Haushaltsberatungen: Regierung lässt legislativen Notstand ausrufen

Senat

Die tschechische Regierung ist im Verzug: Bis Weihnachten muss sie den Haushalt für das kommende Jahr durchs Parlament bringen. Die erste Lesung im Abgeordnetenhaus hat am Mittwoch begonnen. Da sich Regierung und oppositionelle Sozialdemokraten im Vorfeld nicht über das Vorgehen einigen konnten, will das Mitte-Rechts-Kabinett von Premier Nečas nun den legislativen Notstand ausrufen. Die Sozialdemokraten drohen wiederum mit einem Gang vor das Verfassungsgericht.

Miroslav Kalousek und Karel Schwarzenberg  (Foto: ČTK)
Es ist angerichtet. Die Regierung der „verantwortungsvollen Haushalte“ legt ihr erstes wichtiges Stück dem Parlament vor: ihren Entwurf für den Staatshaushalt 2011. Finanzminister Kalousek (TOP 09) schwelgte vom Ergebnis:

„Ich bin sehr stolz darauf, dass alle Ausgaben gegenüber dem vergangenen Jahr sinken werden, außer denen für Wissenschaft und Forschung.“

Mit den Kürzungen soll das Haushaltsdefizit um etwa 1,1 Milliarden Euro sinken und nur noch bei 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Was Kalouseks Brust schwellen lässt, ist in den Augen der Opposition ein Streichkonzert mit Missklängen. Der Sozialdemokrat Václav Votava:

„Mit flächendeckenden Streichungen kommt man nicht voran, die Regierung hat die Einnahmeseite missachtet. Die Kürzungen bezahlen vor allem die Schwächsten wie junge Familien mit Kindern oder körperlich Behinderte, deren Zuwendungen gestrichen werden. Und wir glauben, dass auch das Wirtschaftswachstum unterdrückt wird.“

Václav Votava
Was die sozialdemokratische Opposition besonders auf die Palme bringt: Sie soll nach den Plänen der Regierung um die Möglichkeit einer eingehenden Diskussion über den Haushaltsentwurf gebracht werden - und natürlich auch um Änderungsvorschläge. Denn das Regierungskabinett lässt für kommende Woche den so genannten legislativen Notstand im Abgeordnetenhaus ausrufen. Damit können Gesetze in nur einer Lesung und innerhalb eines Tages verabschiedet werden. Im konkreten Fall bietet dies der Regierung zudem die Möglichkeit, die Haushaltsgesetze dem Senat zu übergeben, bevor dieser sich nach den Wahlen in neuer Form konstituiert. Das heißt: Anstatt der Sozialdemokraten hätten noch die Regierungsparteien die Mehrheit in der oberen Kammer des Parlaments. Die Opposition wäre damit ausmanövriert. Der amtierende sozialdemokratische Vorsitzende Sobotka meint jedoch, von Notstand könne keine Rede sein:

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
„Ich frage: Wo hat sich hier denn ein Erdbeben ereignet oder ein großes Hochwasser? Meiner Meinung nach wird die Notstands-Regelung missbraucht; und als einzigen Grund sehe ich, dass die Regierung die Kritik der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus fürchtet.“

Sobotka kündigte an, eines der vier Haushaltsgesetze vor das Verfassungsgericht zu bringen – und das Gericht müsste dann auch die Ausrufung des legislativen Notstands beurteilen. Premier Nečas wies indes darauf hin, dass Sozialdemokraten und Kommunisten zuvor kürzere Fristen für die Haushaltsberatungen abgelehnt hatten. Mit der Ausrufung des legislativen Notstands wolle man verhindern, dass der Haushalt wegen einer Verzögerungstaktik der Opposition zu spät verabschiedet würde. Ein dann nötiges Haushaltsprovisorium beschädige das Ansehen der Tschechischen Republik bei den Rating-Agenturen, so die Befürchtung im Regierungslager.