„Hammer und Sichel“ – in Brünn streitet man sich um das kommunistische Erbe

Foto: Vilém Faltýnek

20 Jahre liegt das Ende des Kommunismus in der damaligen Tschechoslowakei schon zurück. Oder sollte man sagen „erst“? In Brünn wird seit ein paar Jahren ein Streit um die Vergangenheit geführt. Sind „Hammer und Sichel“ die Symbole der sowjetischen Befreier vom Nationalsozialismus? Oder sind sie nur die Symbole einer weiteren Diktatur, einer kommunistischen Tyrannei, die dem NS-Regime in nichts nachstand? – Eine Diskussion, die hier in Tschechien wesentlich unverblümter geführt wird als zum Beispiel in Deutschland. Christian Rühmkorf hat sich für das Forum Gesellschaft im Streit um ein sowjetisches Kriegsgrab in Brünn umgehört.

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„Sicher war das überstürzt. Er hätte bis zum nächsten Tag warten können. Damit man ihm nicht so eine geheime Nacht-und-Nebel-Aktion vorwerfen kann. Aber er hat das eben als seine Bürgerpflicht angesehen.“

Der Bürgermeister des Brünner Stadtteils Královo Pole, Ivan Kopečný, würde sich am liebsten nicht mehr zu dieser Sache äußern. Aber er muss es immer wieder. Sein Stellvertreter René Pelán hatte nämlich vor mehr als zwei Jahren national und dann auch international so viel Aufregung ausgelöst, dass sich der Streit bis heute nicht gelegt hat. Es war die Nacht vom 25. auf den 26. Juni 2007, als Pelán mit Handwerkern zum örtlichen Denkmal für die Rot-Armisten fuhr, wo über 300 Sowjet-Soldaten unter der Erde liegen. Dort flexte er das Symbol „Hammer und Sichel“ weg. Der Magistrat der Stadt Brünn hatte sie nur wenige Stunden zuvor anbringen lassen im Zuge einer Restaurierung. Für René Pelán war es eine instinktive, spontane Aktion:

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„Mit dem zeitlichen Abstand weiß ich gar nicht mehr genau, ob ich dort als Privatmann oder Bürgermeister war. Aber für mich ist das auch nicht entscheidend. So sollte jeder Bürger dieses Landes entscheiden, der im Kopf halbwegs demokratische Gedanken hat.“

Über „Hammer und Sichel“ hat der konservative Politiker eine klare Meinung: 20 Jahre nach dem Ende der „vielleicht schlimmsten Diktatur des 20. Jahrhunderts“, hätten diese Symbole auf dem Boden Tschechiens und auch woanders nichts verloren.

„Vielleicht ist das ketzerisch. Aber der Kommunismus hat den Nazismus in vielem sogar noch übertroffen. Das liegt sicher auch daran, dass der Nationalsozialismus nur zwölf Jahre herrschte, die Kommunisten aber seit 1917 zum Teil bis heute. Dennoch: Nationalsozialismus - 20 Millionen Opfer, Kommunismus - 100 Millionen. Und in mancherlei Hinsicht hat sich ja der Nationalsozialismus vom Kommunismus etwas abgeschaut.“

Und so sind für den stellvertretenden Bürgermeister Pelán Hakenkreuz und „Hammer und Sichel“ gleich zu behandeln – nämlich zu entfernen.

Die Folge dieser Nacht-und-Nebel-Aktion: Aufregung in der Stadt und eine diplomatische Krise zwischen Russland und Tschechien. Laut einem bilateralen Vertrag zwischen beiden Ländern, der in den 90er Jahren abgeschlossen worden war, sind die Kriegsgräber der jeweils anderen Seite in einem guten Zustand zu halten. Russland protestierte also gegen das Ansetzen der Flex. Zu unrecht, wie der Informatik-Student Martin Kyselák findet. Er steht hinter der Pelán-Aktion und hat eine Petition gegen „Hammer und Sichel“ initiiert. Als Kind habe er noch miterlebt, wie das Kriegsgrab von den kommunistischen Machthabern zu Propagandazwecken missbraucht worden sei, sagt Kyselák. Und das dürfe nicht erneut geschehen.

„Es ist ein Ort, wo die Helden begraben liegen, die bei der Befreiung dieser Stadt ums Leben gekommen sind. Diese Menschen sind nicht nach Brünn gekommen, um für den Kommunismus zu kämpfen, sondern gegen den Nationalsozialismus. Und das ist der entscheidende Unterschied. Und deshalb meine ich, dass Hammer und Sichel auf diesem Denkmal nichts zu suchen haben. Sie sind de facto eher eine Beleidigung dieser Menschen.“

Das sei wie mit dem Hakenkreuz, meint – ähnlich wie René Pelán – auch Martin Kyselák:

„Ich finde, es ist das Gleiche. Beide Symbole symbolisieren Bewegungen, die die Freiheit und die Menschenrechte unterdrücken.“

Ganz anders sieht das natürlich David Pazdera vom „Verband junger Kommunisten der Tschechoslowakei.“

„Das, was sich da abspielt, das ist so eine offensichtliche Verletzung des Vertrags mit der russischen Föderation, dass es eine große internationale Schande ist.“

„Hammer und Sichel“ seien eindeutig die Symbole der Roten Armee, der Befreier gewesen. An dieser Frage hängt sich der ganze Streit auf. Die einen sagen, „Hammer und Sichel“ seien das Symbol des verbrecherischen kommunistischen Regimes gewesen und hätten nichts mit der Befreiung durch die Rote Armee zu tun. Für die anderen gehören „Hammer und Sichel“ und der rote Stern zusammen. Die Soldaten hätten diese Symbole auf ihren Fahnen getragen. Eine Frage für die Spezialisten, die Historiker.

Im Brünner Denkmal-Streit kam noch die Frage hinzu, in welcher Form das Monument restauriert werden sollte: In der Form, wie es direkt nach dem Krieg erbaut worden war? Oder so, wie es in den stalinistischen 50er Jahren verändert wurde? Ohne „Hammer und Sichel“, wie das Mahnmal seit der Samtenen Revolution 1989 dastand? Oder in einer teilweise neuen Gestalt, wie es der Magistrat nun in die Tat umgesetzt hat? An diesem Disput sind vom Amt für Denkmalschutz bis hin zum Kulturministerium viele Institutionen beteiligt. Weitere Spezialfragen, die aber wohl nicht weiterführen, was den Umgang mit der Vergangenheit im Land betrifft. Sie offenbaren jedoch den tiefen Graben, der durch die tschechische Gesellschaft zu gehen scheint. Am Streit um Denkmal-Symbole wird er nur sichtbar.

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Im verwilderten Park, in dem das Mahnmal steht, macht seit einiger Zeit mehrmals täglich eine Polizeistreife mit Hund die Runde. Denn seit dem Streit nutzen Kommunisten und Antikommunisten den Ort immer wieder dazu, ihre Meinungen kundzutun oder auch am Denkmal Plakate aufzuhängen. Der Polizist winkt ab, als er das Mikrofon sieht. Da müsse man seinen Chef fragen. Aber gleich daneben sitzt ein junger Mann auf der Bank. „Hammer und Sichel“ und Kommunismus sind ihm im Grunde egal:

„Ich bin in dieser Zeit nicht aufgewachsen. Ich kann dagegen gar keinen Hass haben, weil ich gar nicht weiß, was und wie das damals eigentlich war.“

Drei Bänke weiter sitzt eine Frau mittleren Alters. Sie hat den Kommunismus noch erlebt. Hat sie etwas gegen „Hammer und Sichel“ auf dem Mahnmal?

„Mir ist das absolut egal. Aber das Denkmal gefällt mir hier nicht im Park. Ich würde da etwas anderes hinmachen. Aber Hammer und Sichel – das ist schon lange her, damit sollen sich die Fachleute befassen. Jetzt gibt es doch andere Probleme in dieser Gesellschaft. Für die normalen Leute sollten die Parks einfach sauber und angenehm hergerichtet werden, damit die Kinder hier spielen können in einem Sandkasten zum Beispiel.“

Für den älteren Mann auf der anderen Seite des Parks sind „Hammer und Sichel“ schlicht die Symbole für Bauern und Schmiede, für die schaffende Schicht. Ein Hakenkreuz sei damit nicht zu vergleichen.

„Das Hakenkreuz ist schlimmer. Denn das stand für eine wirklich schlechte Ideologie.

Für den 70-jährigen Taxifahrer auf dem Weg zum Bahnhof ist die Sache auch eindeutig. Er habe viele Jahre seines Lebens in einem der schlimmsten Arbeitslager der Kommunisten vegetiert. „Hammer und Sichel“ gehörten nicht an das Denkmal. Dem stellvertretenden Bürgermeister Pelán gebühre großes Lob.

Möglicherweise wäre in Sachen Kriegsgräberstätte der Vorschlag von Bürgermeister Kopečný ein Kompromiss:

„Man sollte sich auf Symbole einigen, die für alle tragbar sind und dann können wir zusammen Blumen niederlegen am Grab dieser Soldaten.“

Der Streit um „Hammer und Sichel“ auf dem Denkmal wird wohl noch einige Zeit anhalten. Die Diskussion um die Vergangenheit gewiss noch Jahrzehnte.