Heimatgefühle

Kennen Sie Prag? Wahrscheinlich schon. Ich weiß ja, dass einige unserer Hörer schon in der tschechischen Hauptstadt zu Besuch waren. Mir geht es mittlerweile andersherum: Ich bin auf Besuch, wenn ich in Deutschland bin.

Selbst meine Geburtsstadt Freiburg rückt für mich manchmal schon ein bisschen in die Ferne. Denn das meiste, was ich dort erlebt habe, liegt in vergangenen Zeiten. Das wurde mir letztens bewusst, als ich nach mehr als zehn Jahren wieder einen ehemaligen Klassenkameraden aus dem Gymnasium getroffen habe. Jetzt lebe ich also in einer fremden Stadt und meine Heimatstadt entfernt sich von mir. Werde ich also langsam heimatlos? Das habe ich mich ernsthaft und mit Sorge selbst fragen müssen.

Prag

Die Antwort lautet: nein. Denn wenn ich aus Deutschland nach Prag komme, habe ich mittlerweile schon regelrecht das Gefühl einer Heimkehr. Mit meiner Wahlheimat bin ich so vertraut, dass mich belustigt, wenn mich tschechische Touristen in Prag nach dem Weg fragen – und ich ihnen helfen kann. Da kann ich, denke ich, mit Fug und Recht behaupten, dass ich die schöne Stadt an der Moldau mittlerweile besser kenne als viele Tschechen. Briefe von Ihnen, liebe Hörer, die mit der Floskel „In ihrem schönen Land…“ beginnen, müsste ich jedoch eigentlich an eine meiner beiden tschechischen Kolleginnen weiter reichen. Denn ein Tscheche bin ich natürlich auch nach all den Jahren nicht geworden; man könnte höchstens sagen, dass ich vielleicht ein bisschen „angeböhmelt“ bin, falls sie mir diese Wortkreation erlauben.

Kurz und gut, Prag ist irgendwie auch zu meiner Heimat geworden. Zugleich werde ich Freiburg natürlich nie aus meinem Herzen verlieren. Wenn ich zwischen Prag und meiner Geburtsstadt im Breisgau hin und her fahre, kann ich daher doppelt heimkehren. Von wegen heimatlos: Was die Heimat betrifft, lebe ich im Luxus.