Ignorant durchs Schengen-Land

Foto: Europäische Kommission
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Im so genannten Schengen-Raum kann man bekanntlich von einem Land ins andere reisen, ohne an der Grenze seinen Pass vorweisen zu müssen. So richtig herumgesprochen hat sich das aber wohl noch nicht in Europa.

Foto: Europäische Kommission
Ein kleiner Flughafen in Griechenland, ein Uhr früh, Menschentrauben vor den Check-In-Schaltern. In der Halle dahinter gibt es fünf Gates: drei für den Schengen-Raum, zwei für Reisende in andere Staaten. Ich fliege nach Wien - also von einem Schengen-Land in ein anderes. Viele, die ich schon beim Hinflug in meiner Maschine gesehen habe, stellen sich aber trotzdem brav bei der Passkontrolle vor den Nicht-Schengen-Gates an. Eine halbe Stunde oder länger stehen sie dort in der Schlange, und werden dann enttäuscht wieder weggeschickt: Falsche Tür, Ausweis uninteressant.

Dass die Europäische Union als Sündenbock für alles mögliche Übel herhalten muss, das gehört schon zur politischen Folklore. So könnte man etwa fast meinen, Bürokratie finde prinzipiell in Brüssel statt. Wenn aber der europäische Einigungsprozess umgekehrt Bürokratie abbaut, wenn also zum Beispiel an den Grenzen nicht mehr kontrolliert wird, dann nehmen viele EU-Bürger das schlicht und einfach nicht wahr. Das gilt auch für Staatsdiener und Journalisten. Wie sonst ist es zu erklären, dass der österreichische Rundfunk kürzlich meldete, es sei für die Behörden ein Rätsel, wie sich eine psychisch kranke Frau ohne Pass von Wien nach Finnland durchschlagen konnte?

Im relativ neuen EU-Land Tschechien ist die Aufmerksamkeit für Europathemen noch etwas höher. Die meisten Menschen freuen sich auf den 1. Januar 2008, wenn auch Tschechien der Schengen-Zone beitreten soll. Verwirrung gibt es aber auch hierzulande. So hat etwa Premierminister Mirek Topolanek kürzlich stolz erklärt, dass ab diesem Datum auch tschechische Bürger frei durch Europa reisen und auf den Flughäfen die Türen mit der Aufschrift "Schengen" passieren können. Die Freude ist verständlich, aber man muss schon genau bleiben: Das Schengener Abkommen bezieht sich nicht auf Bürger, sondern auf Staaten. Ein Tscheche auf dem Weg von Griechenland nach Wien hätte sich um die Warteschlange vor der Passkontrolle genauso wenig kümmern müssen wie ich.

Klar dass die EU, ein historisch einmaliges Projekt von mittlerweile 27 Staaten, ein kompliziertes Gebilde ist. Ihre Grundpfeiler sind aber weit übersichtlicher als es scheinen mag. Ein bisschen Interesse und Hausverstand helfen schon enorm weiter. Das gilt auch für Staatsdiener - und für uns Journalisten.