Historiker: Widerstand der Kirchen gegen Hitler soll gründlicher erforscht werden

Professor Rudolf Grulich

Was den Widerstand der Kirchen gegen Hitler auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik anbelangt, so gibt es immer noch Bereiche, die erst noch erforscht und auch publiziert werden könnten, bzw. sollten. Zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer eines Seminars, das zum Thema "Widerstand der Kirchen gegen die Nazis" am Dienstag in Prag veranstaltet wurde. Das Seminar, an dem tschechische und deutsche Historiker sowie Vertreter verschiedener Kirchen und der interessierten Öffentlichkeit teilnahmen, wurde vom Sudetendeutschen Büro in Prag initiiert. Martina Schneibergova nahm daran teil und bat Professor Rudolf Grulich ans Mikrofon, einen deutschen Historiker, der sich mit dem Widerstand sudetendeutscher Priester befasste:

Professor Rudolf Grulich
Herr Professor, während des heutigen Seminars stellte man fest, dass es immer noch viele so zu sagen weiße Flecken gibt und dass noch weitere Forschungen durchgeführt werden sollten, um die Tätigkeit der Christen im Widerstandskampf gegen die Nazis bearbeiten zu können. Wie ist Ihre Meinung dazu?

"Ich bin froh, dass Sie den Begriff ´weiße Flecken´ gebraucht haben. Vor zehn Jahren hatte die Ackermann-Gemeinde mit der Bolzano-Stiftung bei den Iglauer Gesprächen als Thema weiße Flecken und Tabus auf der historischen Landkarte. Damals ist das aufgegriffen worden. Für mich war das damals auch ein Grund, mich damit zu beschäftigen, denn es ist zu wenig bekannt."

War für Sie etwas davon, worüber die tschechischen Seminarteilnehmerinnen und Teilnehmer gesprochen haben, ganz neu?

"Selbstverständlich. Gerade, was die tschechischen Kollegen von der evangelischen Kirche der böhmischen Brüder, was Professor Kucera von den Hussiten gesagt hat, aber auch Herr Stríbrný von der katholischen Kirche, das war neu. In der Diskussion hat es dann manche Anregungen gegeben, dass ich mich selber erinnert habe - ja, den und den Herrn oder die Dame - wie etwa Frau Olga Fierz, die genannt wurde (O. F. war Mitarbeiterin des tschechischen Pädagogen Premysl Pitter, der sich um jüdische und später auch verlassene deutsche Kinder kümmerte), die habe ich noch vor 30 Jahren kennen gelernt. Und ich bin natürlich motiviert, mich damit noch mehr zu beschäftigen."

Professor Kucera von der Prager Hussitischen theologischen Fakultät erinnerte in seinem Vortrag an das Schicksal eines seines Verwandten, Josef Serbus, der sich dafür einsetzte, dass Heinrich Mann die tschechische Staatsbürgerschaft in der mittelböhmischen Stadt Vlasim erteilt wurde. Serbus kehrte aus dem KZ Buchenwald nicht mehr zurück. Professor Grulich dazu:

"Dieses Beispiel ist für uns sehr peinlich mit der Staatsbürgerschaft. Es ist ja in der Tschechoslowakei von Österreich-Ungarn her so gewesen wie heute in der Schweiz. Kein Präsident und kein Parlament konnte die Staatsbürgerschaft verleihen. Man musste den Heimatschein /zu tschechisch: domovský list/ einer Gemeinde haben. Ich bin Sudetendeutscher. Keine sudetendeutsche Gemeinde hat dem deutschen Nobelpreisträger Mann, als er im Exil in der Tschechoslowakei war, den Heimatschein gegeben, sondern es war eine tschechische Gemeinde - Vlasim. Das ist eine Schande für uns, Sudetendeutsche. Ich bin dankbar, dass ich heute wieder Herrn Kucera gehört habe. Er ist eigentlich daran schuld, dass ich mich damit beschäftige und auch schuld an meinem Büchlein über sudetendeutsche Katholiken als Opfer der Nazis. Wenn ich an die sudetendeutschen Priester in Dachau denke, die zum Teil mit tschechischen Priestern gesessen haben (z. B. mit Josef Beran, der später Prager Erzbischof und Kardinal wurde), dann fallen mir auch andere Persönlichkeiten ein, die sich sehr bemüht haben, in Dachau zu retten, was zu retten war. Oder wenn wir bedenken, dass ein sudetendeutscher Pater - P. Engelmar Unzeitig, der Gott dankte, dass er tschechisch kann, in Dachau tschechische und russische Gefangene betreute, dass der am 2. März 1945, sechs Wochen vor der Befreiung bei der Pflege typhuskranker Tschechen starb. Und er hat sich freiwillig für die Pflege gemeldet, dann ist das jemand, der bekannter werden muss. Er muss auch heute als Vorbild für die Jugend dargestellt werden."