Gesamteindruck ist wichtig: Historische Stadt des Jahres 2007

Jindřichův Hradec (Foto: CzechTourism)

Das Kulturerbe zu bewahren und auch zu nutzen - mit diesem Ziel gründeten Vertreter einiger tschechischer Städte 1990 die Vereinigung der historischen Städte und Siedlungen. Die Zahl der Mitglieder der Vereinigung, unter denen Städte, Gemeinden oder Stadtteile sind, ist inzwischen auf 207 gestiegen. Die Vereinigung ist einer der Initiatoren des Wettbewerbs um die „Historische Stadt des Jahres“. Der Titel wird jedes Jahr anlässlich des Internationalen Denkmal-Tags verliehen, der am 18. April begangen wird.

Petr Sedláček ist Vorsitzender der Vereinigung historischer Städte und einer der Juroren, die die historische Stadt des Jahres wählen. Zudem ist er Vizebürgermeister Kroměříž / Kremsier und hat dort Erfahrungen mit der Pflege des einzigartigen Kulturerbes der mährischen Stadt gesammelt. Denn die historischen Gärten und das Schloss in Kroměříž wurden vor zehn Jahren in die Weltkulturerbeliste der Unesco eingetragen. Sedláček zufolge enthält allein die Anmeldung zum Wettbewerb um die historische Stadt des Jahres sehr präzise Angaben. Doch kann man überhaupt objektiv messen, welche Stadt in der Rekonstruierung und Wiederbelebung historischer Sehenswürdigkeiten erfolgreicher ist als andere? Sedláček findet durchaus:

Petr Sedláček  (Foto: Autorin)
„Wir vergleichen die einzelnen Städte nach den vorgegebenen Kriterien. Dabei berücksichtigen wir bei weitem nicht nur die Zahl der restaurierten Baudenkmäler, sondern beurteilen auch das Leben in den historischen Stadtteilen. Wir bewerten die Umwelt, die Grünanlagen, die Möglichkeiten zu parken sowie die Dienstleistungen, die Besuchern und Bürgern angeboten werden. Es handelt sich hierbei um einige Dutzend Aspekte, die beurteilt werden. Die abschließende Bewertung ist eine Zusammenfassung des Gesamteindrucks. Der Gesamteindruck, den die Stadt macht, ist eines der Kriterien, nach denen sie bewertet wird.“

Petr Sedláček zufolge haben alle Sieger-Städte schon auf der Ebene der Landkreise einen guten Gesamteindruck gemacht. Umso schwieriger sei es gewesen, so Sedláček, die drei besten Städte für die Auszeichnung zu nominieren und danach über den Sieger zu entscheiden. Neben Sedláček sitzen in der Jury noch ein Vertreter des Kulturministeriums und ein Vertreter des Ministeriums für die Regionalentwicklung. Der Sieger des Wettbewerbs wurde auf einer feierlichen Versammlung von Stadtvertretern aus ganz Tschechien bekannt gegeben, die am Mittwoch auf der Prager Burg zusammentrafen. Nach allen offiziellen Ansprachen wurde verkündet:„Zur historischen Stadt des Jahres 2007 wurde die Stadt Jindřichův Hradec gewählt.“

Jindřichův Hradec  (Foto: CzechTourism)
Die Vertreter der südböhmischen Stadt genossen den Sieg. Plötzlich standen sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, alle wollten ihnen die Hände schütteln und gratulieren. Jindřichův Hradec – zu Deutsch Neuhaus – siegte über zwei mährische Städte: Uherské Hradiště und Šternberk. Karel Matoušek ist seit zehn Jahren dort Bürgermeister. Er stammt aus Jindřichův Hradec und hält sich für einen Stadtpatrioten.

„Unsere Stadt ist nicht nur eine Kulisse für Touristen. In den verschiedenen malerischen Ecken und kleinen Gassen im historischen Stadtkern pulsiert das Leben. In den letzten Jahren entstanden dort kleine Läden, Cafés und Restaurants – einfach Räumlichkeiten, die die Leute nutzen, auch wenn die Touristensaison vorbei ist. Der Titel freut uns. Den Zuschuss in Höhe von einer Million Kronen, den wir für den Sieg vom Staat kriegen, werden wir zweifelsohne in die Restaurierung weiterer Bauten investieren. Jetzt in der Euphorie nach dem Sieg würde ich sagen, dass wir das Geld den Besitzern der historischen Häuser zur Verfügung stellen, die zur Schönheit der Stadt stark beitragen.“

Jindřichův Hradec begann sich im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts zu entwickeln. Jindřich Vítkovec hatte damals den deutschen Ritterorden in die Siedlung berufen, die unter der ursprünglichen Burg entstand. Die Ordensritter wurden verpflichtet, ein Spital bei der Pfarrkirche aufzubauen. 1293 wird Hradec in einer Urkunde zum ersten Mal als Stadt erwähnt. Bis in die Neuzeit ist Jindřichův Hradec eine bedeutende Stadt geblieben. 1801 wurde es leider durch einen großen Brand stark beschädigt. Heute ist die Stadt vor allem durch ihr Schlossareal bekannt. Bürgermeister Matoušek:

Jindřichův Hradec  (Foto: CzechTourism)
„In der Stadt befindet sich das drittgrößte Schloss- und Burgareal in Tschechien – neben der Prager Burg und dem Areal in Český Krumlov / Krumau. Im 16. Jahrhundert war Jindřichův Hradec mit seinen 505 bewohnten Häusern die zweitgrößte Stadt Böhmens nach Prag. Da sich in der Stadt fast keine Industrie entwickelte, hat sie ihren mittelalterlichen Charakter bewahrt.“

Die Veranstalter des Wettbewerbs um die Historische Stadt des Jahres haben vor allem die Renovierung des ehemaligen Jesuitenkollegs in Jindřichův Hradec honoriert. Dort hat das nationale Museum für Fotografie seinen Sitz. Er sei selbst erstaunt, dass ein Museum von landesweitem Rang sich in einer Kleinstadt von 23.000 Einwohnern angesiedelt hat, sagt Bürgermeister Matoušek.

„Ein Nationalmuseum würde man wahrscheinlich eher in der Hauptstadt vermuten. Aber in Prag gibt es vielleicht schon so viele Museen und Kultureinrichtungen, dass die Fotografen nach einem anderen Ort suchten. Und sie haben es schließlich bei uns errichtet. Drei Viertel des Areals wurden inzwischen rekonstruiert. Wir wollen die Rekonstruktionsarbeiten vollenden. Das Jesuitenkolleg mit den Fresken ist etwas Besonderes.“

Jindřichův Hradec liegt etwa 16 Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs arbeitet die Stadt im Tourismus mit Niederösterreich und mit Bayern eng zusammen, erzählt der Bürgermeister:

Jindřichův Hradec  (Foto: CzechTourism)
„Es gibt bei uns in der Region eine Attraktion, die die Touristen oft bewundern: die erste private Schmalspurbahn in Tschechien. Mit einer Dampflok kann man einen Ausflug durch die Natur des so genannten ´böhmischen Kanada´ unweit von Nová Bystřice unternehmen. Soviel ich weiß, gefällt es dort den Touristen aus Deutschland oder Österreich sehr gut.“

Auf ihre Kosten können auch die etwas sportlicheren Touristen kommen, die sich nicht nur auf das Auto oder die Bahn verlassen. Mehrere der Sehenswürdigkeiten in der Umgebung von Jindřichův Hradec sind mit dem Rad gut zu erreichen. Karel Matoušek:

„In der Nähe der Grenze hatte einst der kommunistische Grenzschutz ein richtiges Netz von schmalen Asphaltstraßen angelegt. Diese Straßen wurden in Radwege verwandelt. Dazu hat die Stadt hat inzwischen mit Unterstützung des Verkehrsinfrastruktur-Fonds weitere Radwege geschaffen. In diesem Jahr wollen wird einen weiteren Radweg aus dem Stadtbudget finanzieren. Der Radweg würde dann die Stadt mit den sehenswerten Orten in der Region verbinden.“

Nach Jindřichův Hradec und in die beiden weiteren für den Titel „Historische Stadt“ des Jahres nominierten Städte werden wir Sie während des Jahres mit eigenen Beiträgen noch einladen.

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