Die tschechischen Ärzte sind im europäischen Vergleich deutlich unterbezahlt und wollen dies nicht länger hinnehmen. Wie aber lassen sich ihre Gehälter aufstocken, ohne dass die Milliardenhohen Schulden der Krankenkassen noch weiter ansteigen und die Patienten Abstriche machen müssen? Diese Frage beschäftigt seit Monaten die Akteure im tschechischen Gesundheitswesen. Verschiedene Krisentreffen, zuletzt mit Ministerpräsident Jiri Paroubek am vergangenen Freitag, brachten bislang jedes Mal nur eine Vertagung des Problems. Silja Schultheis berichet.
Das tschechische Gesundheitswesen ist unglaublich kostspielig, haushoch verschuldet und eine geeignete Finanzierung bislang nicht in Aussicht. Und das schon seit Jahren. Denn seit der politischen Wende von 1989 hat das Gesundheitswesen nicht nur keine Reform erlebt - ihm fehlt auch ein wenigstens vages Konzept für eine solche Reform, von einer Vision schon ganz zu schweigen. Um die festgefahrene Situation zu lösen, hat Ministerpräsident Jiri Paroubek in der vergangenen Woche eine Reihe von Beratungen initiiert. Als Akteure wurden Minister, Krankenhäuser, Versicherungen, Ärzte-Gewerkschafen, die Ärztekammer und private Ärzte auf den Plan gerufen. Der Hauptstreitgegenstand: die Gehälter. Die Angestellten im Gesundheitswesen hatten sich nach früheren Äußerungen von Gesundheitsministerin Milada Emmerova Gehaltserhöhungen zum 1. Juli versprochen. Doch die dafür nötigen Mittel fehlen. Am Donnerstag zeichnete sich ein Kompromiss ab, als der Präsident der Tschechischen Ärztekammer, David Rath, der Ministerin anbot, die Gehaltserhöhungen erst Anfang 2006 in Kraft treten zu lassen. Doch die Krankenhäuser drohten sogleich damit, dass die Patienten in diesem Fall mit deutlichen Einschränkungen rechnen müssten. Rath seinerseits drohte daraufhin Regierungschef Paroubek an, dass die Sozialdemokraten ihre Wählerschaft unter den Ärzten verlieren würde, wenn die Regierung ihre Forderungen nicht erfülle. Ein Schritt, dem bei weitem nicht alle Ärzte zustimmen. Rath missbrauche seine Position, wenn er der Regierung auf diese Weise drohe, reagierte etwa die Koalition privater Ärzte. Rath selber jedoch verteidigte sein Vorgehen:
David Rath (Foto: CTK)
Das ist keine Drohung, sondern eine Feststellung von Tatsachen. Wenn Sie den Regierungschef über Stimmungen und Meinungen in einem bestimmten Teil der tschechischen Gesellschaft informieren, ist das ganz entschieden keine Drohung.
Jiri Paroubek reagierte gelassen auf den Brief des Ärztekammer-Präsidenten:
Ministerpräsident Jiri Paroubek (Foto: CTK)
Ich denke, dass war nicht ganz ernst gemeint. Solche Briefe nehme ich gar nicht wahr. Ich betrachte die Dinge eher sachlich als persönlich und die persönliche Seite behalte ich für mich.
Mehr noch: der Ministerpräsident zeigte sich optimistisch, dass sich innerhalb dieser Woche ein Kompromiss abzeichnet, mit dem alle Beteiligten zufrieden sein können, insbesondere die Patienten. Ein erneuter Versuch, einen solchen Kompromiss zu finden, wird am Freitag auf einer weiteren Krisensitzung mit den verschiedenen Akteuren aus dem Krisen-Gebiet Gesundheitswesen unternommen.