Kunderas symbolische Rückkehr
: Milan Kundera ist wohl der größte lebende tschechische Schriftsteller. 1975 emigrierte er nach Frankreich. Nach der politischen Wende von 1989 tat er sich aber schwer mit seiner ursprünglichen Heimat. Und diese tat sich schwer mit ihm. Nun haben Kundera und seine Frau Věra allerdings die tschechische Staatsbürgerschaft zurückerhalten.
„Milan Kundera mag keine Zeremonien und kein Pathos. Es lief daher sehr zivil ab. Aber es war zu erkennen, dass er daran Freude hat. Hochtrabende Reden gab es jedoch nicht“, so Drulák am Dienstag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
1979 bürgerte die damalige kommunistische Tschechoslowakei den Schriftsteller aus. Nur zwei Jahre später wurde Kundera französischer Staatsbürger. Und nach der politischen Wende fühlte sich der Schriftsteller nicht wirklich willkommen in Tschechien. Ein schwerer Schlag war für ihn, als ihm 2008 eine mögliche Stasi-Tätigkeit vorgeworfen wurde. Es schien, als habe sich Kundera von seinem Herkunftsland entfremdet. Denn ohnehin schreibt der Autor der „Unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ seit Mitte der 1990er Jahre seine Werke auf Französisch.
Warum aber waren er und seine Frau Věra also 40 Jahre nach der Ausbürgerung bereit zu einer symbolischen Rückkehr in ihre Heimat? Petr Drulák:„Derzeit ziehen die Kunderas etwas Bilanz. Und bei den Gesprächen mit ihnen habe ich festgestellt, wie stark ihre tschechische Identität immer noch ist. Das heißt, sie sind sich dieser sehr bewusst. Außerdem sehen sie, dass sie in Tschechien und unter den Menschen dort viele Freunde und Bewunderer haben.“
Den Impuls dazu, das Angebot einer erneuten tschechischen Staatsbürgerschaft anzunehmen, gab jedoch Premier Andrej Babiš. Als er im November vergangenen Jahres zu Besuch in Paris war, äußerte er den Wunsch, sich mit Milan Kundera und dessen Frau zu treffen. Tatsächlich kam es zu einer Zusammenkunft, drei Stunden saß man in einem Restaurant zusammen. Und Babiš sagte damals gegenüber tschechischen Medien:
„Milan Kundera wurde nach der Emigration ausgebürgert. Ohne dazu jetzt eine grundlegende Erklärung abzugeben: Mir ist der Gedanke gekommen, dass es schön wäre, wenn er diese zurückbekommt. Wobei ich selbst nicht weiß, wie das Prozedere dafür ist. Aber er hätte es auf jeden Fall verdient.“Kundera wurde übrigens noch zu Zeiten der Ersten Tschechoslowakischen Republik geboren. Das war am 1. April 1929 im mährischen Brno / Brünn. Der heute 90-jährige Schriftsteller ist in den vergangenen Jahren wohl nur noch selten in seine ursprüngliche Heimat gefahren. Und wenn, dann geschah dies inkognito. Sehr schade für seine Fans hierzulande ist, dass er die Übertragung seiner neueren Bücher ins Tschechische ausdrücklich verboten hat. In einem Beitrag für die Tageszeitung Právo am Dienstag schrieb Botschafter Drulák dazu, er habe Kundera schon mehrmals darauf angesprochen. Eine definitive Antwort auf das Warum habe er aber nicht erhalten, so der Diplomat. Vielleicht sei es eine gewisse Eitelkeit und ein Hang zum Perfektionismus, mutmaßt Petr Drulák.