„Gespräche in totaler Offenheit“: Bundespräsident Wulff auf Antrittsbesuch in Prag
Den Anfang machte Außenminister Schwarzenberg in Berlin, kurz darauf folgte ihm Premier Petr Nečas. Die Rede ist von den Antrittsbesuchen tschechischer Politiker im Nachbarland Deutschland. Kürzlich machte Sachsens Ministerpräsident Tillich in Prag Station. Und am Montag konnte Prag nun einen weiteren Antrittsbesucher aus Deutschland empfangen: den im Sommer neu gewählten Budespräsidenten Christian Wulff. Am Vormittag stand ein Treffen mit Staatspräsident Klaus auf dem Programm.
À propos Geschichte: Natürlich kamen die beiden Staatsoberhäupter auch an den düsteren Kapiteln der gemeinsamen Geschichte nicht vorbei:
„Wir Deutsche setzten Verbrechen Deutscher an Tschechen oder Verbrechen von Tschechen an Deutschen nicht gleich, wir vergleichen das nicht. Wir sind weit weg von Gleichsetzung. Alles andere wäre abenteuerlich und historisch ein weiteres Verbrechen.“Diese Bemerkung von Bundespräsident Wulff ist wohl eindeutig als Reaktion auf die Äußerungen von Staatspräsident Klaus zum 17. November zu sehen, als dieser anlässlich des Gedenktages für den tschechoslowakischen Freiheitskampf die gewaltsame Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg mit den von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs begangenen Gräueltaten verglich und keinen Zweifel daran ließ, dass die Nazi-Verbrechen weit schlimmer gewesen seien.
Eine wichtige Rolle bei der endgültigen Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte spielt der lange geplante Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in Prag. Bisher hat nach dem Zweiten Weltkrieg noch kein bayerischer Regierungschef offiziell Tschechien besucht. Bundespräsident Wulff strich die hervorragenden Beziehungen zwischen Sachsen und Tschechien hervor und betonte, er würde einen baldigen Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten in Prag eindeutig begrüßen. Václav Klaus sagte, er „sehe keinen Grund, warum ein derartiger Besuch nicht stattfinden sollte“ und ergänzte, er erwarte von so einem Besuch „aber keine einschneidende Wendung in den deutsch-tschechischen Beziehungen.“Gesprochen haben die Präsidenten Wulff und Klaus auch über die aktuelle Lage in der Euro-Zone. Christian Wulff bezeichnete den Euro trotz der aktuellen Probleme in Griechenland und Irland als Erfolgsgeschichte. Staatspräsident Klaus konstatierte im Bezug auf einen möglichen Beitritt Tschchiens zur Euro-Zone: „Wir haben es nicht eilig!“
Bundespräsident Wulff betonte in diesen Zusammenhang, er schätze an Klaus dessen klare Haltung zu gewissen Themen, auch wenn sie sich eindeutig von der Mehrheitsmeinung unterscheide. Seine oft kontroversen Äußerungen verstehe er nicht als Provokation, sondern als Anstoß zu einer sachlichen Debatte, die manchmal auch zu einem konstruktiven Streit werden könne.Ein weiteres zentrales Thema bei den Gesprächen zwischen Bundespräsident Wulff und Staatspräsident Klaus waren außerdem die deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen, die beide Staatsoberhäupter als hervorragend lobten.