Historiker: Tatsachen über Roma-Holocaust können sich auf die öffentliche Meinung auswirken

Seminar über den Roma-Holocaust

Der Genozid der Roma während des Zweiten Weltkriegs hatte in verschiedenen Ländern Europas dieselben Wurzeln. Dies wurde während des Seminars über den Roma-Holocaust festgestellt, das im Rahmen des Internationalen Roma-Festivals Khamoro am Dienstag im jüdischen Rathaus in Prag stattfand. Martina Schneibergová nahm an dem Seminar teil.

Dieses Lied trägt den Titel "Auschwitz ist ein großes Gefängnis" und wurde von den Roma komponiert und gesungen, die aus den böhmischen Ländern in das KZ Auschwitz verschleppt wurden. Während des Seminars wurde es von einer Zeitzeugin, Frau Emílie Machálková, vorgetragen, deren Verwandte in diesem Konzentrationslager ermordet wurden.

Mit der Verfolgung der Roma während der Nazi-Zeit in den einzelnen Ländern Europas befassten sich Historiker aus Deutschland, Österreich, Polen, Russland, Serbien und Montenegro, der Slowakei, den USA und Tschechien während des Prager Seminars. Nach den Wurzeln der Diskriminierung und Verfolgung der Roma fragte ich Michael Zimmermann von der Ruhr-Universität in Bochum:

"Es sind einerseits traditionelle Klischees, Vorurteile gegenüber Zigeunern, bei jedem Zigeuner wurde zunächst einmal angenommen, dass er stiehlt. Man ging davon aus - meist ohne überhaupt die Betroffenen zu kennen, dass sie lügen würden, dass sie insgesamt unehrlich seien, dass sie schmutzig seien - also es bestand ein weites Feld von zigeunerfeindlichen Klischees und es gibt vielleicht noch folgendes: Wenn man das Zigeunerbild über die Jahrhunderte sich anschaut, kann man feststellen, dass die Zigeuner eine Art Gegenbild zur Disziplinierung in der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft waren. Die Zigeuner wurden in der Phantasievorstellung zu denen, die ausbrechen konnten, die sich der Disziplin nicht unterwarfen, die den Ort verließen, die sich der geregelten Arbeit verweigerten, und dies hat in der sesshaften Bevölkerung sehr ambivalente Gefühle ausgelöst - teilweise romantische Gefühle - es gibt ja die Zigeunerromantik, teils aber auch einen Neid, der sich zum Hass auswuchs, und auch dann dazu beitragen konnte, dass man sagte, dieses Gegenbild zu unserer Lebensweise soll aus unserem Blickfeld verschwinden. Also auch das konnte mit dazu beitragen, die Hassgefühle zu verstärken."

Es wurden inzwischen viele Fakten über die einzelnen Aspekte des Roma-Holocausts zusammengetragen. Der slowakische Historiker Ivan Kamenec erinnerte zum Abschluss seines Vortrags daran, dass bei all den Forschungen jedoch die menschliche Seite zu kurz kommt - z. B. die Frage, wie sich die so zu sagen "schweigende Mehrheit" in den einzelnen Ländern damals verhielt oder in wieweit sich die inzwischen bekannt gewordenen Tatsachen über den Roma-Holocaust nun auf die öffentliche Meinung auswirken. Michael Zimmermann dazu:

"Ja, ich glaube, das kann sich auswirken dann im positiven Sinne - die gesellschaftliche Stimmung und Meinung beeinflussen erstens, wenn eine Bürgerrechtsbewegung der Roma eintritt für ihre eigenen Rechte und dies in einer für die Bevölkerung verständlichen und nachvollziehbaren Weise deutlich macht. Das ist ein Aspekt. Das zweite - ich glaube, es wird wichtig sein - und das hängt von uns - also den Nicht-Roma - ab, darauf zu drängen, dass bei Gedenktagen, dass bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und der deutschen Besatzungsherrschaft beschäftigen, sich immer jemand meldet und sagt: Vergesst die Roma nicht! Das kann helfen. Und diese Erinnerung trägt natürlich dazu bei, zu sagen, ein solches Unrecht, eine solche Verfolgung, Diskriminierung und ein solcher Genozid darf nie wieder geschehen. Insofern kann die Erinnerung - ich meine nicht nur die Roma, sondern potenziell alle verfolgten Minderheiten ein wenig schützen helfen, aber das hängt von unseren Aktivitäten ab."