Kriminell bis in die Spitzen: Korruptionsskandal im tschechischen Fußball
Der tschechische Fußball hat in der vergangenen Woche einen harten Schlag erhalten: 19 Schiedsrichter sowie Funktionäre aus Verband und Vereinen wurden von der Polizei abgeführt. Sie sollen die Ergebnisse von zahlreichen Begegnungen in tschechischen Ligen bis hoch zur zweithöchsten Spielklasse beeinflusst haben. Die Staatsanwaltschaft spricht sogar von organisiertem Verbrechen.
Die Ermittler haben mitten in der Corona-Krise zugeschlagen, mitten im Lockdown bei ruhendem Spielbetrieb in allen Ligen. Am Freitag vergangener Woche führten Polizisten in Zivil unter anderem den stellvertretenden Vorsitzenden des tschechischen Fußballverbandes, Roman Berbr, ab. Er soll die Hauptfigur einer zwanzigköpfigen Gruppe sein, die jahrelang die Ergebnisse von Spielen beeinflusst hat. Der Zugriff erfolgte direkt am Verbandssitz in Prag sowie unter anderem beim Verein FC Slavoj Vyšehrad.
An dem Fall arbeitet eine Sondereinheit der tschechischen Polizei. Die Aufsicht über die Ermittlungen hat die Prager Oberstaatsanwältin Lenka Bradáčová:
„Die Nationale Zentrale für die Bekämpfung organisierten Verbrechens hat Ermittlungen gegen 20 Personen aufgenommen. Von diesen sind 19 von der Polizei vorläufig festgenommen worden. Bei den Ermittlungen geht es um Straftaten der Korruption, vor allem um die Bestechung und Annahme von Bestechungsgeldern. Einige der Festgenommenen sollen diese Straftaten für eine Gruppe des organisierten Verbrechens begangen haben.“
Am Wochenende konnten dann 15 der Verhafteten vorerst wieder nach Hause. Gegen die vier Hauptverdächtigen wurde jedoch Untersuchungshaft verhängt. Das sind neben dem Verbandsvize Berbr noch der sportliche Leiter des FC Slavoj Vyšehrad, Roman Rogoz, der Schiedsrichter Tomáš Grimm sowie der frühere Erstligaspieler Michal Káník.
Mit Bestechung zum Aufstieg
Die Polizei stützt sich bei ihren Ermittlungen auf neun konkrete Fälle von Korruption. Es sind Spiele in der zweiten und dritten tschechischen Liga, bei denen Bestechungsgelder geflossen sein sollen. Dadurch wurde dem damaligen Drittligisten FC Slavoj Vyšehrad zum Aufstieg verholfen. Die Tageszeitung Lidové noviny hatte Einblick in die Ermittlungsakten. Dort steht unter anderem:
„Roman Rogoz und Michal Káník (…) kontaktierten am 3. Mai 2019 den Fußballschiedsrichter Tomáš Grimm und boten ihm eine nicht genau feststellbare Geldsumme an, falls er mit seinen Entscheidungen das anstehende Ligaspiel zugunsten des FK Dobrovice beeinflussen werde. Das hätte Punkteverluste für den SC Olympia Radotín bedeutet, einen direkten Gegner des FC Slavoj Vyšehrad im Kampf um den Aufstieg in die zweite Liga. Tomáš Grimm lehnte das Angebot nicht ab.“
In einem anderen Fall steht in den Akten auch eine konkrete Summe. So erhielt ein weiterer Schiedsrichter für seine Mithilfe in einer Drittligabegegnung mindestens 100.000 Kronen (3700 Euro). Der FC Slavoj Vyšehrad gewann damals 2:1 beim TJ Sokol Živanice. Nicht immer kam aber beim Versuch der Beeinflussung auch das erwünschte Ergebnis heraus, dann gab ein Schiedsrichter die Bestechungssumme auch mal wieder zurück.
13 Schiedsrichter und ihre Assistenten sind es insgesamt, gegen die die Polizei derzeit ermittelt. Roman Berbr sorgte zum Teil auch dafür, dass diese für die gewünschten Spiele nominiert wurden. Das heißt, er missbrauchte seine Stellung als Verbandsvize und griff in die Kompetenzen der ansonsten unabhängigen Schiedsrichterkommission ein.
Zwei Jahre lang liefen die Vorermittlungen der Polizei. Doch Berbr und Co. haben ihr Unwesen schon viel länger betrieben. Und darüber wurde nicht nur getuschelt. Auch intern fanden einige den Mut und wiesen auf mögliche unlautere Praktiken hin. Dazu gehört etwa Pavel Šedlbauer, der Vorstandsvorsitzende des Erstligisten FK Teplice. Wie er gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte, ist er immer wieder deutlich geworden:
„Bei der Versammlung der Vereinseigentümer beim Verband habe ich regelmäßig darauf hingewiesen. Aber nicht ein einziges Mal gab es eine Reaktion. Ich habe sogar schon mit dem früheren Verbandspräsidenten Miroslav Pelta darüber gesprochen. Die Sache zieht sich also schon lange hin.“
Ähnlich wie 2004
Es ist zudem nicht der erste Korruptionsskandal im tschechischen Fußball. 2004 gab es den großen Knall. Damals flog auf, dass zahlreiche Spiele in der ersten Liga beeinflusst worden waren. Zwar wollte keiner der Täter später seine Schuld eingestehen, doch verurteilt wurden sechs Vereinsmanager, ein Verbandsfunktionär und 14 Schiedsrichter. Vier Vereinen wurden Punkte abgezogen. Alle Beteiligten erhielten Betätigungsverbote im Fußball, einige sind aber nach Ablauf der Frist wieder in die Verbandsstrukturen zurückgekehrt.
Und es scheint, dass unterhalb der ersten Liga die Betrügereien weitergelaufen sind. So sagte der anerkannte Fußballkommentator Jaromír Bosák am Montag im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Ich denke, dass wir jetzt über die zweite und dritte Liga sprechen, weil sie einfach nicht so sehr im Fokus steht. Auch wenn in den Spielen der ersten Liga manchmal grauenhafte Dinge geschehen, ist dort die mediale Aufmerksamkeit viel zu groß, als dass sich verschleiern ließe, wenn hohe Bestechungsgelder fließen würden. In der ersten Liga wird eher mit Einfluss gehandelt. Aber die niederen Ligen sind ein Eldorado für solche Goldgräber, das steht außer Frage.“
Unter dem Druck der Anschuldigungen ist Roman Berbr am Wochenende von all seinen Funktionen im Verband zurückgetreten. Dasselbe tat auch seine Lebenspartnerin Dagmar Damková, die wie er zum zwölfköpfigen Präsidium gehört. Die frühere Fußballerin, die später erste tschechische Uefa-Schiedsrichterin wurde, behauptete jedoch, von den Machenschaften ihres Partners nichts mitbekommen zu haben.
Weitere Köpfe sind an der Spitze des Verbandes bisher nicht gerollt. Der Vorsitzende Marek Malík sagte nach einer außerordentlichen Sitzung des Präsidiums am Montag, er habe zwar auch selbst den Rücktritt erwogen, aber sich letztlich dagegen entschieden:
„Leider ist die Sache erst unter meiner Ägide aufgedeckt worden, obwohl es sie wohl schon länger gab. Es wäre jetzt aber feige zurückzutreten. Ich denke, es liegt jetzt an uns, die Schritte einzuleiten für eine Erneuerung des tschechischen Fußballs.“
Restliche Verbandsführung will bleiben
Zur Wahl stellen will sich Malík erst bei der regulären Neuwahl der Verbandsführung im kommenden Jahr. Zugleich empfahl er allen, Asche auf ihr Haupt zu streuen…
„Wir alle, die wir derzeit im tschechischen Fußball tätig sind, haben die nun bekannt gewordenen Taten zugelassen. Manche aufgrund eigener Fehler, andere haben aus Bequemlichkeit weggeschaut oder um sich die Finger nicht zu verbrennen. Weitere hatten einfach keinen Mut“, so der Verbandschef.
Diese Kollektivschuldthese hat Pavel Šedlbauer allerdings fast aus dem Sessel geworfen. Der Vorstandsvorsitzende des Erstligisten FK Teplice hält sie für unverschämt:
„Als ich das gehört habe, war ich vollkommen geschockt. Wie kann er es überhaupt wagen, so etwas zu behaupten? Das ist beleidigend, und zwar nicht vor allem mir gegenüber, sondern gegenüber allen Leuten, die schon seit langem darauf hingewiesen haben.“
Auch Kommentator Jaromír Bosák findet, dass es mit dem Rücktritt von Berbr und Damková nicht getan sein kann:
„Aus meiner Sicht sollte so schnell wie möglich eine außerordentliche Delegiertenversammlung einberufen und eine neue Führung gewählt werden. Sonst wird sich nichts ändern. Zwar wurde das Krebsgeschwür entfernt, das Roman Berbr bestimmt war. Aber es gibt Metastasen im ganzen Körper des Fußballs. Und die lassen sich nicht vom einen auf den anderen Tag entfernen. Außerdem können das auch nicht jene machen, die mit dem verbunden waren, was passiert ist, und die Praktiken zu einem gewissen Teil auch gebilligt haben. Denn mich überzeugen die Beteuerungen aus dem Verbandssitz nicht, dass man nichts davon gewusst oder zumindest geahnt habe und nicht im Bilde gewesen sei über die Seilschaften und ihre Taten.“
Bosák geht im Übrigen davon aus, dass schon bald weitere Details im Korruptionsfall bekannt werden. Weil die Beweislast erdrückend sei, dürften einige ihre Haut retten und sich als Kronzeugen anbieten wollen, so der Fachmann.