Jüdische Kulturtage München und Orgelkonzert am Rhein
Die 29. Jüdischen Kulturtage München bieten im November mit Konzerten, spannenden Ausstellungen und interessanten Lesungen ein breites Themenspektrum an. Am Programm beteiligt sich mit mehreren Beiträgen auch Tschechien beziehungsweise das Tschechische Zentrum in München. Außerdem geht das Zentrum mit seinen Aktivitäten zum ersten Mal nach Rheinland-Pfalz. Mehr erfahren Sie aus dem folgenden Gespräch mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý.
„Die Jüdischen Kulturtage München sind ein Festival der jüdischen Kunst oder von allem, was mit dem Judentum zu tun hat. Es wird organisiert von der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition, die Vorsitzende der Gesellschaft ist Ilse Ruth Snopkowski. Es handelt sich um eine Tradition, die für ganz Deutschland typisch ist, und zwar dass man versucht, die jüdische Kultur in einzelnen Städten bekannt zu machen und zu propagieren. Wichtig ist natürlich auch, dass man das Miteinander der vielen verschiedenen Kulturen, die es in Israel gibt, hier präsentiert. Das Festival ist nicht rein jüdisch, sondern eigentlich eine bunte Mischung. Ich finde es wichtig, in den heutigen Tagen und eben hier in München, wo die Flüchtlingswelle so stark ist – und das merken auch die Politiker –, die Tradition der Jüdischen Kulturtage zu bewahren und damit das Kulturangebot in München zu erweitern.“
Im Rahmen der 29. Jüdischen Kulturtage München veranstaltet das Tschechische Zentrum eine Ausstellung mit dem Namen „Sophies Entscheidung – Der tschechische Weg“. Dabei handelt es sich um den Namen des bekannten Buches von William Styron beziehungsweise der Verfilmung dieses Buches. Was zeigt die Ausstellung?„Sie zeigt die Lebensgeschichten von 80 jüdischen Kindern, die 1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren entflohen sind. Damals eigentlich noch legal, sie bekamen noch Pässe von den deutschen Behörden und konnten nach Dänemark ausreisen, wo neue Familien auf sie warteten. Die Kinder waren meistens etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Kuratorin und zugleich Autorin des zugleich entstandenen Buches ist Judita Matyášová. Sie hat die Lebensgeschichten der Schülerinnen und Schüler von damals verfolgt und zeigt in der Ausstellung ihre Schicksale – von der Geburt bis zu dem Augenblick, als sie sich getroffen haben. Nicht alle, aber manche von ihnen standen die ganze Zeit lang in Kontakt zueinander. Die Ausstellung will diese starken Schicksale, aber auch die enge Freundschaft der Schülerinnen und Schüler von damals zeigen.“
Wann beginnt die Ausstellung, wann findet die Vernissage statt? Ist die Autorin auch dabei?„Ja, Judita Matyášová kommt zur Vernissage. Sie ist in der kommenden Woche, am Donnerstag, den 12. November um 19 Uhr. Heute ist übrigens die Ausstellung bei uns eingetroffen, aus Düsseldorf. Wir haben eine Woche Zeit, um sie vorzubereiten.“
Ich ergänze noch: Zur Ausstellung „Sophies Entscheidung – der tschechische Weg“ entstand auch der Bestseller „Freundschaft trotz Hitler“ in tschechischer Sprache. Das Buch wurde nun unter dem Titel „Nach Norden“ verfilmt. Und der Film wird begleitend zur Ausstellung am 16.11. im Gasteig gezeigt. Treten auch noch einige der Kinder von damals in dem Film auf?
„Es ist wirklich ein sehr neuer Film, der erst vor einem Monat Premiere hatte. Judita Matyášová ist eine der Regisseurinnen. Ich habe den Film bisher nicht gesehen, aber soweit ich aus den Unterlagen weiß, werden darin die gesamten Lebensgeschichten der Kinder geschildert. Man konzentriert sich aber auf vier von ihnen: Die Filmemacher haben auch ihre Pflegefamilien in Dänemark, in Schweden und in Israel besucht und mit ihnen gesprochen, damit der Zuschauer ein komplexes Bild ihrer Schicksale bekommt.“Unter dem Namen „Zuflucht in der Musik“ findet auch ein Kammerkonzert im Rahmen der 29. Jüdischen Kulturtage statt. Was spielt das Prager Janáček-Trio in München?
„Das Konzert findet am 19. November statt. Wichtig ist der Austragungsort, und zwar der kleine Konzertsaal im Gasteig, das ist eine prestigevolle Adresse. Wir sind sehr froh, dass es gelungen ist, dieses Konzert zu organisieren. Das Janáček-Trio spezialisiert sich auf die sogenannten Theresienstädter Komponisten, die eben in diesem Konzert vorgestellt werden. Das Trio spielt eine Suite für Piano von Pavel Haas. Weiter Gideon Klein, der nicht in Theresienstadt ermordet wurde, sondern weiter nach Auschwitz und Fürstengrube gehen musste, und Erwin Schulhoff. Die Komponisten, die wir präsentieren, wurden alle im Zweiten Weltkrieg ermordet. Nur Petr Eben, dessen Werk auch im Programm des Konzerts steht, hat das KZ Buchenwald überlebt. Eigentlich muss ich noch sagen, dass diese Gruppe der Theresienstädter Komponisten ein bedeutendes Kapitel in der Musikgeschichte ist. Ihre Mitglieder waren meistens deutsche Juden, die in Prag oder im Sudetenland lebten und nach Theresienstadt verschleppt wurden. Dort entwickelten sie eine ganz spezifische Periode in der Geschichte der klassischen Musik. Und neben diesen jüdischen Komponisten wird auch ein Klaviertrio von Dmitrij Schostakowitsch gespielt.“Das wäre ihr Beitrag zu den Jüdischen Tagen. Es werden sich aber auch andere Musiker im November und im Dezember in München präsentieren. In einigen Kirchen der Stadt wird bis zu Weihnachten tschechische Musik zu hören sein…„Ja, der Dezember bei uns ist ganz stark der Musik gewidmet. Wir fangen schon am 20. November mit den Biblischen Liedern von Antonín Dvořák an. Die tschechische Mezzosopranistin Olga Černá wird sie in der Altkatholischen Pfarrkirche St. Willibrod in der Blumenstraße in München singen. Wichtig ist, dass nicht nur Dvořák gespielt wird, sondern auch Josef Bohuslav Foerster, der in Deutschland nicht so bekannt ist. In München haben wir noch ein Weihnachtskonzert, es findet im Rahmen einer schon traditionsreichen Zusammenarbeit mit der Katholischen Mission in München am 13. Dezember in der Kirche Sankt Stephan am Südfriedhof statt. Wir haben dafür den Kinderchor Žďáráček aus Žďár nad Sázavou / Saar eingeladen. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, ein Orgelkonzert nicht in Bayern, sondern Rheinland-Pfalz zu organisieren. Es ist eigentlich die historisch erste Veranstaltung vom Tschechischen Zentrum München in Rheinland-Pfalz, und zwar in der Stadt Bingen nicht weit von Mainz. In der Basilika St. Martin spielt Michal Hanuš von der Kathedrale in Kutná Hora / Kuttenberg, weil Bingen und Kutná Hora Partnerstädte sind.“