Kinder in der Schuldenfalle – Prag handelt nun

Illustrationsfoto: Alexandra Koch, Pixabay / CC0

Schwarzfahren und überzogene Handyrechnungen, aber auch nicht bezahlte Müllgebühren – das sind die drei Hauptgründe, warum tschechische Kinder tief in die Schulden rutschen. Im Jahr 2017 lebten deswegen fast 6000 Minderjährige hierzulande in Pfändung. Nachdem Menschenrechtsorganisationen bereits seit vielen Jahren gegen diese Praxis protestieren, hat sich die Regierung jetzt zu Änderungen durchgerungen.

Illustrationsfoto: Alexandra Koch,  Pixabay / CC0

www.zadluzenedeti.cz
Es sind Fälle wie der von Michaela, dokumentiert auf der Website www.zadluzenedeti.cz. Mit 16 Jahren will sie wegen eines Nebenjobs ein Konto eröffnen. Doch sie erfährt, dass gegen sie eine Pfändungsklage läuft, denn mit neun Jahren ist sie einmal schwarzgefahren. Zudem hat ihr Vater bei einem Handyanbieter auf ihren Namen einen Vertrag abgeschlossen, aber nicht bezahlt. Die Zinsen haben sich mittlerweile aufaddiert, und Michaela sitzt auf einem Berg Schulden, von dem sie alleine nicht mehr runter kann: 130.000 Kronen (5000 Euro) sind es.

Vielen Kindern geht es ähnlich, dabei sind sie noch nicht einmal 15 Jahre alt. Den Statistiken nach wurden im Jahr 2017 hierzulande 3500 Pfändungsverfahren gegen solch junge Menschen geführt. Mittlerweile sind auch die tschechischen Politiker aufgeschreckt. So etwa der christdemokratische Abgeordnete Jan Bartošek:

Jan Bartošek  (Foto: Jan Bartoněk,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Diese harte rechtliche Auslegung widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Es müsste eigentlich normal sein, dass die Eltern für die Schulden ihrer Kinder zahlen. Es liegt dann an Vater und Mutter, wie sie zu Hause das Problem behandeln.“

Eine extreme Regelung betrifft den Einzug von Abfallgebühren. Einige Kommunen stellen die Rechnungen für jedes einzelne Familienmitglied aus – selbst wenn es sich um ein zweijähriges Kind handelt, das weder lesen noch rechnen kann. Erst vor einiger Zeit hat das Verfassungsgericht das für unzulässig erklärt. Doch einige Gemeinden haben diese jahrelange Praxis trotzdem nicht aufgegeben.

Abgeordnete von Regierung und Opposition haben sich nun aber zusammengetan. Sie wollen die Rechtslage ändern. Am Montag hat das Kabinett die Gesetzesinitiative aus der Feder der sozialdemokratischen Ex-Bildungsministerin Kateřina Valachová beurteilt.

Patrik Nacher  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Antragsteller schlagen eine Altersgrenze vor, so sollen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr die Schulden der Kinder auf die Erziehungsberechtigten übergehen. Die Regierung hat dem zugestimmt“, so Premier Andrej Babiš (Partei Ano).

Neben der Partei Ano und den Sozialdemokraten unterstützen auch die Christdemokraten und die Piraten das Vorhaben. Dieses wirft jedoch Fragen auf: Warum wurde eine so niedrige Altersgrenze gewählt? In Deutschland liegt sie beispielsweise erst bei 18 Jahren. Patrik Nacher ist Abgeordneter von Babišs Partei Ano und Fachmann für die Problematik von Privatinsolvenzen:

„Wir haben uns für die Altersgrenze entschieden, weil die jungen Menschen ab 15 Jahren den Personalausweis bekommen und ihre ersten Jobs annehmen dürfen. Das heißt, sie können in bestimmten finanziellen Angelegenheiten bereits selbst entscheiden. Ein 17-Jähriger ist anders als jemand mit 14 Jahren.“

Illustrationsfoto: Myriams-Fotos,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED
In Tschechien beginnt mit 15 Jahren auch schon die Strafmündigkeit. Immerhin sind da ebenfalls Änderungen geplant. Laut Nacher sollen Jugendliche zukünftig bei Rechtsverfahren stärker geschützt werden. Genaueres verriet der Abgeordnete aber nicht. Was aber geschieht mit all jenen Minderjährigen, die jetzt schon auf einem Berg Schulden sitzen?

Dazu möchten die Abgeordneten auch ans Insolvenzrecht ran. Dieses erhält ab Juni ohnehin schon einen Passus, der „besonders verletzliche Personen“ schützt, wie es heißt.

„Das bezieht sich bisher auf Senioren und Menschen mit körperlicher Behinderung. Sie können innerhalb von drei Jahren entschuldet werden, ohne dass sie sich auch nur mit einem Prozent daran beteiligen. Das Gesetz, wie es bereits verabschiedet ist, bezieht bisher Kinder noch nicht ein. Wir haben uns damals gar nicht über sie unterhalten. Aber sicher wäre es gut, sie mit aufzunehmen in die Regelung“, sagt Patrik Nacher.

Allerdings müssen dann erst noch Abgeordnetenhaus und Senat entscheiden. Und einige Parlamentarier haben bereits wissen lassen, dass ihnen bestimmte Passagen im Gesetzentwurf nicht zusagen.