Gute Literatur für junge Leser fördern: Das Zentrum für tschechische Kinderbücher

Das Zentrum für tschechische Kinderbücher

Vor kurzem wurde in Prag ein Zentrum für tschechische Kinderbücher eröffnet. Die Initiatoren der Einrichtung sind kleine Verleger.

Das Zentrum für tschechische Kinderbücher hat seine Tätigkeit offiziell vergangene Woche aufgenommen, und zwar mit einer Konferenz. Unter den Referenten waren Experten im Bereich Kinderliteratur sowie Vertreter von einigen Verlagen, darunter auch Ivana Pecháčková. Laut der Verlegerin ist vor mindestens 20 Jahren bereits die Idee entstanden, ein solches Zentrum zu gründen:

Ivana Pecháčková | Foto: Tomáš Česálek,  Meander

„Vor fast 30 Jahren wurde die Tschechoslowakei aufgelöst. Das damalige Haus der Kunst für Kinder ,Bibiana‘ war Ende der 1980er Jahre in Bratislava gegründet worden und war für die ganze Tschechoslowakei zuständig. Es wurde in einem schönen Palais unterhalb der Burg angesiedelt. Seitdem hatte sich ,Bibiana‘ schon als anerkannte europäische Kulturinstitution etabliert. Entstanden war sie als Partnerorganisation für die Biennale der Illustrationen in Bratislava, eine renommierte internationale Bilderbuchausstellung. Bei der größten Kinderbuchmesse in Bologna wurden immer Illustrationen gezeigt, die zuvor schon in Bratislava gepunktet hatten.“

Nach der Staatsteilung begannen Ivana Pecháčková und ihre Kollegen zunächst damit, die Bibliotheken in Tschechien miteinander zu verbinden, um Informationen über Kinderbücher von guter Qualität auszutauschen.

Das Zentrum für tschechische Kinderbücher | Foto: Centrum české dětské knihy

„In den etwa 1500 Kinderbüchern, die pro Jahr herausgegeben wurden, kannte sich damals keiner aus. Große Verlagshäuser, die finanzielle Mittel für Marketing und Reklame hatten, konnten ihre Bücher gut bewerben und boten sie allen Schulen an. Die kleinen Verleger gaben ihre Kinderbücher unter sehr bescheidenen Bedingungen heraus. Sie arbeiteten häufig von zu Hause aus. Ich selbst habe mit meinem Verlag in der Küche angefangen. Wir brachten beispielsweise ein Buch heraus mit einer Förderung vom Tschechischen Literaturfonds, die jedoch nur einige Tausend Kronen betrug. Die restlichen notwendigen Gelder mussten wir selbst investieren. Von dem neuen Buch erfuhr jedoch fast niemand, und nach einem halben Jahr lief es überhaupt nicht mehr. Denn die Buchhändler wollten nur neue Bücher abnehmen.“

Kleine Verlage sind oft benachteiligt

Wie Pecháčková anfügt, haben viele kleine Verleger immer noch Bücher aus dieser Zeit zu Hause oder auf Lager. Und in den Bibliotheken gibt es diese Bücher nicht. Dabei handelt es sich laut der Expertin um Publikationen, die mit Preisen ausgezeichnet wurden: Sie haben beispielsweise den wichtigsten tschechischen Buchpreis „Magnesia Litera“ erhalten oder sind zum schönsten Buch des Jahres gewählt geworden. Die Verlegerin:

„Da die Buchhändler nur neue Bücher haben wollen, kommen diese früher erschienenen Werke nicht mehr auf den Markt. Die kleinen Verleger, deren Produktion den schönsten Teil des Literaturangebots ausmacht, sind nicht in der Lage, ihre Bücher auf dem Markt durchzusetzen und zu zeigen. Dies muss daher eine Institution für sie übernehmen.“

Das Zentrum für tschechische Kinderbücher | Foto: Centrum české dětské knihy

Vor mehr als zehn Jahren initiierte Ivana Pecháčková zusammen mit einigen Kollegen das Festival „Děti čtete?“ (zu Deutsch etwa „Kinder, lest ihr?“). Dabei stellte sie in der damaligen Gedenkstätte für nationales Schrifttum die Buchproduktion der kleinen Verlage aus den vorangegangenen Jahren vor. Inzwischen seien weitere kleine Verlage entstanden, erzählt sie.

Pecháčková bezeichnet sich selbst als eine der Mitbegründerinnen des Zentrums für tschechische Kinderbücher. Die ersten Schritte unternahm sie schon vor einigen Jahren, als sie gemeinsam mit sieben weiteren Verlagen den Verein „Knižní dálnice k dětem“ gründete.

Das Zentrum für tschechische Kinderbücher | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Allmählich fielen die Kinderbuchverleger jedoch ab. Denn jeder von ihnen hatte nur Energie dafür, die geplanten Bücher herauszugeben und sie auf den Markt zu bringen. Denn einen Monat später hätten sie nicht mehr verkauft werden können. Schließlich blieb ich allein als Vereinsmitglied übrig. Mein Plan war jedoch weiterhin, eine Institution nach dem Vorbild des Zentrums ,Bibiana‘ zu errichten. Mir ging es darum, dass auch Schulbibliotheken über Kinderbücher verfügen sollten, die von hoher Qualität sind. Denn diese Bibliotheken sind meist voller alter Bücher sowie Publikationen, die kommerziellen Charakter haben.“

Ivana Pecháčková und einige weitere Vertreter konnten sich dank einer Förderung durch die Norwegischen Fonds direkt in Norwegen inspirieren lassen.

Katalog der besten Kinderbücher  | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„In Norwegen tröstete man uns mit den Worten, dass auch die dortigen Kinderbuchverlage zu Anfang ihr Zentrum in einem Kellerraum betrieben haben. Die Institution würde sich aber weiter entwickeln, betonten unsere Gastgeber. Mittlerweile haben die norwegischen Verlage ihren Sitz in der dortigen Nationalbibliothek, an dem sie 20 Mitarbeiter beschäftigen. Sie betreiben dort Kurse für Kinder, bei denen diese beispielsweise kreatives Schreiben lernen.“

Workshops und Leserlektionen

Nicht zufällig fand daher die Eröffnungskonferenz des Zentrums für tschechische Kinderbücher in der norwegischen Botschaft in Prag stattfand. Das Zentrum selbst wurde vor kurzem in den Ladenräumen des Meander-Verlags auf der Prager Kleinseite eingerichtet. Jakub Pavlovský ist Exekutivdirektor des neuen Zentrums:

Jakub Pavlovský | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Unser Programm richtet sich in erster Linie an Kinder. Wir wollen uns aber auch auf die Illustratoren und Schriftsteller konzentrieren. Für Kinder organisieren wir Workshops und Treffen mit den Autoren. Die jungen Leser können die Schriftsteller beispielsweise danach fragen, warum das konkrete Buch entstanden ist. Zudem bieten wir sogenannte ,Leserlektionen‘ an. Zu konkreten Büchern stellten wir methodische Vorschläge zusammen, die vor allem für Lehrer, Bibliothekare sowie für aktive Eltern bestimmt sind. Die Kinder sollen auch aufgefordert werden, sich Gedanken über das Gelesene zu machen und Fragen zu stellen.“

Die Mitarbeiter des Zentrums haben mittlerweile ihre Arbeit auch in den Regionen vorgestellt. Jakub Pavlovský:

„Wir haben in kurzer Zeit zehn Veranstaltungen organisiert. Wir wollen nicht, dass das Zentrum nur den Kindern in Prag zur Verfügung steht, sondern dass auch den Kindern außerhalb der Hauptstadt gute Bücher präsentiert werden.“

Können sich zudem die Eltern bei der Bücherauswahl für ihre Nachkommen im Zentrum beraten lassen?

Katalog der besten Kinderbücher  | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Ja schon. Wenigstens bemühen wir uns darum. Es gibt hier eine Bibliothek, die eine Auswahl aus den besten tschechischen Büchern für Kinder und Jugendliche umfasst. Der jüngste Katalog der besten Kinderbücher für die Jahre 2021 und 2022 wurde vor kurzem von unseren Mitarbeitern, die Kinderbuchexperten sind, zusammengestellt. Viele der Bücher wurden mit Preisen ausgezeichnet. Der Katalog ist nun schon zum 13. Mal erschienen. In der Bibliothek finden sich natürlich auch weitere Bücher, die nicht im Katalog aufgeführt sind. Auch wenn wir nicht absolut alle Bücher selbst gelesen haben, versuchen wir uns wenigstens an den Rezensionen zu orientieren. Wir sind jedoch bemüht, das zu empfehlen, was wir wirklich kennen.“

Die Aktivitäten des Zentrums spielen sich in der Regel in einem großen Raum im Buchladen ab.

„Es gibt nichts Besseres, als von Büchern umgeben zu sein. Etwa 25 Kinder – also eine Schulklasse – passen hier auf einmal hinein. Sie können am Tisch oder auf dem Boden sitzen, wie es ihnen gefällt. Da sind wir sehr flexibel und können so die Kapazitäten auch noch erweitern.“

Mehr über das Programm des Zentrums erfahren Sie unter www.ccdk.cz.