Ist die tschechische Munitionsinitiative für die Ukraine überteuert?
Bisher haben sich 15 Länder an der tschechischen Initiative beteiligt, bei der Artilleriemunition für die Ukraine von außerhalb der EU beschafft wird. In den letzten Wochen kam allerdings Kritik auf. Die Einkäufe der Granaten seien intransparent abgelaufen und unwirtschaftlich gewesen, hieß es.
Im Rahmen der Munitionsinitiative besorgt Tschechien Artilleriegranaten in Drittländern und sammelt dafür bei verbündeten Ländern Geld ein. Vor zwei Wochen wurde erstmals Kritik an den Geschäften geäußert. Der tschechische Senator Lukáš Wagenknecht (Piraten) sagte bei der Sitzung der Senatskommission zur Kontrolle öffentlicher Mittel, dass für die Munition 1,4 Milliarden Kronen (56 Millionen Euro) mehr gezahlt worden seien als nötig. In Folge dessen habe man etwa 20.000 Stück weniger bestellen können, hieß es. Seine Behauptungen veröffentlichte er später in den sozialen Netzwerken.
Das Verteidigungsministerium bezeichnete die Information als unwahr. Premierminister Petr Fiala (Bürgerdemokraten) wies die Kritik zurück. Die Munition für die Ukraine werde im Rahmen der tschechischen Initiative zu aktuellen Preisen auf dem internationalen Markt gekauft und geliefert, versicherte er. In einem in den sozialen Medien veröffentlichten Video erklärte er, wie die Munitionsinitiative funktioniert, und betonte, dass der Staat in keiner Weise in die Preise eingreifen könne:
„Alles basiert auf einem einfachen, transparenten Marktprinzip, das die anderen Staaten stets kontrollieren können. Und sie tun es auch. Dies bedeutet unter anderem, dass die Tschechische Republik und die tschechischen Steuerzahler nicht mehr als den Beitrag von 866 Millionen Kronen (35 Millionen Euro, Anm. d. Red.) bezahlen, über den wir die Öffentlichkeit informiert haben. Die Tschechische Republik kann die Preise auf keinem Weg beeinflussen, alles liegt in den Händen der jeweiligen Lieferanten und Staaten.“
Die Preise für die Munition richteten sich nach der Preisliste und den Margen der einzelnen Rüstungsunternehmen. Die Staaten würden aus anonymisierten Angeboten von Unternehmen auswählen, die auf die Nachfrage der ukrainischen Armee reagieren, hieß es. Diese würden dann anhand mehrerer Faktoren beurteilt, die nicht nur finanzieller Art seien, wie Jiří Hynek, Präsident des Verbands der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie, beschreibt:
„So kann es etwa in Tschechien einen Hersteller geben, der in der Lage ist, relativ teure Munition zu produzieren, die aber eine Genauigkeit von sieben Metern auf die Entfernung von zwölf Kilometern aufweist. Man kann die Munition irgendwo in der Welt billiger kaufen, aber die Genauigkeit ist fünfmal schlechter. Die Entscheidungen richten sich also auch nach den technisch-taktischen Daten der Munition.“
Kritische Argumente wurden am Montag dieser Woche auch vom deutschen Handelsblatt veröffentlicht. Der Zeitung lägen Dokumente vor, die darauf hindeuteten, dass ein tschechischer Zwischenhändler überhöhte Preise für Artilleriegranaten in Rechnung gestellt habe, heißt es in dem Artikel. Das Medium weist darauf hin, dass das tschechische Rüstungsunternehmen Excalibur Army Artilleriegranaten für 2500 Euro pro Stück in der Türkei erworben und sie dann für 3200 Euro pro Stück an die tschechische Agentur für zwischenstaatliche Verteidigungszusammenarbeit verkauft habe. Das Handelsblatt erwähnt damit denselben Ankauf, von dem jüngst Wagenknecht im Senat berichtete. Finanziert wird die Lieferung eben gerade von Deutschland.
Tomáš Kopečný, der Beauftragte der tschechischen Regierung für den Wiederaufbau der Ukraine, erläutert den Preisunterschied:
„Der Unterschied zwischen dem Angebot, das in diesem Fall die Firma Excalibur Army bekommen hat, und dem, was sie vermittelt, besteht aus der Marge und weiteren Kosten – Transport- und Logistikkosten und weiteren Gebühren. In diesem Fall entsprach der Großteil nicht der Marge, sondern den Transportkosten.“
Entscheidend für die jeweiligen Staaten, die die Granaten finanzieren, ist laut Kopečný der Endpreis:
„Für den Käufer ist der Endpreis wichtig, nicht die Marge. Ich stimme zu, dass man darauf achten muss, dass sie nicht zu hoch ist. Auf Grundlage meiner Erfahrung im Rüstungsbereich in den letzten Jahren denke ich aber, dass die Marge normal ist, solange sie unter zehn Prozent liegt.“
Die Kontrollmechanismen funktionierten durch den Informationsaustausch zwischen den Verteidigungsministerien aller Sponsorenstaaten, der Ukraine und Tschechiens, ergänzt Kopečný.
Bis Ende des Jahres sollen insgesamt etwa 500.000 Geschosse im Rahmen der tschechischen Initiative an die Ukraine geliefert werden. Die erste Lieferung, die bereits im Land eingetroffen ist, betrug etwa 50.000 Stück Munition.
Verbunden
-
Tschechien und der Krieg in der Ukraine
Radio Prague International berichtet über den Krieg in der Ukraine