Jahresbericht 2008: Situation der Roma in Tschechien weiter problematisch
Er habe seinen „großen“ Tag gehabt. So beschrieb der tschechische Minister für Menschenrechte Michael Kocáb seinen Auftritt auf der Kabinettssitzung am Montag, bei der er mehrere Vorschläge zur Lösung wichtiger Fragen wie der Gleichberechtigung von Frau und Mann oder der Gewalt gegen Kinder machte. Auf den Tisch brachte er aber auch den Jahresbericht über die Situation der Roma-Minderheit im Jahr 2008.
Viel Neues enthält das Dokument jedoch eigentlich nicht. Das schwindende Bewusstsein der Roma zu ihrer eigenen Geschichte und Kultur, die anhaltende Sprachassimilierung und vieles mehr sind nach wie vor da. Es gelingt nicht, die chronischen Probleme wesentlich zu verringern. Das hat der Minister für Menschenrechte, Michael Kocáb, im Tschechischen Fernsehen eingeräumt:
„Es gelingt zum Beispiel nicht, den Bildungsgrad der Roma zu halten. Er sinkt kontinuierlich. 30 Prozent der Roma-Kinder sind von der normalen Grundschulausbildung ausgeschlossen und müssen eine Spezialschule besuchen. Weiße Kinder sind hier mit nur zwei Prozent vertreten.“
Trotz aufgestockter Gelder des Schulministeriums zur Förderung der Roma-Ausbildung an Mittel- und Hochschulen konnte bisher keine sichtbare Wende erzielt werden. Und das, obwohl sich einige Städte und Gemeinden im schulischen Bereich durchaus Mühe geben, so Kocáb. Als große Hürde erweist sich weiterhin die Einstellung der Mehrheitsgesellschaft – ihre Denkstereotype und Vorurteile gegenüber den Roma.
Als „sehr kompliziert“ bezeichnet Kocáb die Situation der Roma in den Bereichen Beschäftigung, Wohnen und Kriminalität. Der jüngsten internationalen Studie der Weltbank zufolge hat mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Roma in Tschechien keine Arbeit. Die Hälfte davon hat sich nicht einmal als arbeitslos bei einem Arbeitsamt gemeldet. Der Durchschnittslohn der beschäftigten Roma liegt knapp unter 42 Prozent des Landesdurchschnitts. Die eher negative Entwicklung der Roma-Lage bestätigte im Fernsehen auch Minister Kocáb, wenn auch etwas vorsichtig„Ich muss zugeben, dass sich die Situation auf einigen Gebieten vielleicht etwas verschlechtert hat. Es kam offenbar zu einem Anstieg des Rechtsextremismus. Diesen gab es zwar auch schon früher, aufgrund des unglücklichen Vorgehens einiger Städte und Gemeinden scheint er aber jetzt noch stärker hervorzutreten. Den Rechtsextremismus betrachten wir als eine höchst negative Erscheinung, doch würden sich die Roma nur von den Extremisten bedroht fühlen, gleichzeitig aber überall vom Staat und den Gemeindeverwaltungen unterstützt werden, würden sie ihre Situation als weniger schwierig empfinden.“
Der Minister gab ebenso zu, die Regierung befürchte, dass sich die öffentliche Meinung wegen der Visumpflicht für Kanada-Reisen gegen die Roma wenden könnte:
„Wir werden alles dafür tun, um erklären zu können, dass nicht die Roma, sondern wir alle die Schuld dafür tragen. Alle tragen wir die Verantwortung.“
Das Problem sei nicht neu. Es ist nicht seit zehn oder 50 Jahren da, sondern seit 700 Jahren. Daher kann es auch nicht in nur einem Jahr eine Lösung geben, sagte der Minister auf die Frage, wie man das Roma-Problem nun endlich aus der Welt schaffen wolle. Es bewege sich wie in einer sinusförmigen Wellenlinie. Die Situation sei also weder schlechter noch besser geworden.