Industriearchitektur im Mittelpunkt: Biennale "Spuren der Industriekultur"
In den letzten zehn Jahren ist das Interesse für Industriearchitektur in Tschechien gestiegen. Andererseits werden immer noch viele der architektonisch interessanten Industriebauten abgerissen. An dieses Paradox wird während der 5. Biennale erinnert. Unter dem Titel „Spuren der Industriekultur“ läuft sie seit Mitte September in einigen Städten Tschechiens.
Ausstellungen, Theatervorstellungen, Performances, Konzerte sowie Führungen auf den Spuren der Industriegeschichte stehen auf dem Programm der Biennale. Dabei spielen sich die Kulturveranstaltungen an relativ unüblichen Plätzen ab. So wurde beispielsweise eine Theatervorstellung über den Industriellen Karl Wittgenstein und seine Frau Poldi in einer ehemaligen Kohlegrube unweit der mittelböhmischen Industriestadt Kladno aufgeführt. Nach Poldi wurden die Stahlwerke in Kladno einst benannt. Ihr Sohn Ludwig ist einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts geworden.
Für das weitere Schicksal des Industrie-Erbes sei es notwendig, einen möglichst breiten Kreis von Menschen an der Lösung des Problems zu interessieren, sagt der Initiator der Biennale, Benjamin Fragner, der ebenso Leiter des Forschungszentrums für Industrie-Erbe an der Tschechischen Technischen Universität in Prag ist.
„Man muss dabei Konflikten zwischen Amateuren und den Leuten vorbeugen, die sich beruflich um Architektur kümmern. Die Amateure sind oft zwar Kenner oder Experten von Spitzenniveau, aber sie sind nicht Beamte oder haben nicht die Stellung, um die Entscheidung über einen Industriebau zu treffen oder sie zu beeinflussen. Das Thema der diesjährigen Biennale ist das Industrie-Erbe im Vakuum zwischen den Profis und den Amateuren. Wir möchten den Amateuren helfen, dass sie in ihrem Bemühen respektiert werden. Denn sie versuchen wertvolle Bauten zu retten, für deren Rettung die offiziellen Institutionen weder Kapazitäten noch finanzielle Mittel haben.“Vor der Gefahr, abgerissen zu werden, stehen Fragner zufolge beispielsweise ehemalige Bahngebäude und Areale in Prag wie der ehemalige Bahnhof Bubny sowie einige Gebäude beim Bahnhof Smíchov und beim Masaryk-Bahnhof. Ein anderer interessanter gefährdeter Industriebau sind Odkoleks Mühlen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Es gelang nicht, sie zum Kulturdenkmal zu erklären. Daher drohe nun, dass sie abgerissen werden, um einem Wohnausbau Platz zu machen, sagt Benjamin Fragner. Wie also sollten die Industriebauten genutzt werden?
„Es kostet natürlich Geld und es ist bestimmt auch komplizierter, einen solchen Bau zu retten als einen Neubau zu errichten. Aber es kommt immer darauf an, was man bevorzugt. Vorteil oder Nachteil dieser Bauten ist es, dass sie eine Vielfalt von Möglichkeiten der Nutzung bieten, weil sie sehr unterschiedlich sind. Ein Problem besteht darin, wenn sich ein Muster verbreitet, nach dem alle solche Bauten in Loftwohnungen verwandelt werden. Dies geht nicht, weil deren Konstruktion dazu nicht passt oder weil sie ökologisch belastet sind. Am besten ist der Weg, für eine bestimmte Art der Gebäude nach der bestmöglichen Nutzung zu suchen.“
Im Rahmen der Biennale wird am 9. und 10. Oktober im Prager Ökologisch-Technischen Museum eine internationale Konferenz veranstaltet. Mehr über die Veranstaltungen finden Sie unter www.industrialnistopy.cz.