Im Einsatz für die deutsche Minderheit in Tschechien: Susanne Beckmann

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Die journalistischen Erfahrungen, die sie in Berlin gemacht hatte, auch im Ausland anzuwenden: Diese Herausforderung reizte Susanne Beckmann. Vor zwei Jahren wagte sie deshalb den Sprung ins kalte Wasser und ging nach Prag. Tschechisch konnte sie nicht, auch das Land war für sie neu. Dennoch gestaltete sie die „Landeszeitung“, das Presseorgan der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, als Redakteurin wesentlich mit. Und sie engagierte sich auch anderweitig für die deutsche Minderheit.

Frau Beckmann, Sie waren nun zwei Jahre lang in Prag und verlassen Tschechien demnächst. Gehen Sie mit lachenden oder weinenden Augen aus Prag weg?

„Ich würde sagen, ich gehe mit beidem weg. Mit einem lachenden Auge, weil ich sehr viele nette Menschen hier kennen gelernt habe, mit denen ich viel gelacht habe und dieses Lächeln auch auf dem Gesicht behalte, und mit einem weinenden Auge, weil es ein Abschiednehmen ist von dem Land, von den Menschen und der Zeit hier.“

Sie sind vom ifa nach Prag entsandt worden, das ist das Institut für Auslandsbeziehungen. Was hat dieses Institut für Aufgaben?

„Das Institut für Auslandsbeziehungen ist eine Mittlerorganisation des Auswärtigen Amtes Deutschlands. Ich bin beim Referat Integration und Medien angestellt. Dieses Referat unterstützt die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa, sowie den GUS-Staaten. Meine Aufgabe war es, die deutsche Minderheit hier in Tschechien zu unterstützen.“

Wie ist das ifa organisiert?

„Es gibt Kulturmanager und Redakteure, die vor Ort in den jeweiligen Ländern eingesetzt werden, also sowohl in Mittel- und Osteuropa, als auch in den GUS-Staaten. Außerdem gibt es Regionalkoordinatoren, die die Aufgaben gebündelt betreuen. Mein Regionalkoordinator ist Friedhelm Jansen, seine Dienststelle ist in Oppeln. Polen und Tschechien hat man also zusammengefasst. Das Institut für Auslandsbeziehungen selbst hat seinen Sitz in Stuttgart.“

Wie viele Leute sind derzeit durch das ifa nach Osteuropa entsandt?

„Es sind jedes Jahr so ungefähr 20 Personen. Man bekommt erst einmal einen Jahresvertrag, den kann man auf zwei Jahre verlängern. So habe ich das auch in meinem Fall gemacht.“

Und wie viele Stellen gibt es in Tschechien?

„Es gab bis jetzt – bis Ende August wird das so bleiben – zwei Stellen, und zwar eine Stelle eines Kulturmanagers oder einer Kulturmanagerin, angegliedert an die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, und es gibt den ifa-Redakteur oder die ifa-Redakteurin bei der ‚Landeszeitung’, dem Presseorgan der Landesversammlung.“

Das war auch Ihre Funktion, die Sie in Prag ausgeübt haben. Sie haben die „Landeszeitung“ betreut, wie Sie schon sagten. Können Sie diese Zeitung näher beschreiben?

„Die ‚Landeszeitung’ erscheint alle vierzehn Tage. Sie umfasst insgesamt zwölf Druckseiten, acht Seiten bilden die Zeitung und dazu gibt es eine vierseitige Beilage. Die ‚Landeszeitung’ ist großformatig, das heißt sie hat das Format einer normalen Tageszeitung. Sie erscheint mit einer Auflage von 2000 Stück. In Tschechien haben wir 1300 regelmäßige Abnehmer und rund 300 weitere Leser in Deutschland. Die übrigen Exemplare können wir frei auslegen, zum Beispiel an Universitäten.“

Seminar in Görlitz  (Foto: Monika Richter)
Wie erreichen Sie Ihre Leser?

„Wir sind eine Abonnentenzeitung. Unsere Leser müssen die ‚Landeszeitung’ abonnieren, Teile davon kann man aber auch im Internet lesen, oder man kann sie als E-Paper bestellen.“

Als Redakteurin der „Landeszeitung“ hatten Sie die Möglichkeit, dieses Presseorgan der Landesversammlung mitzugestalten. Wie hat sich die Zeitung sich in den zwei Jahren, die Sie hier tätig waren, verändert?

„Eine Änderung, die ich eingeführt habe, ist eine Seite, die ‚Jugend’ übertitelt ist. Auf dieser Seite finden Themen Platz, die dem kulturellen Austausch in der jungen Generation gewidmet sind. Außerdem habe ich einen Veranstaltungskalender eingeführt. Denn die deutsche Minderheit macht in den Regionen in ganz Tschechien sehr viele Veranstaltungen, von denen man nur selten etwas erfährt. Ich bündle das in einem Veranstaltungskalender, und jeder, der die ‚Landeszeitung’ liest und sieht: Mensch, in Brünn, da ist ja nächstes Wochenende dieses und jenes, der kann dann die Veranstaltungen der Minderheit gezielt besuchen.“

Bei Ihrer Tätigkeit sind Sie sicher in Tschechien viel herumgekommen und konnten Land und Leute kennen lernen. Was hat Sie hier am meisten beeindruckt?

„Besonders beeindruckend finde ich die Landschaft Tschechiens. Mit dem Zug durch das Land zu reisen, das habe ich vorher in Deutschland nicht so oft gemacht, dort nutze ich mehr das Auto. Ich habe hier eigentlich überall sehr nette Menschen kennen gelernt. Ein Ort, an den ich besonders gerne hinfahre, ist zum Beispiel Řehlovice. Das ist ein ganz kleiner Ort mit einem riesigen Hof, und dort entsteht ein deutsch-tschechisches Projekt, eine Art Kulturzentrum. Das finde ich sehr spannend.“

Kulturzentrum Řehlovice  (Foto: Dirk Plamböck)
Was entsteht in Řehlovice genau?

„Es gibt dort eine Keramikerin, Lenka Holíková, und sie hat einen Ort geschaffen, an dem Künstler, Kulturschaffende und auch die Dorfbevölkerung zusammenkommen und gemeinsam Projekte machen. Es gibt regelmäßig Symposien, bei denen deutsche und tschechische Künstler und Kulturschaffenden eine Woche lang miteinander arbeiten. Sie setzen sich dabei auch mit politischen Themen auseinander, aber eben mit künstlerischen Ausdrucksmitteln.“

Wo liegt dieser Ort Řehlovice?

„Ganz in der Nähe von Ústí nad Labem.“

Deutsch-tschechische Beziehungen, das interessiert Sie ganz offensichtlich sehr, da haben Sie sich engagiert, und zwar nicht nur bei der „Landeszeitung“, sondern Sie haben auch verschiedene Projekte durchgeführt …

„Richtig. Ich habe gerade ein trinationales Projekt abgeschlossen, das Deutschland, Polen und Tschechien länderübergreifend verbunden hat. Wir haben junge Menschen eingeladen, an einer ‚Sehschule’ – so würde ich das nennen – teilzunehmen. Im Vordergrund stand das Fotografieren, das Lernen, wie man fotografiert und Bilder am Computer bearbeitet. Als thematischen Schwerpunkt haben wir uns Schlesien ausgewählt. Denn Schlesien verbindet diese drei Länder. Schlesien hat eine wirklich wechselvolle Geschichte und ist auch sehr von der deutschen Minderheit geprägt.“

Foto: Horst Löffler
Dieses Projekt ist gerade zu Ende gegangen. Gibt es ein Ergebnis, zum Beispiel ein Buch oder eine Ausstellung?

„Wir haben uns entsprechend der Zielgruppe, also jungen Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren, überlegt, dass wir die Ergebnisse in einem Blog im Internet veröffentlichen. Die Ergebnisse sind dort unter www.schlesienfoto.blogspot.com. zu sehen. Alle Teilnehmer stellen sich auf dieser Website mit ihren Fotos einzeln vor. Aber auch eine Ausstellung und eine kleine Broschüre sind geplant – eine Art Katalog zur Ausstellung.“

Dieses Projekt zur Fotografie über Schlesien war aber nicht Ihr einziges Projekt. Sie haben vor kurzem noch ein weiteres Projekt begonnen …

„Ich würde dieses Vorhaben als Biografie-Projekt bezeichnen. Zusammen mit einer Kollegin wollen wir der Minderheit hier nachspüren: Welche Identität haben die Deutschen in Tschechien? Es geht also ganz gezielt nicht um die Vertriebenen, sondern um die Deutschen, die in der Tschechoslowakei geblieben sind.“

Forschen Sie da auch in den Reihen der nachkommenden Generationen?

„Wir forschen bis hinunter zur Generation der Enkel. Sie müssen verstehen: Jugendliche, für die es ganz natürlich ist, mit der Oma oder dem Opa hier Deutsch zu sprechen, sind auch Teil der Minderheit. Als was sehen Sie sich aber tatsächlich? Bei diesen jungen Menschen entsteht oft ein Identitäts-Konflikt. Sie werden in Tschechien als „andere“ wahrgenommen, weil sie so gut Deutsch können. Aber wenn sie einmal ins deutschsprachige Ausland fahren, sei es Österreich, Deutschland oder die Schweiz, dann sind sie Tschechen, die sehr gut Deutsch können. Wir sind jetzt in der Durchführungsphase, das heißt, wir führen derzeit die Interviews mit den einzelnen Personen, tragen die Materialien zusammen und machen natürlich auch Fotos. Das Ganze möchten wir als Ausstellung präsentieren. Wir hoffen, dass wir die Ausstellung im Juli oder August eröffnen können.“

Deutsch-tschechische Kulturtage,  Troppau  (Foto: Gerhard Gratza)
Wird diese Ausstellung auch in Tschechien zu sehen sein?

„Sie wird auf jeden Fall in Tschechien gezeigt. Es ist angedacht, dass sie als Wanderausstellung durch die Begegnungszentren der Verbände der Deutschen in Tschechien wandert, aber auch zum Beispiel im Tschechischen Zentrum in München präsentiert wird.“

Damit ist dann Ihr Wirken in Tschechien zunächst einmal beendet. Sie waren zuvor, bevor Sie nach Prag kamen, in Berlin und haben dort unter anderem für den Fernsehsender n-tv gearbeitet. Was haben Sie da genau gemacht?

„Da habe ich Wirtschaftsnachrichten geschrieben, also ganz was anderes, als ich jetzt tue.“

Sie sind also von der Wirtschaft zur Kultur gekommen, und dann haben Sie sich entschlossen, nach Prag zu gehen. Was hat Sie dazu bewogen?

„Es hat mich einfach gereizt, dass man mit diesem journalistischen Background etwas im Ausland etwas machen kann, auch in Ost- und Mitteleuropa.“

Seminar in Görlitz  (Foto: Monika Richter)
Hatten Sie auch persönliche Beziehungen zu Tschechien?

„Bis dahin keine. Ich habe hier keine Familienmitglieder, die aus Tschechien kommen oder tschechische Wurzeln haben. Es war also eine ganz neue Entdeckung für mich.“

Was nehmen Sie an Zugewinn aus Prag mit?

„Der größte Gewinn für mich, und zwar sowohl beruflich als auch privat, ist, mehr Gelassenheit gewonnen zu haben. Ich habe gelernt, dass man trotz Termindruck auch ans Ziel kommen kann, ohne nervös zu werden. Das war mir – vielleicht auch durch n-tv und die Wirtschaftsmeldungen dort – fremd. Dass es auch eine ruhigere Nummer gibt und man trotzdem zu einem Ergebnis kommt. Das nehme ich als größten Gewinn von hier mit.“