Grenzblockade zwischen Österreich und Tschechien wurde unterbrochen
Die Blockade der Grenzübergänge zwischen Österreich und Tschechien, die von österreichischen Atomkraftgegnern wegen Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin tagelang aufrecht erhalten wurde, ist am Sonntagabend unterbrochen worden. Damit soll der tschechischen und der österreichischen Regierung die Gelegenheit gegeben werden, über das umstrittene Kernkraftwerk zu verhandeln. Reaktionen der tschechischen Seite fasst Martina Schneibergova zusammen.
Österreichische Atomkraftgegner haben mit der Unterbrechung der Grenzblockade die vom tschechischen Premier Milos Zeman gestellte Bedingung erfüllt. Zeman lehnte es ab, mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu verhandeln, solange die österreichisch-tschechischen Grenzübergänge versperrt werden. In einer vom privaten Fernsehsender Nova am Sonntag ausgestrahlten Debatte ließ der tschechische Premier verlauten, er habe den guten Willen gezeigt, mit dem Bundeskanzler Ende Oktober zusammenzutreffen, jedoch nicht unter Druck. Zeman betonte, er werde sich durch Blockaden nicht erpressen lassen. Er versuchte, die österreichischen Proteste in Frage zu stellen, als er bemerkte, dass er im Fernsehen an einem der Grenzübergänge nur drei Schulkinder und einen Traktor gesehen habe.
Die Organisatoren der Grenzblockade machten darauf aufmerksam, dass sie ihre Protestaktionen in einer Woche wieder starten werden, wenn die tschechische Seite nicht bereit sein wird, über die Einstellung des Probebetriebs in Temelin mit Österreich zu verhandeln.
Der Vizechef der stärksten Oppositionspartei - der Demokratischen Bürgerpartei-ODS - Miroslav Macek brachte im Zusammenhang mit den österreichischen Protesten gegen das AKW Temelin die Meinung zum Ausdruck, dass Österreicher damit ihre innenpolitischen Probleme vertuschen würden: "Sie wissen, dass die Tschechische Republik eine interessante geographische Lage und auch Tradition in der Industrieproduktion hat. Wenn Tschechien der EU beitreten wird, könnte Österreich an Bedeutung verlieren. Dies alles spielt eine Rolle, " sagte Miroslav Macek.
Mit den Reaktionen tschechischer Politiker auf österreichische Proteste gegen das AKW Temelin befasse sich tschechische Tageszeitungen in ihren Kommentaren. So schreibt z.B. die auflagenstärkste Tageszeitung Mlada fronta Dnes in ihrer Montagsausgabe, für einen Beobachter von außen sei es kaum zu fassen, dass der tschechische Premier nicht in der Lage sei, mit seinem österreichischen Amtskollegen zusammenzutreffen und dass er nur wiederhole: "Temelin sei in Ordnung." Den Kritikern habe der Premier danach eine Führung durch das Kraftwerk angeboten.
Der Kommentator der konservativen Tageszeitung Lidove noviny Bohumil Dolezal stellt in der Überschrift seines Artikels fest: "Durch ein hinterweltlerisches Herangehen werden wir den Österreichern nicht näher kommen." Der Kommentator weist darauf hin, dass sowohl Österreicher als auch Tschechen in bezug auf Temelin keine einheitliche Menschenmasse darstellen und dass auf beiden Seiten trotz der blockierten Grenzen eine Art Gemeinschaft des guten Willens entstehen könnte. Temelin stelle - so Dolezal - zwar ein ernsthaftes Problem dar, die guten tschechisch-österreichischen Beziehungen sollten ihm jedoch nicht geopfert werden. Es sei jetzt notwendig, dass Politiker sowie Experten an einem gemeinsamen Tisch diskutieren, betonte der Kommentator.
Mit einem Happening versuchten einige Aktionskünstler am Sonntag in Prag, etwas Lockerheit in den tschechisch-österreichischen Streit um Temelin zu bringen. Die Künstler sperrten die Zufahrt zur österreichischen Botschaft in Prag und forderten auf Transparenten "Raus mit dem Strauß", "Stoppt Wiener Schnitzel" und "Boykottiert Wiener Cafés". Die Aktion dauerte nur einige Minuten und von der lustigen Blockade wurde ein einziger Autofahrer betroffen.