Idealist, aber nicht naiv – Freunde erinnern sich an Jan Palach, der sich vor 55 Jahren selbst anzündete

Pieta zum Jahrestag der Verbrennung von Jan Palach an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität

Am Montag hat in Tschechien die sogenannte Palach-Woche begonnen. Dabei wird der Selbstverbrennung des jungen Studenten Jan Palach in Prag vor 55 Jahren gedacht. Doch wer war dieser Mensch, der sich am 16. Januar 1969 zu diesem drastischen Schritt entschloss?

Seit genau 35 Jahren gibt es die Palach-Woche. Am 15. Januar 1989 erinnerten die Menschen in Prag erstmals öffentlich an Jan Palach und traten damit Tage des Protests gegen das kommunistische Regime los. Es war der Start in das Jahr, in dem am Ende die Samtene Revolution die Machthaber vertreiben sollte.

Jan Palach | Foto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Schon 20 Jahre zuvor, also 1969, hatte Palach seine Landsleute zum Widerstand aufrütteln wollen und sich deswegen am oberen Ende des Wenzelsplatzes in Prag selbst angezündet. Er sei überhaupt kein verbitterter Mensch gewesen, sagt sein Jugendfreund Stanislav Hamr – ganz im Gegenteil…

„Jan war ein aufgeweckter, fröhlicher und schlauer junger Mann. Er war sehr impulsiv und erledigte alle Dinge immer sehr schnell. Wir hatten viel Spaß“, sagt Hamr.

Beide gingen gemeinsam auf die Grundschule, dann trennten sich zwar schulisch die Wege, doch man war weiter befreundet und traf sich regelmäßig:

„Der Unterschied zwischen uns bestand darin, dass sich Jan sehr auf die Menschen verlassen hat. Er dachte, die meisten anderen würden denken wie er. Ich wusste aber, dass dies nicht so ist. Man könnte sagen, dass ich ein Pragmatiker war und er ein Idealist.“

Am 16. Januar 1969 übergoss sich Jan Palach an der Treppe vor dem Nationalmuseum in Prag mit Benzin. Dann riss er ein Streichholz an und entzündete sich. Als „lebende Fackel Nummer eins“, wie er dies in Abschiedsbriefen bezeichnet hat, protestierte er dagegen, dass ein halbes Jahr zuvor die Truppen des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzt hatten und der Widerstand dagegen bereits verebbt war.

Über die Selbstverbrennung wurde auch in den Staatsmedien berichtet…

Beerdigung von Jan Palach | Foto: Post Bellum

„Heute gegen 15 Uhr hat sich der 21-jährige Student der Philosophischen Fakultät J.P. auf dem Wenzelsplatz schwer verbrannt. Durch ein schnelles Einschreiten eines Dispatchers der Prager Verkehrsbetriebe konnte das Feuer gelöscht werden, und der Student wurde vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht. Zum Motiv der Tat laufen Ermittlungen“, so eine der ersten Meldungen in den Nachrichten des Tschechoslowakischen Rundfunks.

Auch Stanislav Hamr hörte die Nachrichten. Beim Kürzel J.P. habe er sofort an Jan Palach gedacht, schildert er:

„Auf der einen Seite empfand ich das Geschehene als Heldentat, auf der anderen Seite war ich sehr enttäuscht, dass er sich für so wenig geopfert hat. Ich denke wirklich, dass er mehr bewirkt hätte, wenn er weitergelebt hätte. Und tief in mir drin habe ich es als Verrat empfunden, dass ein Mitstreiter weg ist.“

Palach starb drei Tage später an den Folgen der schweren Verbrennungen, die er sich zugefügt hatte.

Auch Jiří Mejstřík gehörte zu den Freunden von Jan Palach. Beide studierten zusammen an der Wirtschaftsuniversität in Prag, weil Palach zunächst nicht zum Philosophiestudium an der Karlsuniversität zugelassen wurde. Sie lernten sich Anfang 1967 bei einer Reise zu einem Arbeitsaufenthalt in die Sowjetunion kennen.

„Sehr bald beeindruckten mich mehrere Dinge. Zum einen war Jan sehr anständig. Und er war überhaupt nicht scheu, also nicht introvertiert. Sehr gerne diskutierte er. Ihn interessierten meist die wichtigen politischen und ideologischen Fragen. Da kannte er sich aus“, so Mejstřík, der auch immer wieder Veranstaltungen zu Palach ausrichtet.

Er hält die Tat seines früheren Kommilitonen in jedem Fall nicht für naiv. Und er erinnert an den Abschiedsbrief, den Palach am Morgen des 16. Januar schrieb:

Palach-Woche 1989 | Foto: Tschechisches Fernsehen,  ČT24

„Die Gründe für seine Tat lassen sich verstehen. Naiv wäre sicher gewesen, wenn er geschrieben hätte: Ich will, dass die sowjetischen Truppen bis in drei Monaten abziehen. In dem Brief spricht er aber von etwas anderem.“

Palach forderte, die Zensur aufzuheben und die Herausgabe der sogenannten „Zprávy“ („Nachrichten“) einzustellen – das waren Informationsblätter der Besatzer. Wenn dies nicht bis in fünf Tagen geschehe, dann würden „weitere Fackeln brennen“, drohte er.

Jan-Palach-Denkmal auf dem Wenzelsplatz | Foto: Radio Prague International