Gewalt gegen Frauen bleibt auch in Tschechien ein aktuelles Thema

Der 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Auch in Tschechien besteht das Problem, und die aktuelle Inflations- und Preiskrise verschlimmert die Lage der Opfer häufig noch. Noch immer hat das Land die Istanbul-Konvention nicht ratifiziert.

Zdena Prokopová | Foto: Jana Chládková,  Tschechischer Rundfunk

In diesem Jahr hat die tschechische Polizei bisher 1253 Fälle von häuslicher Gewalt registriert. Die Grauziffer dürfte jedoch um ein Mehrfaches höher liegen, schätzt Zdena Prokopová. Sie ist Mitbegründerin der Hilfsorganisation Rosa, die betroffenen Frauen Unterstützung bietet. Die tschechische Gesellschaft würde immer noch nicht angemessen auf das Problem reagieren, meint die Aktivistin:

„Der Mythus, dass die Frau ihren Mann doch schließlich verlassen könne und sie nicht festgehalten werde, hält immer noch an. Niemand fragt aber danach, warum sich der Gewalttäter erlaubt, die Frau zu schlagen, oder welches Recht er hat, auch die Kinder zu prügeln und sie zu Zeugen zu machen. Die Schuld wird eher auf das Opfer verlagert.“

Darum sei es wichtig, oft und öffentlich über das Thema zu reden, mahnt Prokopová. Und dies nicht nur am 25. November. Denn vor allem in gesellschaftlichen Krisenlagen nimmt häusliche Gewalt zu. Während der Corona-Pandemie erhöhte sich die Zahl der Hilferufe bei den Nottelefonen in Tschechien um etwa 50 Prozent. Ebenso hätten aktuelle Konfliktlagen wie das Kriegsgeschehen in der Ukraine oder die hohe Inflation und finanzielle Nöte schlimme Auswirkungen für Menschen, die häusliche Gewalt erfahren, sagt Prokopová:

„Dies wirkt sich zwar auf uns alle aus, denn jede Familie ist an einen bestimmten Lebensstandard gewöhnt. Für Frauen aber, die Opfer von Gewalt sind, die Frauenhäuser aufsuchen und damit in ein anderes Umfeld kommen, ist die Lage wirklich sehr schwer. Es gibt zudem Fälle, bei denen es nicht nur zu körperlicher, sondern auch zu ökonomischer Gewalt kommt.“

Foto: Pexels,  CC0 1.0 DEED

Hilfsangebote gebe es in Tschechien bereits einige, berichtet die Expertin – ausreichen würden sie allerdings noch nicht. So stünden landesweit nur drei anonyme Asylhäuser zur Verfügung. Und bei der finanziellen Unterstützung ihrer Tätigkeiten fühlten sich die hiesigen NGOs vom Staat nicht ausreichend unterstützt, kritisiert Prokopová. Dabei würden sie unverzichtbare Arbeit leisten…

„Seit 2007 besteht ein Netz aus Interventionszentren für gefährdete Personen, die es mittlerweile in jeder Kreisstadt gibt. Dort finden nicht nur Frauen Hilfe, sondern natürlich auch misshandelte Männer. Von den Anrufern unserer SOS-Hotline hören wir aber oft, dass die Opfer nichts von diesen Interventionszentren wissen. Aufklärung und Information sind also sehr wichtig.“

Bei dieser Aufgabe würde auch eine Umsetzung der Istanbul-Konvention helfen, ist sich die Sozialtherapeutin sicher. Tschechien hat das internationale Dokument, das die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zum Gegenstand hat, 2016 zwar unterschrieben, aber immer noch nicht ratifiziert. Und weiter Prokopová:

„Bei Rosa dokumentieren wir jedes Jahr die Zahl der hierzulande durch häusliche Gewalt ermordeten Frauen. In diesem Jahr sind es bereits 24 Frauen und acht Kinder. Dies sind schreckliche Zahlen. Die Konvention könnte bei der Aufklärung und der Schaffung von mehr Anlaufstellen helfen. Zudem würden Hilfsorganisationen dann besser unterstützt, denn die von ihnen betriebenen Einrichtungen können ohne Geld nicht arbeiten. Die Finanzierung ist maßgeblich.“

Klára Šimáčková Laurenčíková | Foto: Tomáš Vodňanský,  Tschechischer Rundfunk

Immerhin will die Menschenrechtsbeauftragte der tschechischen Regierung, Klára Šimáčková Laurenčíková, die Istanbul-Konvention wieder auf den Tisch bringen. Am Mittwoch kündigte sie an, kommendes Jahr im Kabinett die Weiterverhandlung und Ratifizierung anzuregen.

Laut den Vereinten Nationen (UN) ist Gewalt gegen Frauen der weltweit häufigste Verstoß gegen die grundlegenden Menschenrechte. Schon seit 1981 wird am 25. November in vielen Ländern auf die Problematik aufmerksam gemacht. Die UN schloss sich 1999 an und machte das Datum zum Internationalen Aktionstag. Im Englischen wird er „Orange Day“ genannt, wobei Orange die Farbe einer gewaltlosen Zukunft symbolisiert. Darum werden an dem Tag öffentliche Gebäude orange angestrahlt. In Tschechien sind es in diesem Jahr etwa der Aussichtssturm auf dem Prager Petřín / Laurenziberg, das Mahen-Theater in Brno / Brünn, das Rathaus in Liberec / Reichenberg oder die Dreifaltigkeitssäule in Olomouc / Olmütz.

Autoren: Daniela Honigmann , Pavlína Nečásková
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