Hana Brady wurde in Nove Mesto na Morave nicht vergessen

Gedenktafel für Hana Brady (Foto: Autorin)
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"Hanas Koffer - die Geschichte eines Mädchens, das nicht zurückgekehrt ist" heißt im Tschechischen das Buch der kanadischen Autorin Karen Levine, das im vergangenen Jahr auch in Deutschland erschien. Die Handlung des Buches spielt teilweise in der mährischen Stadt Nove Mesto na Morave. Hana Brady, deren Schicksal in dem Buch geschildert wird, wurde in ihrer Heimatstadt nicht vergessen. Mehr darüber hören Sie im folgenden "Reiseland Tschechien" von Martina Schneibergova und Andrea Fischer.

Am Anfang der Geschichte über Hana Brady stand ein großer brauner Koffer mit der Überschrift "Hana Brady, Waisenkind, geboren am 16. Mai 1931". Wer war dieses Mädchen, wo ging ihre Reise hin? Diese Fragen stellten japanische Kinder, die im Jahr 2000 das Holocaustmuseum in Tokio besuchten und den Koffer in einem Glasschrank betrachteten. Die Leiterin des Museums, Fumiko Ishioka, war schon immer bemüht, den jungen Besuchern die Geschichte der Shoah begreifbar zu machen. Sie hatte deswegen bei verschiedenen Gedenkstätten um Ausstellungsstücke für ihr Museum gebeten. Aus Auschwitz bekam sie einen Koffer - den Koffer einer gewissen Hana Brady. Die Museumsleiterin wollte die Fragen der Kinder nicht unbeantwortet lassen und begab sich auf eine mühsame Suche nach Hana Bradys Schicksal. In der Gedenkstätte Terezin/Theresienstadt fand sie weitere Informationen, z. B., dass Hana Brady nach der Deportation aus ihrer tschechischen Heimatstadt Nove Mesto na Morave zweieinhalb Jahre im Ghetto von Terezín gelebt hat. Die Japanerin erfuhr auch darüber, dass Hana Ende 1944 in Auschwitz ermordet wurde, ihr älterer Bruder Jirí aber als einziger aus der Familie überlebt hat und in Toronto in Kanada wohnt. Fumiko Ishioka nahm Kontakt mit Jirí Brady auf, er kam im Jahre 2001 nach Tokio und erzählte den jungen Besuchern des Museums von seiner Schwester. Über die Suche der Japanerin und den unglaublichen Zufall, dass es ihr gelungen ist, den Bruder von Hana zu finden, berichtete eine kanadische jüdische Zeitung. Den Artikel las eine Radioproduzentin, die ein Interview mit Jirí Brady machte. Aus diesem Interview entstand eine preisgekrönte Radiosendung und als Folge das Buch "Hanas Koffer".

In Hanas Heimatstadt Nove Mesto na Morave wurde vor kurzem eine Gedenktafel für Hana Brady enthüllt - am Haus, wo sie einst mit ihrer Familie wohnte. An der feierlichen Enthüllung nahmen auch einige ehemalige Schulfreundinnen von Hana Brady teil. Alena Nemeckova-Blahova erinnerte sich:

"Hanka war so offen und freundlich, sie machte keinen Unterschied zwischen reich und arm. Ich stammte aus einer ärmeren Familie, aber Hanka ging immer mit mir unsere Tiere hüten. Wir hatten zuerst eine sorglose Kindheit. Als sie dann nicht mehr zur Schule gehen durfte, konnten wir Kinder das damals nicht verstehen. Als Hanka an der Schule vorbeiging, sagte Oberlehrer Kleveta immer zu uns: ´Schaut unauffällig aus dem Fenster und grüßt die Hanicka.´ Das war für uns dann schon sehr, sehr traurig."

Alena Blahova konnte es als Kind damals nicht begreifen, warum Hana in den Transport musste.

 Alena Nemeckova-Blahova
"Wir blieben mit Hana bis zum letzten Moment, bevor sie wegfahren musste. Die Tante, bei der Hana wohnte, versuchte, ihr und Jirí Schlafsäcke und anderes mehr zu besorgen. Sie durften aber sowieso nur sehr wenige Sachen mitnehmen. Wir haben uns gegenseitig versprochen, im Briefkontakt zu bleiben. Hana hoffte damals, dass sie ihre Eltern treffen wird. Ich wartete und wartete auf eine Nachricht von ihr, aber vergebens. Ich hörte nach dem Krieg davon, dass Jirí zurückkam. Ich wartete immer und hoffte, dass ein Wunder geschieht und dass Hana wieder auftaucht. Dazu kam es aber nicht."

Lange vorher, bevor das Buch über Hana Brady erschien, hatte eine von Hanas Schulfreundinnen, Libuse Wurzelova-Minarova, den Koffer in der Gedenkstätte Auschwitz gesehen:

"Ich sah den Koffer, als ich während der Ferien im Jahre 1962 die Gedenkstätte in Auschwitz besuchte. Ich war dort noch mit meinen Bekannten. Ich erzählte ihnen, dass dort die Familie meiner Schulfreundin ermordet wurde. Wir gingen da an einem Glasschrank vorbei und da sah ich plötzlich den Koffer mit der Überschrift Hana Brady."

Libuse Wurzelova-Minarova
Libuse Minarova gelang es, den in Kanada lebenden Jirí Brady zu kontaktieren. Herr Brady war in den letzten Jahren in seiner Heimatstadt mehrmals zu Besuch. Das Haus der Familie Brady steht auf dem Vratislav-Platz. Der Bürgermeister von Nové Mesto, Josef Sokolicek, erzählt:

"Die Nazis und danach die Kommunisten haben ihm das Haus entwendet. Es gelang uns, das Haus auf die Stadt zu übertragen und dann an Herrn Brady zu verkaufen, sodass es nach den vielen Jahren wieder in den Besitz der Familie gelangte. Damit wurde etwas nachgeholt, was ihm die Gesellschaft fünfzig Jahre lang schuldete."

 Gedenktafel für Hana Brady
An der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel für Hana Brady nahm auch der israelische Kulturattache Walid Abu-Haya teil:

"Ich habe hier heute gemischte Gefühle. Selbstverständlich bin ich sehr traurig darüber, was während des Krieges passierte, wie Hana Brady und weitere sechs Millionen Juden starben. Andererseits aber bin ich glücklich, dass die Menschen dieser Opfer gedenken und dass sie bemüht sind, alles dafür zu tun, um ihr Andenken in unseren Herzen und Gedanken zu bewahren."

Das Buch "Hanas Koffer" wurde inzwischen fast in zwanzig Sprachen übersetzt. Die konkrete Geschichte übt eine große Wirkungskraft aus, der israelische Diplomat dazu:

"Was wir unternehmen müssen, um die Wiederholung solcher Grausamkeiten zu verhindern, das ist, meine ich, vor allem auf die Erziehung einzuwirken. Wir müssen die junge Generation informieren, ihnen von den schrecklichen Ereignissen erzählen. Dies ist das wichtigste Mittel, mit dem wir gegen den Antisemitismus vorgehen können, der die Grundlage für die Verbrechen der Nazis darstellte. Denn den Antisemitismus gibt es immer noch in der Welt und speziell auch in Europa."

Der israelische Kulturattache Walid Abu-Haya
Nach Worten von Walid Abu-Haya bietet die israelische Regierung auch tschechischen Geschichtslehrern z. B. die Möglichkeit an, an Seminaren in der Gedenkstätte Yad Vashem teilzunehmen. Diese Seminare konzentrieren sich darauf, wie man über die Geschichte der Shoah unterrichten kann. Auch das Buch "Hanas Koffer" kann im Unterricht zum Einsatz kommen.

"Dieses Buch ist jetzt in Israel ein Bestseller. Jeden Tag werden einige Tausend Exemplare verkauft. Ich bekam von Hanas Bruder Jirí zwei Exemplare - eins in Englisch und eins in Hebräisch. Die Geschichte ist in Israel bekannt, ich hörte darüber schon vorher."

Die Gedenktafel für Hana Brady wurde dank einer Bürgerinitiative installiert. Sie heißt "Ökumenische Begegnungen mit der Bibel und der Kunst" (ESBU). Die ESBU-Vorsitzende Vera Lukásová dazu:

Der Bürgermeister von Nové Mesto,  Josef Sokolicek und die ie ESBU-Vorsitzende Vera Lukásová
"Wir arbeiten schon eine Zeit lang mit der israelischen Botschaft und auch mit der jüdischen Gemeinde in Prag zusammen. Unsere Treffen haben immer ein spezielles Thema. Ungefähr vor zehn Jahren lautete das Thema `Zusammen leben zusammen sein`. Wir haben damals den israelischen Botschaft eingeladen, denn wir haben gesagt: Wenn auf dieser Erde ein Land existiert, wo die Leute zusammenleben müssen, dann ist es Israel. Der Botschafter hat uns besucht, und wir laden seitdem jedes Jahr jemanden von der Botschaft ein, da wir wissen wollen, was sich in Israel und in der Nahostregion überhaupt abspielt. Wir möchten mehr wissen. Auf dem Programm stehen auch Diskussionen über Themen aus dem Alten Testament oder Treffen mit Menschen, die den Holocaust überlebt haben. Der eine Tag ist einfach Israel gewidmet. Wir haben früher immer im südböhmischen Bechyne getagt und dann wurden unsere Tagungen nach Nove Mesto übertragen. Hier haben wir zu unserer großen Überraschung erlebt, dass die kleine Hana mit dem Koffer, die Geschichte, die wir kannten, hier zu Hause ist. Da dachten wir, wenn wir schon hier sind, und die Geschichte so spannend und so rührend ist, dann könnten wir vielleicht eine Gedenktafel für Hana auf dem Haus installieren. Im letzten Jahr fand hier eine Ausstellung von Werken von Marie Jirickova, einer Künstlerin, die mit uns befreundet ist, statt. Sie war auch begeistert und sagte: ´Ja, ich mache gerne diese Plakette, die Geschichte ist rührend und ich sehe sie vor Augen. ´ In dieser Stadt gibt es viele Statuen - z. B. aus Bronze, aus Eisen usw. Das sind solche Riesen. Aber Hana ist ein zerbrechliches Wesen, und deshalb ist, meine ich, Ton das richtige Material."

Foto: Autorin

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