Jiří Fajt - heißer Kandidat für den Chefsessel der Nationalgalerie
Im tschechischen Kulturbetrieb ist eine Revolution im Gange: Nach über zehn Jahren im Amt muss der umstrittene Direktor der Nationalgalerie, Milan Knížák, seinen Hut nehmen – eine Nachricht, die weit mehr ist als eine bloße Personalie. Kritiker fordern seit langem Knížáks Abberufung, sie werfen ihm vor, er habe die Nationalgalerie international in die Isolierung getrieben und namhafte Kunstkritiker vergrault. Weiter ist Knížák durch xenophobe Äußerungen an die Adresse von Roma-Künstlern in die Kritik geraten. Als neuen Direktor hat am Mittwoch (14.4.) eine international besetzte Auswahlkommission den Kunsthistoriker Jiří Fajt empfohlen. Kurz vor Bekanntwerden dieser Nachricht hat sich Silja Schultheis mit ihm im Foyer des Prager Kunstgewerbemuseums getroffen und ihn nach seinen Plänen für die Nationalgalerie und seine Sicht auf den bisherigen Ausstellungsbetrieb in Tschechien befragt.
Silja Schultheis: Herr Fajt, Sie sind von den sieben Bewerbern in der engeren Auswahl einer der heißen Kandidaten - nicht zuletzt wegen Ihrer Auslandserfahrung – Sie leben und arbeiten seit zehn Jahren in Deutschland – in Berlin und Leipzig. Vorher haben Sie in Prag mehrere Jahre die Sammlungen alter Kunst geleitet.
Mit welcher Vision für die Zukunft der Prager Nationalgalerie haben Sie sich um den Direktorenposten beworben?
Jiří Fajt:
Naja, das müsste man natürlich ein bisschen ausführlicher erklären. Aber wenn ich es kurz zusammenfassen soll, dann würde ich sagen, es geht mir um eine Internationalisierung der Nationalgalerie. Und damit meine ich nicht nur den Ausstellungsbetrieb, sondern auch die Mitarbeiter. Ich würde gerne einige ausländische Kollegen nach Prag holen. Und auch das Programm, das Angebot würde ich ein bisschen internationaler gestalten. Darum geht es mir, kurz gesagt.Silja Schultheis: Ja, Stichwort Ausstellungsbetrieb – das war ja einer der Hauptkritikpunkte an dem bisherigen Direktor, Milan Knížák, dass unter seiner Leitung die Ausstellungskultur in Prag sehr verarmt sei. Tschechen, die sich für Kunst interessieren, fahren heute nach Wien oder München in die Galerien, weil es in der Kulturstadt Prag keine nennenswerten Ausstellungen zu sehen gibt. Woran liegt denn das Ihrer Meinung nach?
Jiří Fajt:
Ja, das liegt an der Entscheidung Milan Knížáks, der von Anfang an gesagt hat, wir machen keine Sonderausstellungen, sondern konzentrieren uns auf die ständigen Sammlungen der Galerie – was er allerdings auch nicht wirklich getan hat. Die Präsentation der ständigen Sammlungen ist auch nicht unbedingt tiptop… Jedenfalls hat Milan Knížák völlig auf Sonderausstellungen verzichtet. Und das ist meiner Meinung nach einer der größten Fehler. Man weiß, dass jedes Museum eigentlich von Sonderausstellungen lebt. Man braucht sie, um die Besucherzahl zu erhöhen und aus dem Museum eine Plattform zu machen, wo die Leute auch über Kunst diskutieren können. Das ist leider in den letzten zehn Jahren in der Nationalgalerie nicht wirklich geschehen…Silja Schultheis: Eine weitere Kritik an Milan Knížák ist, dass er eigentlich von Anfang an durch politische Protektion im Amt ist und auch heute insbesondere von Staatspräsident Vaclav Klaus Rückendeckung bekommt. Deshalb haben sich mehrere Künstler und Kritiker auch dafür ausgesprochen, einen Ausländer als Direktor zu wählen, der fern jeglicher politischer Machenschaften in Tschechien ist. Wie stark ist denn eigentlich wirklich der politische Einfluss auf den hiesigen Kulturbetrieb?
Jiří Fajt:
Ja, also ich muss sagen, dass das, was in der Galerie unter Milan Knížák passiert ist, tatsächlich sehr bedauerlich ist. Er hatte wirklich sehr gute politische connections, die ihm auch geholfen haben, zehn Jahre lang auf diesem Posten zu verbringen. Die Ergebnisse, die er erzielt hat, waren eher problematisch. Ich meine, dass die Kulturinstitutionen selbstverständlich entpolitisiert werden sollten. Kurz nach der Wende von 1989 war der Druck der Politik auf die Kulturinstitutionen in Tschechien nicht so stark, das hat sich – was die Nationalgalerie anbelangt – erst durch Milan Knížák stark verändert.Silja Schultheis: Ein Dauerbrenner in der tschechischen Kulturpolitik ist die Finanzierung. Alle der vielen wechselnden Kultusminister der letzten Jahre haben erfolglos ein höheres Kulturbudget gefordert, trotzdem liegt es in Tschechien nach wie vor weit unter der Marge von einem Prozent des Staatshaushaltes, wie in anderen europäischen Ländern. Ist die Finanzierung ein Kernproblem; oder liegt der Hund Ihrer Meinung nach woanders begraben?
Jiří Fajt:
Die Kultur in Tschechien ist generell unterfinanziert, das ist schon ein Problem. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Institutionen sich nicht wirklich um Drittmittel oder zusätzliche Finanzierungsquellen kümmern. Man müsste stärker Fundraisingprogramme entwickeln. Was die Nationalgalerie anbelangt, funktioniert das bislang noch gar nicht. Die Nationalgalerie in Prag hat erstaunlicherweise wirklich keinen langfristigen Partner oder Sponsor. Sie gibt zwar an, welche zu haben, aber die geben der Galerie geradezu lächerliche Summen. Der Energiekonzern ČEZ zum Beispiel, der in Tschechien praktisch das Monopol in Sachen Energieversorgung hat, gibt der Nationalgalerie jährlich eine Summe von 300.000 Kronen (etwa 12.000 Euro), das ist wirklich nichts, bei der Größe und Wichtigkeit dieser Institution.Ich würde schon versuchen, in engere Kontakte mit dieser Szene zu treten und auf diese Weise die Finanzierung zu verbessern. Weil das ist natürlich lebenswichtig. Die Galerie braucht wirklich Geld und wenn man mit einem ambitionierten Programm kommt, wie ich es in meinen Augen vorgeschlagen habe, muss man auch die entsprechende Finanzierung dazu haben, sonst funktioniert’s nicht.
Silja Schultheis: Wenn sich Kultusminister Václav Riedlbauch für Sie als Nachfolger von Milan Knížák entscheidet – was sind Ihre ersten Schritte, wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf für die Nationalgalerie?
Da müsste ich vor allem erstmal mit Kollegen in Deutschland drüber sprechen, denn die Entscheidung kann ich eigentlich nicht allein treffen. Das wäre das Erste. Und wenn ich das annehmen sollte, müsste ich auch ein entsprechendes Team zusammenbringen. Und das wäre natürlich nicht ohne ausländische Kollegen möglich. So stelle ich mir das vor.Jiří Fajt:
Silja Schultheis: Sie würden das Personal auswechseln?
Jiří Fajt: Auf jeden Fall. Ich meine, dass die Leute, die jetzt in der Leitung der Galerie sind, wenig gezeigt haben. Und die Ergebnisse entsprechen nicht meinen Vorstellungen. Also von daher würde ich tatsächlich damit beginnen wollen, dass man die entsprechenden Leute herholt und mit dem neuen Team eine neue Ära der Galerie starten würde.
Silja Schultheis: Haben Sie mit Berliner Freunden und Kollegen schon einmal darüber gesprochen, ob sie Lust hätten, nach Prag zu kommen?
Jiří Fajt: Unverbindlich. Ich habe gewisse Vorstellungen, aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die bevor das tatsächlich zur Realität wird, die Posten vergibt, das mache ich nicht. Aber ich habe natürlich schon gewisse Vorstellungen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten. Ich hab auch ein paar Kollegen im New Yorker Metropolitan Museum of Art, die schon eine gewisse Bereitschaft gezeigt haben, auch nach Prag zu kommen.