktlich zum 60. Jahrestag der Befreiung Pilsens eröffnen zu können, baten die Initiatoren damals den Pilsner Magistrat um Unterstützung. Trotz der kurzen Vorbereitungszeit konnte das Museum im Mai 2005 seine Pforten für die Besucher öffnen. Die Dauerausstellung konzipierte Zdenek Roucka:

"Interessant an diesem Museum ist, dass fast alle Exponate von vier Sammlern zur Verfügung gestellt wurden. Die Fotografien stammen aus meinem Archiv ähnlich wie die Dokumentarfilme, die mir und meinem Freund Jiri Franz gehören. Ich habe den Begleittext für die Ausstellung zusammengestellt. Die vielen Gegenstände aus dem Militärbereich - Uniformen, aber auch kleine Dinge des alltäglichen Bedarfs - stammen von den beiden Sammlern Ivan Rollinger und Milan Jisa."

Zdenek Roucka  (links),  Milan Jisa und Ivan Rollinger  (Foto: Autorin)
Die beiden Sammler Ivan Rollinger und Milan Jisa sind zugleich Angestellte des Museums. Sie kümmern sich um einen reibungslosen Betrieb der Institution, deren Exponate vorwiegend aus Privatsammlungen stammen.

Eine Ausnahme stellen die im Museum gezeigten Waffen dar, die zu keiner Privatsammlung gehören, sondern Dauerleihgaben des Prager Historischen Militärinstituts sind. Nicht nur Gegenstände, die unmittelbar mit der Befreiung Pilsens am Kriegsende zusammenhängen, kann man im Museum sehen. Ein Teil der Ausstellung konzentriert sich auf die Zeit nach dem kommunistischen Putsch von 1948, als Geschichtsverfälschung zum Alltag gehörte und die historische Wahrheit nicht laut ausgesprochen werden durfte.

Foto: Autorin
"Im hinteren Teil der Exposition befindet sich ein vergitterter Raum - eine Art Löwenzwinger. Dieser Zwinger hat eine symbolische Bedeutung. Denn in einem Käfig haben wir - bildlich gesprochen - alle gelebt. In diesem Raum wird vor allem die Entwicklung nach 1948 beschrieben, als die Geschichte verdreht wurde. Da Pilsen durch die US-Armee befreit wurde, setzten die kommunistischen Machthaber ein Zeichen dagegen. So war Pilsen die erste Stadt, der unmittelbar nach dem Tod von Stalin großzügig ein großes Stalin-Denkmal beschert wurde. Es freut mich, dass es hier jetzt diese Dauerausstellung gibt, damit jeder herkommen und die Geschichte nacherleben kann."

Obwohl die offizielle Propaganda seit 1948 bemüht war, die Erinnerungen an die Befreiung Westböhmens durch die US-Armee mit allen Mitteln auszulöschen, ist dies oftmals nicht gelungen.

Foto: Autorin
"Dank der Erinnerungen, die Zeitzeugen an die jüngere Generation weitergaben und dank verschiedener Souvenirs, die die Bewohner Pilsens und anderer westböhmischer Städte aufbewahrt haben, lebte die historische Wahrheit unter den Menschen inoffiziell weiter. Man wusste darüber, aber es gab keinerlei Feierlichkeiten. Wenn sich jemand dennoch traute, eine US-Fahne aus dem Fenster zu hängen, folgten ein Verhör bei der Staatssicherheit und mindestens der Verlust der Arbeitsstelle."

Zdenek Roucka führte mich durch die einzelnen Räumlichkeiten des General Patton-Museums. Einleitend betritt man einen dunklen Raum, in dem man sich anhand von Dokumentaraufnahmen eine Vorstellung über die Tätigkeit der Kriegspiloten machen und die Geschichte hautnah erleben kann.

Foto: Autorin
"In einem rund acht Minuten langen Film sieht man, was sich während des Luftkrieges abspielte. Es handelt sich um mehr oder weniger bekannte Dokumentarfilme, die für den Bedarf des Museums gekürzt wurden. Es sind Aufnahmen von Luftangriffen, die mit ihrem Originalton auf die Besucher manchmal fast schockierend wirken."

Die letzten Luftangriffe, die während des Zweiten Weltkriegs geflogen wurden, sind im anschließenden Raum Thema. Die historischen Ereignisse werden mit Fotos und Exponaten, z. B. Fliegeruniformen, Ausrüstung und Fachbüchern dokumentiert. Ausführlicher wird dann die Befreiung der west- und südböhmischen Städte durch die US-Truppen beschrieben. Zdenek Roucka über die Dokumentarfotos:

Foto: Autorin
"Hier sieht man Fotografien von den größten Städten, die von der US-Armee befreit wurden. Darunter Städte wie As, Cheb, Domazlice, Klatovy, Susice, Horazdovice, Strakonice und Pisek. Ausgestellt sind Gegenstände der 4. US-Panzerdivision. Diese Division sollte Prag befreien, sie durfte jedoch am 5. und 6. Mai 1945 nicht weiter voranrücken. Heute weiß man über diesen Umstand bescheid, aber bis 1989 wurde darüber geschwiegen."

Am interessantesten sind für die Besucher zweifelsohne die ausgestellten Gegenstände des Alltagsbedarfs, die aus der Ausstattung der US-Armee von 1945 stammen. Ob Konserven, Medikamente oder Feldgeschirr. Alle Gegenstände sind original - so auch die Zigaretten und Zahnstocher. Die bunte Auswahl der erhalten gebliebenen Gegenstände hat, Zdenek Roucka zufolge, auch Zeitzeugen überrascht:

"Im Mai nahmen einige US-Kriegsveteranen, die im Mai 1945 in Pilsen waren, an der Eröffnung des Museums teil. Sie waren überrascht, denn in den USA gibt es bei Ausstellungen historische Uniformen oder Ausrüstung zu sehen, aber Originalkaugummi oder Schokoladen aus dem Jahr 1945 findet man dort nicht. Diese Kleinigkeiten, die die Menschen hier manchmal auch als ein Andenken aufgehoben haben, die gibt es in Amerika nicht mehr. Die US-Veteranen waren erstaunt und fasziniert darüber, woher wir diese Kleinigkeiten bekommen haben."

Foto: Autorin
Im nächsten Teil der Ausstellung wird das Leben in den ersten Nachkriegsmonaten dokumentiert. Zdenek Roucka ist vor allem auf einen Dokumentarfilm sehr stolz:

"Die Aufnahmen sind von Mitte Juni 1945, als der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes auf Einladung des 5. US-Korps nach Pilsen kam. Damals fand in Pilsen die größte Militärparade der US-Armeen statt, weil Pilsen die östlichste Stadt war, die von der US-Armee befreit wurde. Aus den ursprünglich von acht Kameras gedrehten Aufnahmen wurde ein zwölfminütiger Film zusammengestellt, der den Eindruck einer Fernsehübertragung erweckt. Es sind wirklich einzigartige Aufnahmen."

Unter den vielen Exponaten, die im weiteren Teil der Ausstellung das Freizeitleben der Soldaten dokumentieren, sind mehrere wertvolle Gegenstände. Dazu gehören beispielsweise Baseballschläger, Handschuhe und Baseballbekleidung, so Zdenek Roucka. Unter den Sammlern sind dies hoch geschätzte Stücke. Am Ende der Ausstellung werden Dokumentarfotos vom 20. November 1945 gezeigt, als die US-Truppen Pilsen beziehungsweise die Tschechoslowakei verließen. Namhafte Politiker - wie zum Beispiel Außenminister Jan Masaryk - sind damals zur abschließenden Militärparade nach Pilsen gekommen.

Foto: Autorin
Im Museum wird natürlich auch General Patton selbst vorgestellt, der als kämpfender General der 3. US-Armee legendären Ruhm erlangte. Patton war nach dem Krieg Militärgouverneur von Bayern und residierte bei Bad Tölz. Durch Eisenhower wurde er von seinem Kommando über die 3. US-Armee im September 1945 abgelöst und zur 15. Armee nach Bad Nauheim geschickt. Kurz vor seiner geplanten Rückkehr in die USA wurde George Patton am 9. Dezember 1945 in der Nähe von Mannheim bei einem Autounfall schwer verletzt. Der legendäre General erlag seinen Verletzungen am 21. Dezember 1945 in Heidelberg. Beigesetzt wurde Patton im luxenburgischen Hamm.

Die kurze Zeit der Freiheit in der Tschechoslowakei wird im Museum anhand von Büchern und anderen Dokumenten veranschaulicht, die damals erschienen. Dann betritt der Besucher den schon bereits erwähnten symbolischen Käfig, in dem die Zeit nach dem kommunistischen Putsch von 1948 dokumentiert wird.

Foto: Autorin
"Wir haben viele traurig stimmende Zeitungsartikel sowie Zitate aus zeitgenössischen Büchern, die die Zeitetappe von 1948 bis 1989 illustrieren. Auf den Fotos kann man die Beseitigung der bisherigen Denkmäler und die Errichtung neuer Denkmäler sehen. Interessant sind beispielsweise Zeitungsartikel aus dem Jahr 1969. In Pilsen wurde damals gewaltsam eine Demonstration unterdrückt, die an dem Ort stattfand, wo einst der Grundstein eines Denkmals für die US-Armee gelegt wurde. Einige Fotos beziehen sich auf die achtziger Jahre, als die US-Botschafter im Mai immer die westböhmischen Städte besuchten, um dort anlässlich des Jahrestags der Befreiung Blumen niederzulegen. Tschechen, die dem Gedenken beiwohnten, demonstrierten damit ihren persönlichen Mut. Sobald der Botschafter die Stadt verlassen hatte, wurden die Kränze oder Blumen beseitigt. All diese peinlichen Angelegenheiten werden mit Texten und Fotos dokumentiert, damit sie nicht vergessen werden."

Wenn man den symbolischen Käfig der Unterdrückung verlässt, sieht man bereits Fotos und Filmaufnahmen, die die großen Feierlichkeiten vom Mai 1990 dokumentieren, als nach 42 Jahren erstmals wieder frei und öffentlich an die Befreiung durch die US-Armee erinnert wurde.

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