Im Zentrum des Geschehens: Wie verändern sich Städte in Zeiten der Klimakrise?

Karbon

Etwa drei Viertel der Menschen in Tschechien und Deutschland leben in Städten. Auch aus diesem Grund sind Städte für einen Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig macht der Klimawandel das Leben auch in den Städten immer riskanter – ob es sich nun um Hitzewellen, Trockenheit oder Sturzfluten handelt. Wie lässt sich sicherstellen, dass Städte auch in Zukunft lebenswert bleiben? Dies erläutern Sigrun Kabisch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die Sozialgeografin Michaela Pixová, Martin Ander von der Stiftung Partnerschaft/Partnerství und der Architekt Jaroslav Holler von der Abteilung Konzeption und Entwicklung der Stadt Plzeň / Pilsen.

Karbon | Foto: Filip Rambousek

Global betrachtet sind Städte für rund 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. In Wirklichkeit könnten es sogar noch etwas mehr sein, betont die Sozialgeografin Michaela Pixová:

„Wenn Städte ihren CO2-Fußabdruck berechnen, berücksichtigen sie in der Regel nur die Emissionen, die innerhalb ihres Stadtgebiets erzeugt werden. Die Emissionen aus der Produktion von allem, was in der Stadt konsumiert wird, sind jedoch nicht mit eingerechnet.“

Die Hauptfrage bleibt aber die gleiche: Wie lassen sich Emissionen, die in Städten entstehen, so effizient wie möglich reduzieren?

„Das größte Schadstoffpaket, gegen das die Stadt vorgehen kann, ist eindeutig der Gebäudesektor. Er macht im Grunde 75 bis 80 Prozent aller Emissionen aus. Wohngebäude spielen die zentrale Rolle, aber natürlich auch Bürogebäude und sonstige Liegenschaften“, sagt Martin Ander von der Stiftung Partnerschaft/Partnerství.

Gebäude verbrauchen viel Energie, insbesondere für die Wärmeversorgung. Die meisten Gebäude, hauptsächlich ältere, sind jedoch schlecht isoliert, so dass es hier zu erheblichen Verlusten kommt:

„Eine gute Isolierung ist das A und O. Nur bei reduziertem Verbrauch lässt sich eine entsprechende Energieversorgung realisieren – erst dann hat es Sinn, zum Beispiel eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen“, so Ander.

Sigrun Kabisch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung stimmt dem zu. Außerdem hält sie es für wichtig, in Sachen Gebäudeisolierung das Tempo anzuziehen. Dabei dürften jedoch einkommensschwache Haushalte nicht vergessen werden, betont die deutsche Wissenschaftlerin.

„Wir beobachten, dass auf der einen Seite die energetische Sanierung des Bestandes vorangetrieben wird. Auf der anderen Seite muss er aber auch bezahlbar bleiben. Die Sanierungskosten werden auf die Miete umgeschlagen. Und da gibt es dann einen Widerspruch. Die Bezahlbarkeit spielt also eine große Rolle. Denn viele Wohnungsunternehmen wissen, dass gerade bei Sozialwohnungen oder Wohnungen, in denen Menschen mit geringerem Einkommen leben, die Mieten nicht ins Unendliche steigen können. Die Sanierung wird dann auf ein Niveau gebracht, das akzeptabel ist, aber das natürlich besser sein könnte. Eigentlich brauchen wir einen Qualitätssprung, eine viel bessere Sanierung. Aber das wäre dann nicht mehr bezahlbar. Das ist ein Dilemma, mit dem wir uns beschäftigen müssen.“

Mit der Renovierung von Gebäuden lassen sich erhebliche Energiemengen einsparen – und damit Emissionen. Aber das sei nicht die einzige Möglichkeit, wie eine Stadt ihren Schadstoffausstoß reduzieren könne, erläutert Martin Ander:

„Der zweite große Bereich ist die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen direkt in der Stadt – entweder auf Gebäuden oder auf angrenzenden Flächen wie zum Beispiel Carports auf Parkplätzen. Das kennen wir aus einer Reihe von südeuropäischen Ländern, in denen die Überdachungen von beschatteten Parkplätzen mit Fotovoltaik-Anlagen ausgestattet werden.“

Diese Quellen können dann schrittweise zu größeren Systemen zusammengeschlossen werden – entweder innerhalb des Stadtteils oder in der gesamten Kommune.

„Eine Reihe von Städten plant den Aufbau ganzer Systeme für erneuerbare Energiequellen auf lokaler Ebene. Nach der neuen Gesetzgebung werden diese Systeme dann in einer Art Energiegemeinschaft miteinander verbunden. An dieser Energiegemeinschaft können sich die Bürgerinnen und Bürger beteiligen – und zwar sowohl die, die ihren eigenen Strom erzeugen, als auch jene, die ihn verbrauchen. Städte und kleinere Gemeinden werden sich zu lokalen Energiegemeinschaften zusammenschließen, die es ermöglichen, Strom zu günstigeren Bedingungen gemeinsam zu nutzen, bleiben aber zugleich an das öffentliche Stromnetz angeschlossen – das ist das Prinzip der Gemeinschaftsenergie“, so Ander.

Ziel: 15-Minuten-Stadt

Ein weiterer großer Sektor, den die Stadt beeinflussen kann, ist der Verkehr. In Tschechien verursacht er fast 15 Prozent aller Treibhausgasemissionen. Martin Ander:

„Die Stadt kann ihre Einwohner motivieren, auf den öffentlichen umzusteigen. Außerdem kann sie bessere Bedingungen für die Nutzung vollständig emissionsfreier Verkehrsmittel schaffen – also zum Beispiel für Fahrradfahrer und Fußgänger, und das vor allem auf kurzen Distanzen. Es ist erstaunlich, für welch kurze Entfernungen die Menschen noch immer oft das Auto nehmen, obwohl sie das gar nicht müssten...“

Voraussetzung für die Verringerung der Emissionen im Verkehr sei auch eine gute Stadtplanung, ergänzt der Fachmann von der Stiftung Partnerschaft/Partnerství.

„Es ist wichtig, bei der Stadtplanung daran zu denken, dass die Verkehrswege in der Stadt nicht zu beschwerlich sind – dass alles, was man in der Stadt braucht, idealerweise zu Fuß zu erreichen ist. In diesem Zusammenhang ist oft von der sogenannten 15-Minuten-Stadt die Rede.“

Die Notwendigkeit, die Emissionen zu reduzieren, ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, der sich die Städte im 21. Jahrhundert stellen müssen. Mit der zunehmenden Erderwärmung müssen sie sich auch auf immer häufiger auftretende extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Trockenheit und Sturzfluten einstellen. Was genau bedeutet das für die Stadtoberen? Und welche Anpassungsmaßnahmen versuchen sie zu ergreifen? Um das herauszufinden, führt die Reise ins westböhmische Pilsen. Jaroslav Holler leitet im dortigen Rathaus den Bereich Öffentlicher Raum in der Abteilung „Konzeption und Entwicklung“. Was bedeutet das konkret?

„Wir erstellen strategische Dokumente und Konzepte, wie zum Beispiel den Stadtplan für Pilsen. Gleichzeitig versuchen wir sicherzustellen, dass diese Dokumente auch umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Grundsätze und Anforderungen sich in konkreten Maßnahmen niederschlagen“, so der Stadtplaner.

Dies bedeutet, einen hochwertigen öffentlichen Raum zu schaffen, der nicht nur zu einer besseren Lebensqualität und einem angenehmeren städtischen Umfeld beiträgt, sondern auch die Widerstandsfähigkeit der Städte gegenüber dem Klimawandel erhöht. Jaroslav Holler erläutert:

„Es gibt wichtige Infrastrukturen im öffentlichen Raum wie zum Beispiel Verkehr und Technik. Aber wir haben auch die grüne und die blaue Infrastruktur – das heißt, die Arbeit mit der Vegetation, dem lebendigen Teil der Städte, und auch die Arbeit mit dem Wasser, das für die Grünflächen und die gesamte Stadt äußerst wichtig ist. Daher ist der öffentliche Raum auch im Hinblick auf die Umsetzung der Maßnahmen bedeutsam.“

Der Stadtplaner schlägt einen Besuch des Masaryk-Platzes in Pilsen vor. Es handelt sich um eine relativ große Fläche – etwas zwischen einem Platz und einem Park. Auch einige Grünflächen gibt es hier.

„Wir sollten mit der grünen Dimension beginnen, der grünen Infrastruktur. Und der Schlüsselparameter für die Qualität der Grünflächen in einer Stadt ist nicht die Fläche, die sie einnehmen, sondern ihre Qualität. Das sind die sogenannten Ökosystemleistungen, die sie erbringen. Da geht es in erster Linie um Kühlung und Beschattung“, so Holler.

Wichtige Ökosystemleistungen

Auf dem Masaryk-Platz sind es aber hauptsächlich Gebäude, die Schatten spenden – Bäume stehen hier nicht viele, nur ein paar Sträucher und die Rasenfläche. Und der Beamte bestätigt, dass dies keine guten Voraussetzungen dafür sind, eine Stadt für den Klimawandel und seine Folgen zu rüsten:

„Es gibt relativ wenige Bäume. Aber es geht nicht nur um die Bäume selbst, sondern auch um die Bedingungen – ob sie auf natürlich Weise mit Regenwasser versorgt werden, also kostengünstig und effizient. Außerdem sehen wir hier, dass alle Rasenflächen wie ein Dach gestaltet sind. Wenn es regnet, kann das Wasser – vor allem, wenn der Rasen trocken ist – nicht einmal versickern, sondern läuft sofort auf die gepflasterten Flächen und dann in die Kanalisation. Dort vermischt es sich mit dem Abwasser und fließt in den Fluss.“

Was wäre die richtige Variante?

„Am besten ist es, wenn das Regenwasser am Ort des Niederschlags bleibt – aber nicht an der Oberfläche, sondern im Bodenprofil, in einer Art Retentionsraum, den die Bäume mit ihren Wurzeln erreichen können. Auf diese Weise gedeihen die Bäume und können ihre Funktion, nämlich die Beschattung und Kühlung ihrer Umgebung, optimal erfüllen. Beim Rasen selbst geht es also nicht darum, dass er eine möglichst große Fläche einnimmt, sondern dass er in der Lage ist, Wasser effizient zu speichern. Das schafft gute Voraussetzungen für andere Vegetationsarten, die im Gegensatz zum Rasen wichtige Ökosystemleistungen erbringen. Gemeint sind neben den Bäumen auch Beete, in denen Insekten ihre Nahrungsquelle finden. Diese Beete fördern die Biodiversität vor Ort und haben zudem eine positive psychologische Wirkung auf uns Menschen“, erläutert Holler.

Der Masaryk-Platz bräuchte also einen Wandel. Gibt es auch einen Ort in der Nähe, der bereits so umgestaltet wurde, dass er einen Beitrag zur besseren Anpassung der Stadt an den Klimawandel leistet? Jaroslav Holler führt in die Klatovská-Straße in Richtung Josef-Kajetán-Tyl-Theater. Dort wurde vor einigen Jahren eine umfangreiche Revitalisierung vorgenommen...

„Wir befinden uns im Bereich der sogenannten Theaterterrassen, die vor einigen Jahren restauriert wurden. An grüner Infrastruktur sehen wir hier blühende Baumpflanzungen. Hier wurde zum ersten Mal den Bäumen Priorität eingeräumt. Das ging sogar so weit, dass Leitungen verlegt wurden, damit unter der Erde genügend Platz für das Wurzelwerk der Bäume ist. Darüber hinaus wurden die Bodenbedingungen mithilfe der Struktursubstrat-Technologie verbessert. So haben die Bäume einen besseren Zugang zu Wasser und Luft. Daher gedeihen sie auch in dieser relativ rauen städtischen Umgebung“, sagt Holler

Es ist also eine Frage der Prioritäten: Wenn man will, geht es auch?

„So ist es. Vor allem müssen wir uns bewusst machen, dass ein Baum keine Dekoration ist, sondern eine funktionstüchtige Klimaanlage. Genau wie eine herkömmliche Klimaanlage mit Stromanschluss und Kondenswasserablauf braucht ein Baum aber bestimmte Bedingungen, um seine Funktion effektiv zu erfüllen. Insbesondere muss er Zugang zu Wasser als dem kühlenden Medium haben, und es müssen weitere Voraussetzungen für sein Gedeihen erfüllt sein.“

Autoren: Filip Rambousek , Štěpán Vizi
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