Jüdisches Museum begeht hundertjähriges Jubiläum

Der alte jüdische Friedhof

Der alte jüdische Friedhof oder die Altneu-Synagoge sind historische Sehenswürdigkeiten, die sich kaum ein Tourist während seines Prag-Besuchs entgehen lässt. Sie gehören ähnlich wie weitere altehrwürdige Objekte - organisatorisch betrachtet - zum Prager Jüdischen Museum. Wie wir Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, in unseren Sendungen bereits informiert haben, begeht das Museum in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum. Mehr dazu erfahren Sie im folgenden "Spaziergang durch Prag" von Lothar Martin und Martina Schneibergova.

Anlässlich des runden Jahrestags hat das Jüdische Museum in Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Institutionen ein umfassendes Programm unter dem Motto "Ein Jahr mit der jüdischen Kultur" vorbereitet. Nach den Worten von Museumsdirektor Leo Pavlat symbolisiert das Museum mit seiner Historie die moderne Geschichte der tschechischen Juden. Aus diesem Grund wollten die Mitarbeiter des Museums das Jubiläum nicht nur mit einer einmaligen Veranstaltung begehen. Von den diesbezüglich angesprochenen Kulturinstitutionen und ausländischen Vertretungen haben genau 100 Einrichtungen ihre Teilnahme zugesagt. Vorträge, Ausstellungen und Theatervorstellungen werden daher das ganze Jahr hindurch nicht nur in Prag, sondern auch in vielen anderen tschechischen Städten sowie in einigen Tschechischen Zentren im Ausland stattfinden. Leo Pavlat über das Programmangebot:

Leo Pavlat  (Foto: Jana Sustova)
"Einen hohen Stellenwert haben die Veranstaltungen, die zum Jahrestag von unserem Museum vorbereitet werden. Es handelt sich um thematische Ausstellungen, die in der Robert-Guttmann-Galerie stattfinden werden. In Zusammenarbeit mit dem Museum der Hauptstadt Prag wird eine große Ausstellung über das Prager Ghetto veranstaltet. Außerdem möchte ich auf eine Reihe von Diskussionsabenden aufmerksam machen, die im Jüdischen Bildungs- und Kulturzentrum in Prag organisiert werden. Anlässlich des 100. Gründungstags des Museums wollen wir eine Zweigstelle des Jüdischen Bildungs- und Kulturzentrums in Brno / Brünn errichten, die zu einem Jüdischen Zentrum werden soll. Dort werden neben Kulturprogrammen auch Bildungsprogramme für Schulen angeboten."

Es ist unmöglich, alle der geplanten Veranstaltungen aufzuzählen, sagte der Museumsdirektor. Etwas ganz Neues wird seinen Worten nach das geplante Festival der Klezmer-Musik sein, das im Rahmen des alljährlichen internationalen World-Musik-Festivals "Respect" stattfinden wird. Eine einzigartige Musikveranstaltung wird Pavlat zufolge ein Konzert sein, bei dem sich im Rahmen des europaweiten Projektes ´Hör meine Stimme´ am 20. Juli Kinderchöre aus Deutschland, Großbritannien und Tschechien in der Prager Staatsoper vorstellen werden.

Der international bekannte tschechische Schriftsteller Ivan Klima, dessen Bücher unter anderem auch ins Deutsche übersetzt wurden, machte sich bei der Präsentation des "Jahres mit der jüdischen Kultur" Gedanken darüber, weshalb man sich gerade für die jüdische Kultur interessieren sollte. Er sieht dafür vor allem den folgenden Grund:

"Insbesondere in der heutigen Zeit, die sehr extensiv ist, und in der das Interesse für Literatur nachlässt, sind die jüdische Kultur oder die jüdische Tradition wichtig. Das jüdische Volk wurde immer als das Volk des Buches bezeichnet. Die Bildungs- und Lesertradition ist unter dem jüdischen Volk sehr stark verankert, und zwar genauso wie sie noch vor kurzem unter dem tschechischen Volk verbreitet war. Das Buch hatte für die Geschichte des jüdischen und des tschechischen Volkes eine große Bedeutung."

Der Schriftsteller räumte ein, es tue ihm leid, dass diese Bedeutung immer nachzulassen scheint.

Bei der Zusammenstellung des Programmsangebots für das "Jahr mit der jüdischen Kultur" haben die Mitarbeiter des Museums, so Leo Pavlat, folgendes festgestellt:

"Es hat sich gezeigt, dass die jüdische Thematik im Repertoire der tschechischen Theater sowie in den Programmen weiterer Kulturinstitutionen unverfälscht vertreten ist, und dass sie sich eines großen Interesses erfreut. Ich hoffe, dass das ´Jahr mit der jüdischen Kultur´ und die Feierlichkeiten zum 100. Gründungstag unseres Museums das kulturelle Leben in der Tschechischen Republik enorm bereichern und dass beide Events auf die humanistische Botschaft der jüdischen Kultur aufmerksam machen werden."

Das Jüdische Museum in Prag wurde 1906 als das drittälteste jüdische Museum in Mitteleuropa gegründet. Davor wurden nur die jüdischen Museen in Wien (1895) und in Frankfurt (1897) gegründet. Den unmittelbaren Anlass für die Errichtung des Prager Museums stellte der Umbau der Judenstadt dar. Man bemühte sich, die einzigartigen jüdischen Sehenswürdigkeiten zu retten. Es handelte sich damals vor allem um Gegenstände aus der Zigeuner-Synagoge (Cikanska synagoga) und aus der Großhof-Synagoge (Velkodvorska synagoga), die im Mai 1906 abgerissen wurden. Eine wichtige Rolle bei der Gründung des Museumsvereins spielte der Hebraist Dr. Salomon Hugo Lieben (1881-1942), der damals sein Studium an der Prager Universität beendete. Geholfen hat ihm Dr. August Stein (1854-1937), ein namhafter Vertreter der jüdischen Bewegung in Böhmen und späterer Vorsitzender der Prager Jüdischen Gemeinde.

Das Statut des "Vereins zur Gründung und Erhaltung des Jüdischen Museums in Prag" wurde am 29. August 1906 gebilligt. Die Aufgabe des Vereins war es, vor allem künstlerisch gestaltete jüdische Kultgegenstände sowie Archivalien, Handschriften und alte Drucke, die die jüdische Geschichte betrafen, zu sammeln, aufzubewahren und auszustellen. Der Verein sollte auch Bilder von jüdischen Sehenswürdigkeiten und Persönlichkeiten sammeln, falls sie aus den böhmischen Ländern stammten. Diese regionale Orientierung war nach Liebens Vorstellungen das Spezifische an dem neu gegründeten Prager Museum. Damit hat seine Sammlung an historischer Bedeutung gewonnen.

Das Museum hatte seine Sammlungen zuerst 1907 in der Benediktska-Straße Nr. 5 untergebracht. Dort wurde 1909 auch die erste provisorische Ausstellung installiert. Eine neue ständige Ausstellung des Museums wurde am 28. April 1912 in der ersten Etage des neuen Gebäudes der Prager Beerdigungsbruderschaft in der Siroka-Straße Nr. 7 (früher Josefstädterstraße) eröffnet. Der Hauptsaal wurde mit dem einer Synagoge entsprechenden Interieur gestaltet. Weitere Räumlichkeiten dienten als Lapidarium und als Schatzkammer, in der die wertvollsten silbernen Gegenstände, Handschriften und Drucke aufbewahrt wurden. Der erste Museumsführer durch die Ausstellung wurde 1924 herausgegeben.

Über die weitere Geschichte und Gegenwart des Prager Jüdischen Museums werden wir Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, in einer der nächsten Ausgaben des Spaziergangs durch Prag informieren. Das Prager Jüdische Museum ist das am meisten besuchte Museum in ganz Tschechien. Wenn Sie wissen, welche Synagogen zu diesem Museum gehören, können Sie uns das schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage zur Sendung, für deren richtige Beantwortung Sie ein Souvenir aus Prag gewinnen können. Es genügt, wenn Sie drei dieser Synagogen nennen.

Ende November fragten wir Sie nach dem Palais, in dem ursprünglich die Sammlungen des heutigen Nationalmuseums aufbewahrt wurden. Es handelte sich um das Palais Sternberg auf dem Hradschin. Eine CD geht diesmal an Gerbrandt Liefhebber aus Langenfeld.