Landtagswahl in NRW: Warnung für tschechische Sozialdemokraten
Auf die Wahlergebnisse in Nordrhein-Westfalen vom vergangenen Sonntag reagierten auch Medien und die Fachöffentlichkeit in der tschechischen Republik. Bára Procházková fasst die tschechischen Reaktionen zusammen:
Es war ein "politisches Erdbeben" - so bewerten die Kommentatoren mehrerer tschechischer Zeitungen den Ausgang der Landtagswahlen in Nordrhein Westfalen. Und dieses Erdbeben kann auch Folgen für die tschechische politische Szene haben, meint Robert Schuster vom Institut für internationale Beziehungen in Prag. Er sieht in den Ergebnissen der Wahlen in Nordrhein-Westfalen einen Denkzettel für die Reformpolitik der SPD, und das auch eine Warnung für die tschechischen Sozialdemokraten:
"Reformmut oder der Wille zu Reformen zahlt sich nicht aus. Das ist die Botschaft des vergangenen Sonntags, die Botschaft von den Wählern und das ist auch etwas, was für die tschechischen Sozialdemokraten eine gewisse Warnung darstellen könnte, weil sie auch versuchen, die sozialen Systeme zu reformieren."Nach Ansicht von Robert Schuster kann man eine direkte Reaktion der tschechischen Sozialdemokraten erwarten:
"Ich würde sagen, dass die Niederlage der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen bei den tschechischen Sozialdemokraten zu einer größeren Vorsicht führen wird, vor allem bezüglich der Reformpolitik. Denn der neue Regierungschef Paroubek hat in den letzten Tagen zu erkennen gegeben, dass er möglichst nirgendwo anecken will."
Einem Vergleich zwischen den tschechischen und deutschen Sozialdemokraten widmet sich der Kommentator der Tageszeitung Mlada fronta DNES, Martin Komarek. Beide Parteien kämpfen im Moment mit ähnlichen Problemen - mit einem kontinuierlichen Popularitätsverlust und mit einer Serie von Niederlagen. Während die deutsche SPD direkt in den Kampf gehen möchte und Neuwahlen anstrebt, einigen sich ihre tschechischen Kollegen um jeden Preis auf Kompromisse, und zwar gerade aus Angst vor möglichen Neuwahlen. Komarek nennt auch den Hauptunterschied der beiden Parteien:
"Ich sehe den Hauptunterschied darin, dass die tschechische Sozialdemokratie im Gegensatz zu der deutschen keine führende Persönlichkeit hat. Gerhard Schröder ist trotz aller Niederlagen, die er erfahren hat, ein guter und respektierter Politiker. Die tschechische Sozialdemokratie hat keine solche Persönlichkeit."
Komarek schreibt weiter, dass die deutschen Sozialdemokraten eine gewisse Sicherheit haben, da sie im politischen Spektrum auf der linken Seite eine feste und sichere Position einnehmen. Die tschechische Sozialdemokratie steht stets in einer Konkurrenz zu den Kommunisten, die in der Wählergunst immer weiter vorne liegen.
Des Weiteren betont die Tageszeitung Mlada fronta DNES, dass die instabile politische Situation in Deutschland Auswirkungen auf die Verhandlungen über den Haushalt der Europäischen Union haben könnte. Und dies wiederum hätte Folgen für die meisten europäischen Fonds, aus denen auch die Tschechische Republik finanzielle Unterstützung bezieht, so Mlada fronta DNES.
Die Tageszeitung Hospodarske noviny fügt hinzu, dass Neuwahlen in Deutschland kaum eine Veränderung bringen werden. Die entscheidende Frage ist nach Hospodarske noviny nicht die Tatsache, wer gewinnt, sondern ob der Wahlsieger weiß, welche Reformen die stagnierende Wirtschaft beleben und wie man diese Reformen der Bevölkerung am besten vermitteln kann.