Heilige Stätte: Archäologen untersuchen Hügelgrab am Berg Říp
Der Berg Říp rund 50 Kilometer nördlich von Prag hat eine zentrale Bedeutung in der tschechischen Mythologie. Hier soll Urvater Čech seine Mitstreiter versammelt und den ersten tschechischen Staat gegründet haben. Jenseits dieser Legende dürfte die Gegend um den Říp aber tatsächlich in der Urzeit geheiligt worden sein. Denn die Archäologen haben dort zahlreiche Hügelgräber nachweisen können.
Von dem Hügelgrab, an dem derzeit geforscht wird, ist keine Erhebung mehr zu sehen. Es liegt heute auf einem Feld in Sichtweite des Berges Říp. Entstanden ist es Anfang des vierten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Petr Krištuf ist Archäologe von der Westböhmischen Universität in Plzeň / Pilsen:
„Wir haben zuverlässig nachweisen können, dass es hier früher wirklich einen Grabhügel gab. Und nicht nur das: Dieser Hügel hatte auch Kammern, die begehbar waren. Die Erhebung muss über mehrere Hundert Jahre hinweg zu erkennen gewesen sein. Denn die Menschen, die damals hier siedelten, haben auch noch eintausend Jahre nach dem Bau des Hügelgrabs ihre Angehörigen hier beigesetzt. Dabei erinnert heute nichts mehr daran.“
Petr Krištuf und seine Kollegen haben eine Grube von einem Meter Tiefe in den Boden gegraben. Auf deren Grund sind Knochen zu erkennen…
„Hier sieht man, dass jemand in Hockstellung auf der linken Seite liegend bestattet wurde. Aber die Überreste sind nicht gut erhalten. Man kann den Schädel und die Wirbelsäule erkennen sowie einen Teil der Arme und der Beine. Interessant ist, dass sich rund um diese Grube elf steinerne Pfeilspitzen befinden. Wir dokumentieren gerade, in welche Richtung sie zeigen. Das soll uns ermöglichen zu bestimmen, ob die Pfeilspitzen gezielt als Grabbeigaben dort hingelegt wurden oder man etwa im Rahmen einer Trauerfeier Pfeile ins Grab geschossen hat“, so Krištuf.
Die menschlichen Überreste aus der Grube werden als Nächstes von Anthropologen unter die Lupe genommen, bevor sie in ein Museum kommen.
Als die urzeitlichen Menschen vor rund 6000 Jahren die Grabanlage schufen, schütteten sie einen rund 120 Meter langen Hügel auf. Damit handelt es sich um eines der größten Hügelgräber, die jemals in Tschechien dokumentiert wurden. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Archäologen auch den Eingang zu der Begräbnisstätte gefunden haben. Deswegen glauben die Forscher, auf einen heiligen Ort gestoßen zu sein. Der Eingang lag in Richtung des Berges Říp. Jan Turek ist Archäologe am Zentrum für theoretische Studien der Prager Karlsuniversität und der tschechischen Akademie der Wissenschaften:
„Dieser Berg ist nicht nur ein Teil der Sage vom Urvater Čech. Sondern er gehörte seit Urzeiten auch zur Mythologie der Menschen hier vor Ort. Wir nehmen sogar an, dass unsere Vorfahren den Berg an sich als eine Art Gottheit angesehen haben – und es sich also um einen heiligen Ort gehandelt hat.“
Dafür spricht vor allem, dass die Archäologen eine ganze Reihe weiterer Gräber rund um den Říp gefunden haben. Denn direkt an dem 456 Meter hohen Berg bei Roudnice nad Labem / Raudnitz an der Elbe lässt sich seine Bedeutung nur schwer nachweisen. Das liege an der Aufforstungsmaßnahme aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie Petr Krištuf erläutert:
„Als sich die Fürsten von Lobkowicz entschlossen, den Hügel zu bewalden, karrten sie viel Erde aus der Umgebung heran. Das wissen wir aus den Quellen. Wir wissen aber nicht, woher die Erde genau stammte. Wenn man also auf archäologische Fundstücke stößt, weiß man nie, ob sie vom Berg selbst sind oder erst bei der Bewaldung dort hinkamen. Bisher wurde aber auch noch nie eine intensive archäologische Untersuchung dazu aufgenommen.“