„Josef Mysliveček, detto Il Boemo“: Ausstellung über den Barockkomponisten in Prag

Eine Ausstellung über das Schicksal des Barockkomponisten Josef Mysliveček ist derzeit im wieder eröffneten Palais Clam-Gallas in Prag zu sehen.

Petr Václav | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Vor kurzem erlebte der Film „Il Boemo“ von Regisseur Petr Václav in den tschechischen Kinos seine Premiere. Aus diesem Anlass wurde im Prager Palais Clam-Gallas eine Ausstellung über den Barockkomponisten eröffnet. Sie beschreibt das Schicksal und das Werk von Josef Mysliveček und zeigt ihn als eine international bekannte Persönlichkeit im Kontext der europäischen Geschichte und Kultur. Neben Mysliveček wird in der Schau auch an weitere namhafte Musiker seiner Zeit erinnert wie Wolfgang Amadeus Mozart und Christoph Willibald Gluck. In der Schau werden Originalkostüme aus dem Film „Il Boemo“ gezeigt. Zu sehen sind Filmaufnahmen, in denen renommierte Sängerinnen und Sänger in historischen Kostümen brillante Arien von Mysliveček vortragen. An der Zusammenstellung der Schau beteiligte sich auch Filmregisseur Petr Václav. Bei der Vernissage räumte der Filmemacher ein, es sei das erste Mal, dass er bei der Zusammenstellung einer Ausstellung half.

„Mein Traum ist es, einmal in Prag eine Dauerausstellung über Josef Mysliveček zu erleben. Ich bin davon überzeugt, dass sie auch für die Stadt und den Tourismus von Bedeutung wäre. Zudem würde sie Kenntnisse vermitteln. Ich halte die jetzige Ausstellung für einen ersten Schritt, nach dem vielleicht etwas viel Größeres folgen könnte.“

In der Ausstellung werden auf einer längeren Schautafel verschiedene Zusammenhänge der Zeit, in der Mysliveček lebte, erklärt, merkte der Regisseur an:

„Da diese Zusammenhänge nicht nur während des Lebens des Komponisten entstanden, beginnt die Zeitachse bereits im Jahre 1600 und endet mit dem Jahr 1799. Ich nehme an, dass die Informationen Interesse wecken werden. Wir waren bemüht, eine Auswahl von Fakten zusammenzutragen – diese betreffen die Kunst sowie die Wissenschaft. Wir wollten eine Vorstellung über die Zeit vermitteln, deren Bestandteil Josef Mysliveček war und in der er seine Werke schrieb.“

Vojtěch Dyk | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

An der Vernissage der Ausstellung nahm auch der Musiker und Schauspieler Vojtěch Dyk teil. Im Film „Il Boemo“ spielte er die Hauptroll

„Es sei vielleicht seine erste so intensive Filmarbeit gewesen. Er habe sich darauf lange vorbereiten müssen,“ sagte der Schauspieler.

Im Film spricht Dyk italienisch bis auf eine Ausnahme, als der Komponist seinen Zwillingsbruder in Prag besucht. Dyk spielte natürlich beide Brüder, die in Prag zusammentrafen.

„Wir mussten es so handhaben, dass ich zuerst als der erste Bruder und dann als der zweite Bruder gedreht wurde. Man muss sich mehr konzentrieren, um sich nicht in der einen Rolle wie die andere Person, die man gerade nicht spielt, zu verhalten.“


Václav Luks | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Musik für den Film nahm Václav Luks mit dem Ensemble 1704 auf. Nach der Vernissage entstand das folgende Gespräch mit dem Dirigenten und Musikwissenschaftler:

Herr Luks, Sie waren von Beginn an bei den Vorbereitungen des Films dabei: Wie ist die Idee entstanden? Sie haben ja mit dem Regisseur Petr Václav zusammengearbeitet…

"Petr Václav hat gefragt, was ich von der Musik von Josef Mysliveček halte. Das hat mich sehr überrascht, denn ich hatte keine Ahnung, dass er gerade einen Film vorbereitet. Auf die Frage hatte ich auch keine direkte Antwort parat, weil ich die Musik in ihrer Gesamtheit noch nicht so richtig kannte. Wir haben zu der Zeit eine Opernaufführung vorbereitet und überlegt, welches Stück von Mysliveček wir aufbereiten sollen. Dann haben wir zusammen begonnen, seine Musik zu erforschen, nach Italien zu reisen und dort die Quellen zu untersuchen. Diese gemeinsame Reise und die Zusammenarbeit mit ihm war für mich eine große Bereicherung. Ich war natürlich für die musikalische Seite verantwortlich, während er sich mit der Darstellung des Lebens im 18. Jahrhundert beschäftigt hat. Das alles kennenzulernen war für mich auch sehr interessant.“

Wie erklären Sie sich, dass Josef Mysliveček verglichen mit anderen Komponisten hierzulande weniger bekannt ist?

„Ich glaube, das liegt daran, dass er den wichtigsten Teil seines Lebens in Italien verbracht hat und mit diesem Land besonders verbunden war. Für das tschechische Publikum und die Musikwissenschaft war er nicht ‚tschechisch genug', weil er italienische Musik komponierte. Für die Italiener wiederum galt sein Werk als nicht ‚italienisch genug', weil er Tscheche war. Dazu kommt, dass sich sein Name vom Rest der Welt kaum aussprechen ließ. So auch von den Italienern. Deswegen haben sie ihn dann auch ‚Il Boemo' getauft.“

Was hat Sie während der Recherche am meisten überrascht?

„Ich kann kein besonderes Detail nennen, das mich besonders geschockt hätte. Es war aber wichtig für mich, die Arbeit von Petr Václav zu verfolgen und das Leben im Italien des 18. Jahrhunderts aus einer neuen Perspektive kennenzulernen. Wir als Musiker interessieren uns sonst natürlich in erster Linie für die Musik selbst, dabei ist auch interessant, in welchem gesellschaftlichen Umfeld, mit welchem Alltag die Komponisten lebten und wie das ganze ‚Opernbusiness' funktionierte. Dass das alles die Musik natürlich mitgeprägt hat, gerät oft in Vergessenheit. Ein Komponist wird zumeist viel zu isoliert betrachtet – als ein Künstler, der die Noten schreibt. Dabei waren sie auch normale Menschen, die gelebt, geliebt und geschlafen haben. Ich glaube, das wilde und abenteuerliche Leben von Mysliveček hat seine Musik geprägt, die – wie Mozart sagte – voll von Geist und Feuer ist.“

Es ist doch auch erstaunlich, wie schwer es damals war, als Komponist zu bestehen und  welche Abhängigkeit von Menschen bestand, die die Musik kaum verstanden…

„Natürlich war das Leben als Künstler hart, und es wird deutlich, wie sehr die Menschen in den Tag hinein gelebt haben. Sie dachten nicht an morgen, denn da könnten sie in Anbetracht der hohen Sterblichkeit durch Kriege und Krankheiten schon tot sein. Deswegen kennen wir so viele Geschichten von Mysliveček, Mozart und vielen anderen, die nach einem kurzzeitigen, guten Verdienst sehr tief gefallen und oft in Armut gestorben sind. Ich glaube, dieser Zugang zum Leben – dass man im Jetzt und in dieser Stunde denkt – war eine Lebenseinstellung, die uns heute fremd ist. Dennoch war sie damals sehr wichtig für die Kreativität der Menschen.“

Glauben Sie, dass der Film und die Ausstellung die Wahrnehmung von Josef Myslivečeks Werk auch im internationalen Maßstab fördern können?

„Ich glaube schon, dass der Film Interesse wecken wird. Jeder Zuhörer, der Myslivečeks Musik noch nicht kannte, wird mehr erfahren wollen. Trotzdem wird es natürlich nicht so sein wie bei Wolfgang Amadeus Mozart, denn wir leben durch das Internet in einer Zeit der Informationsüberlastung. Der einzigartige Effekt, den ‚Amadeus' erzeugt hat, lässt sich nicht wiederholen. Aber ich bin überzeugt, dass Myslivečeks Musik durch den Film und die Ausstellung belebt werden wird.“

Die Ausstellung „Josef Mysliveček, detto Il Boemo (1737–1781)“ ist im Prager Palais Clam-Gallas bis 29. Januar 2023 zu sehen. Das Palais ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

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