Im Nationalpark Böhmerwald droht erneut Streit um den Borkenkäfer
Im Nationalpark Böhmerwald könnte sich das Szenario aus dem Vorjahr wiederholen: Im Sommer hatten Umweltschützer über Wochen ein Waldstück besetzt, um das Fällen von Bäumen zu verhindern. Das Waldstück liegt in einer Schutzzone, doch die Bäume sind vom Borkenkäfer befallen. Die Leitung des Nationalparks hatte deswegen eine Ausnahme beantragt, die Genehmigung erhalten und angeordnet, die befallenen Bäume zu schlagen. Ein solches Vorgehen lehnen die Umweltschützer aber grundsätzlich ab. Nun scheint es, als könnte der Streit erneut eskalieren. Denn die Leitung des Nationalparks will auf Grundlage eines neuen Gutachtens erneut die Holzfäller in den Wald schicken.
Das Ganze könnte sich wiederholen. Hintergrund ist ein Gutachten, das die Nationalparkverwaltung in Auftrag gegeben hatte. Darin sollte beurteilt werden, ob das Fällen von Bäumen auch aus Sicht der europäischen Natura-2000-Richtlinie akzeptabel ist. Kein tschechischer Wissenschaftler wollte sich für ein Fachurteil bereitstellen, bis auf eine sehr teure Ausnahme. Jiří Mánek ist stellvertretender Leiter des Nationalparks:
„Deswegen haben wir begonnen, auch in der Slowakei zu suchen. Wir haben ein Angebot für eine sehr gut erarbeitete Analyse bekommen, Kostenpunkt 620.000 Kronen. Das haben wir akzeptiert.“Das Gutachten bewertet die Auswirkungen auf neun Vogelarten, unter ihnen zum Beispiel das Auerhuhn, und neun geschützte Pflanzen. Das Ergebnis: Die Eingriffe in den Nationalpark verstoßen nicht gegen europäisches Recht, kurzfristige negative würden durch langfristige positive Effekte wettgemacht. Die Nationalparkverwaltung kündigte daher an, in diesem und im kommenden Jahr erneut mit Axt und Motorsäge gegen den Borkenkäfer vorzugehen.
Das hat die Umweltschützer aufgebracht. Sie werfen der Verwaltung vor, gezielt nach Gutachtern gesucht zu haben, die Eingriffe in das Naturschutzgebiet gutheißen. Doch das Gutachten erfülle gar nicht die Parameter für eine Beurteilung unter Natura-2000-Gesichtspunkten, sagt zum Beispiel Jaromír Bláha von Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen). Dies sieht mittlerweile auch das Umweltministerium in Prag so. Man habe sich daher an die EU gewandt, sagt der stellvertretende Umweltminister Tomáš Tesář:
„Das Gutachten ist sicher keine Beurteilung gemäß der Natura-Richtlinie. Wir warten nun auf die Reaktion aus Brüssel und werden uns mit der ganzen Sache weiter beschäftigen.“Die Umweltschützer aber sind skeptisch. Sie bereiten sich bereits auf eine neue Konfrontation im Böhmerwald vor. Dabei ist die Beurteilung aus Brüssel nicht die letzte Instanz: Letztlich müssen die tschechischen Behörden beurteilen, ob die Lage rechtfertigt, wie im vergangenen Jahr eine Ausnahme von den tschechischen Umweltschutzgesetzen zu gewähren.