„Heiliger Krieg“ gegen Istanbul-Konvention

Petr Piťha (Foto: Archiv istanbulskaumluva.cz)

Wie fast überall im östlichen Europa kämpft die katholische Kirche auch in Tschechien gegen die sogenannte Istanbul-Konvention gegen häusliche Gewalt. Nun könnten die Priester hierzulande aber zu weit gegangen sein, es gibt nämlich erste Strafanzeigen.

Petr Piťha  (Foto: Vojtěch Slovák,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Der Wenzelstag am 28. September wurde unter anderem im Prager Veitsdom gefeiert. Die Predigt bei der Messe hielt der ehemalige Bildungsminister und heutige Pfarrer Petr Piťha. Zum Thema der Predigt machte der Priester die sogenannte Istanbul-Konvetion des Europarates, diese soll Frauen mehr Rechtssicherheit bei häuslicher Gewalt geben. Laut Piťha sorgt das Papier aber bloß für Unfreiheit sorgen, und das alles unter Druck der sogenannten Homosexualisten und Gendristen. Besonders besorgt zeigt sich Piťha aber um das Wohl der Kinder, das durch die Konvention angeblich bedroht ist:

„Sie nehmen euch eure Kinder weg und verheimlichen euch, wohin sie sie verschleppt haben und wo sie sie gefangen halten. Dazu reicht dann nur eine falsche Behauptung. Die Bestimmung des Geschlechts durch einen Blick in den Schoß des Neugeborenen wird abgeschafft, das Kind soll dieses nämlich selbst bestimmen. Ihr werdet verpflichtet sein, euer Kind ohne Geschlecht zu erziehen, also auch ohne Namen. Solltet ihr dem nicht zustimmen, dann werdet ihr verschleppt in Erziehungs-, Arbeits- und Vernichtungslager.“

Eigentlich schreibt das Übereinkommen nur vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss und sämtliche diskriminierenden Vorschriften abzuschaffen sind. Außerdem sollen Hilfsangebote für Frauen verbessert und die Menschen über Bildungsangebote für das Problem sensibilisiert werden. Tschechien ist eines der wenigen Länder Europas, die das Papier noch nicht ratifiziert haben. Und die katholische Kirche will das möglichst verhindern. Mit seiner Predigt könnte sich Petr Piťha jedoch zu weit aus dem Fenster gelehnt haben, denn nun ist eine Anzeige dagegen bei der Polizei eingegangen. Gestellt hat sie die NGO „Česká ženská lobby“, sie kämpft hierzulande für mehr Gleichberechtigung. Hana Stelzerová leitet die Organisation, sie schrieb dem Tschechischen Rundfunk, Zitat:

Hana Stelzerová  (Foto: Archiv der NGO „Česká ženská lobby“)
„Wir haben Strafanzeige gestellt, da sich Piťha einer Straftat schuldig gemacht haben könnte. Uns stört, dass die Predigt Furcht verursachen sollte, indem mit Trennung der Familien und der Entführung von Kindern gedroht wird. Diese Terminologie ist eine klare Manipulation von Gläubigen.“

Der Prager Erzbischof Kardinal Dominik Duka hat sich hinter seinen Priester gestellt. Insgesamt ist es nicht der erste Angriff von katholischen Würdenträgern auf die Istanbul-Konvention. Jan Balík leitet die Jugendarbeit bei der tschechischen Bischofskonferenz und erklärt, was die katholische Kirche an dem Text stört:

„Das grundsätzliche Problem für die Bischöfe ist, dass der Vertrag elementare Grundsätze der Gender-Theorie in sich vereint.“

Veronika Ježková | Foto: ProFem
Übersetzt heißt das: Die Kirche hat Angst vor einem dritten Geschlecht, also der Abschaffung von Mann und Frau.

Die Regierung hingegen hält die Theorien der Kirche für einen Mythos, unter anderem machte sie das in einer Stellungnahme vom September deutlich. Und dass die Standpunkte der katholischen Kirche mit der Realität tatsächlich nichts zu tun haben sollen, erklärt zudem Veronika Ježková von der Organisation ProFem:

„Nichts davon ist in der Istanbul-Konvention enthalten. Es soll kein drittes Geschlecht eingeführt werden, und Mann und Frau sollen auch weiterhin bestehen. So ist es in allen Texten der Konvention festgeschrieben.“

Jan Cemper von der Plattform manipulatori.cz geht sogar noch einen Schritt weiter. Er hält die Aussagen katholischer Geistlicher zur Istanbul-Konvention für gefährlich:

„Die Gerüchte über die Konvention verbreiten sich über Facebook, aber auch über E-Mail. Vor allem ältere Menschen überprüfen die Informationen nicht noch einmal. Und gerade die Meinung eines Geistlichen halten sie für richtig.“