Kein Silvesterfeuerwerk wegen Amoklauf vom 21. Dezember? Tschechische Kommunen sind uneins
In Tschechien ist es Tradition, dass auch Städte und Gemeinden selbst ein Feuerwerk zu Silvester veranstalten. Nicht selten findet dieses erst am frühen Abend des Neujahrstags statt oder – andersherum – sogar schon kurz nach Sonnenuntergang an Silvester. Das soll ermöglichen, dass auch Kinder in Begleitung ihrer Eltern in den Genuss des Spektakels kommen. Wegen des Amoklaufs an der philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität mit 14 Toten kurz vor Weihnachten verzichten jedoch einige Kommunen diesmal auf das Feuerwerk. Sie folgen damit einem Aufruf von Innenminister Vít Rakušan (Bürgermeisterpartei Stan). Doch manche Städte und Gemeinden wollen bei ihrer Tradition bleiben.
Der Minister wandte sich an alle Menschen im Land und bat, diesmal keine Böller zu zünden. In diesem Sinn schrieb er auch einen offenen Brief an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Beides erschien über den Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Der Ressortchef begründete seinen Aufruf mit den möglichen Traumata der Überlebenden und Hinterbliebenen nach der Gewalttat. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks fügte Rakušan hinzu:
„Nach dem Schock, den wir durchmachen mussten, schadet es sicher nicht, weniger Krach und Böller zu haben. Ich verfüge als Minister nicht über die Kompetenzen, so etwas zu verbieten, und ich will das auch gar nicht. Ich halte diesen Appell aber als Mensch, der sehr nah an den Ereignissen war, für notwendig. Es handelt sich jedoch nicht um einen General-Erlass des Innenministeriums.“
Der Regierungspolitiker fügte noch an, dass die Polizei bereits mehrfach ausrücken musste, weil Menschen die schon in den vergangenen Tagen gezündeten Silvesterböller für Schüsse gehalten haben.
Im Dorf Hvožďany / Hwoschdian in Südböhmen rannte Rakušan mit seinem Aufruf offene Türen ein…
„Schon am Freitag, den 22. Dezember, haben wir im Gemeinderat beschlossen, unser Feuerwerk am Neujahrstag abzusagen. Wir hielten es nicht für angebracht zu feiern, wenn Dutzende oder sogar mehrere Hundert Familien unglücklich und von den Ereignissen an der Prager Karlsuniversität betroffen sind“, sagte Bürgermeisterin Markéta Balková (parteilos).
Zahlreiche Städte und Gemeinden haben wiederum den Appell des Innenministers erhört und kurzfristig umgeplant. Miroslav Žbánek ist Oberbürgermeister von Olomouc / Olmütz (Partei Ano) und erläuterte die Stimmung in der mittelmährischen Stadt:
„Olmütz hat eine Universität, die Partnerin der Prager Karlsuniversität ist. Wir haben ebenso eine philosophische Fakultät, und die Studierenden und Lehrenden dort kennen ihre Kommilitonen und Kollegen in der Hauptstadt. Das heißt, Mitgefühl und auch Schmerz sind hier sehr viel intensiver als in anderen Städten, die diese Verbindung nicht haben.“
Tatsächlich wollen viele Kommunen in Tschechien aber nicht auf das Feuerwerk zum Jahresabschluss verzichten. Dabei spielt keine Rolle, welche politischen Kräfte jeweils das Sagen haben. Petr Nedvědický ist Oberbürgermeister von Ústí nad Labem / Aussig, gehört wie sein Kollege aus Olmütz der Partei Ano an und sagt aber:
„Manchmal muss man den Menschen wenigstens einen schönen Moment ermöglichen. Da das Feuerwerk in Ústí Tradition hat und jedes Jahr von mehreren Zehntausend Besuchern verfolgt wird, haben sich die Leute es verdient.“
Der Bürgermeister des dritten Stadtbezirks von Plzeň / Pilsen, David Procházka (Partei Ano), zeigte sich sogar erbost über den Aufruf des Ministers.
„Das Feuerwerk ist eines der wenigen Dinge, die bei den Menschen – angesichts der negativen Nachrichten, die auf sie einprasseln – die Stimmung zum Jahresbeginn ein wenig anheben können. Den Aufruf von Minister Rakušan halte ich für populistisch, er spaltete die Gesellschaft“, so Procházka.
Weitere Städte und Gemeinden behaupten, sie seien an Verträge gebunden und könnten nicht einfach so ihre pyrotechnische Darbietung absagen. Entsprechend äußerte sich etwa Alexander Terek (parteilos), der Bürgermeister von Horní Slavkov / Schlaggenwald in Nordwestböhmen:
„Das Feuerwerk an Neujahr findet statt, auch wenn ich den Aufruf des Ministers registriert habe. Aber solche Dinge werden lange im Voraus in Auftrag gegeben und bezahlt. Wir werden die Veranstaltung jetzt nicht in letzter Minute absagen.“
Manche Kommunen haben allerdings ohnehin in den vergangenen Jahren ihr Silvesterfeuerwerk abgeschafft. So zum Beispiel Prag, wo außerdem in der Innenstadt seit 2020 ein allgemeines Verbot für Pyrotechnik gilt. Dahinter stehen vor allem Sicherheitsgründe. Andere Gemeinden sind wiederum zu leisen Effekten übergegangen – das bedeutet keine Böller, sondern ein geräuschreduziertes Farbenspiel am Himmel.