Lea Brückner: Geigen für den Klimaschutz
Lea Brückner, geboren 1997 und wohnhaft in Düsseldorf, ist die Tochter einer Tschechin und eines Deutschen. Als Violinistin bringt sie nicht nur klassische und moderne Musikstücke auf die Bühne. Ihre Auftritte nutzt sie außerdem, um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Während der Corona-Zeit gründete sie die Initiative „Music for our planet“, und in Zukunft will sie auch in ihrer zweiten Heimat Tschechien ihre Konzerte mit Botschaft spielen. Im Interview mit Radio Prag International sprach Lea Brückner über die Verbindung des Themas Klima mit der Musik sowie über die Nachhaltigkeitsdebatten in Deutschland und in Tschechien.
Frau Brückner, Sie stammen aus einer tschechisch-deutschen Familie…
„Ja. Meine Mutter kommt gebürtig aus Tschechien und ist dort auch aufgewachsen. Mit knapp 18 Jahren ist sie dann nach Deutschland gekommen. Mein Vater stammt aus Deutschland.“
Sprechen Sie zu Hause Tschechisch?
„Ich bin zweisprachig aufgewachsen, weil meine Mutter damals noch deutlich besser Tschechisch sprach als Deutsch. Da mein Vater aber kein Tschechisch spricht, reden wir mittlerweile meistens Deutsch. Aber mit meiner Familie in Tschechien spreche ich weiterhin immer Tschechisch.“
Und treten Sie auch in Tschechien auf?
„Bisher meistens als Gast bei verschiedenen Konzerten. Ich habe hier viel mit Bohuslav Matoušek zusammengearbeitet, einem Professor an der Musikhochschule in Prag. Vergangenes Jahr habe ich zudem einen Meisterkurs bei Josef Špaček gemacht. Bisher war ich also Gast auf Konzerten. Ziel und Wunsch für die Zukunft wäre es aber, eine eigene Konzertreihe in Tschechien aufzubauen – auch mit dem Klimathema.“
Sie verbinden in Ihrer Arbeit klassische Musik mit den Themen Klima und Klimawandel. Wie funktioniert das?
„Ich habe vor einigen Jahren festgestellt, dass wir Musiker ein wichtiger Faktor sind im Wandel zu mehr Nachhaltigkeit. Denn wir haben alle eine Stimme, die wir viel mehr nutzen könnten. Wir spielen alle auf Podien, und die Leute hören uns zu. Ich glaube, dass viele Musiker sich immer noch viel zu sehr auf ihr Instrument reduzieren. Sie sind sich gar nicht dessen bewusst, dass sie auch eine Stimme haben, die sie für bestimmte Botschaften nutzen können. Natürlich schaue ich zudem, dass ich Werke ins Repertoire aufnehme, die Klima oder Natur thematisieren. Aber vor allen Dingen versuche ich, dies in einen Rahmen zu bringen, der dann als Performance zusammenpasst – sei es mit Bildern im Hintergrund, mit Lesungen oder durch Auftritte auf verschiedenen Kongressen oder großen politischen Veranstaltungen. Dort bringe ich Musik und meine Stimme zusammen und nutze sie für die Klimathematik.“
Welche Musik eignet sich denn am besten, um dieses Thema zu transportieren?
„Ich glaube, dazu eignet sich jede Art von Musik. Denn im Endeffekt werden durch Musik ja Gefühle geweckt. Gerade das Klimathema ist für viele immer noch eine sehr emotionale Angelegenheit. Und deswegen ist Musik ein sehr guter Projektor, um diese Thematiken zusammenzubringen. Die Musik dient als Medium, um für die Klimathematik zu sensibilisieren und die Menschen mit an Bord zu nehmen. Mit anderen Musikern kann man spezielle Programme erarbeiten und muss sich dabei gar nicht auf einen bestimmten Komponisten beziehen, der sich von der Natur hat beeinflussen lassen.“
Und spielen Sie dann eher Klassiker oder neuere Kompositionen?
„Ich mische sehr stark. Ich bin ein Freund des 20. und auch des 21. Jahrhunderts – eben von zeitgenössischen Komponisten wie etwa Aleksey Igudesman. Zusammen mit einem Gitarristen (Gábor Ladányi, Anm. d. Red.) arbeite ich aber gerade auch an einem neuen Projekt, wo es um eine Fusion aus Jazz und Klassik geht. Wir schreiben dafür klassische Werke wie etwa ‚Die vier Jahreszeiten‘ von Vivaldi um und setzen Jazz-Tonalitäten darunter. So bleibt die Geigenstimme komplett klassisch, aber alles klingt viel mehr nach Jazz.“
Mit dem ungarischen Gitarristen Gábor Ladányi sind Sie vergangenes Jahr beim World Food Forum aufgetreten...
„Er hat einst klassische Gitarre studiert, das ist seine Grundlage. In Brüssel studierter er dann noch Jazz. Gábor ist jetzt im Gypsy-Jazz zu Hause, spielt aber ebenfalls spanische Gitarre. So habe auch ich die Möglichkeit, viele verschiedene Stile mit ihm aufzuführen. Bei dem Auftritt war zudem ein Streichquartett dabei, und wir haben einen ‚Green Prelude‘ von Yuri Revich gespielt. Dies ist ein in Wien lebender Geiger, und er hat eine Green Music Collection geschrieben. Vor dem ‚Green Prelude‘ hatten wir beim Konzert noch eine Improvisation eingebaut, bei der Amazonas-Geräusche eingeflossen sind und über Lautsprecher in den Saal projiziert wurden. Mein Wunsch war, dass der Saal dazu komplett abgedunkelt wurde, damit man sich nur auf das Hören fokussieren konnte.“
Bei dem, was Sie tun: Kann man schon davon sprechen, dass es in Deutschland oder in Europa eine Bewegung gibt? Oder gibt es auch in Tschechien ähnliche Projekte?
„Wenn man Bewegung als etwas definiert, das schon in Bewegung ist, dann sind wir im Moment noch ganz am Anfang. Es nimmt aber zu, weil immer mehr junge Musiker auf den Podien sind, die bestimmte soziale oder gesellschaftliche Botschaften mitbringen. Da ist das Klimathema momentan natürlich auf Platz eins. Viele junge Festivals nehmen sich zudem dieses Themas an, auch in Tschechien. Und in Ostrava zum Beispiel wird die neue Philharmonie gebaut, die eines der nachhaltigsten Kulturgebäude in Europa, wenn nicht sogar weltweit werden soll. Also auch hier ist das Thema schon angekommen. Aber trotzdem glaube ich, dass da noch viel Luft nach oben ist. Denn gerade Manager, Festivals und auch Agenturen sehen es noch nicht als attraktiv an, Künstler mit Botschaften auf die Bühne zu holen. Sie meinen, das würde ihr typisches Abonnement-Publikum eher verschrecken. Da muss ich immer widersprechen. Ich glaube, gerade die junge Generation würde sich dadurch angesprochen fühlen. Dem Besucherschwund in der klassischen Musik könnte entgegengewirkt werden, wenn ein Thema auf die Bühne geholt wird, das gerade für junge Menschen gesellschaftlich relevant ist. Wenn man diese in den Konzertsaal bekommen will, muss man schauen, was sie beschäftigt und was sie umtreibt.“
Wie kommunizieren Sie denn mit ihrem Publikum und mit ihren Fans?
„Ich moderiere immer das gesamte Konzert und erkläre, was ich auf der Bühne zeige. Wenn ich klassische Stücke in der ursprünglichen Besetzung spiele, spreche ich darüber, wer der Komponist war und was er sich dabei gedacht hat. Denn man kann nicht von jedem Zuschauer erwarten, dass er eine 20-jährige Ausbildung in klassischer Musik hat. Darum ist mir diese Vermittlung sehr wichtig. Nur wenn man das Anliegen des Künstlers versteht, kann man dem auch wirklich folgen. Und dann ist man auch offen für diese Botschaft. Außerdem gehe ich gezielt auf politische Veranstaltungen, bei denen es um dieses Thema geht – wie etwa das Welternährungsforum oder in den Bundestag in Berlin, wo ich 2022 gesprochen und gespielt habe. Dort ist Musik das Medium, das meine Botschaft unterstützt.“
Werden die Themen Klima und Klimawandel in Tschechien und in Deutschland anders aufgenommen oder verarbeitet?
„Ich habe das Gefühl, dass gerade in der Politik und in der politischen Kommunikation der Druck in Deutschland höher ist als in Tschechien – vielleicht, weil Fridays for Future und öffentliche Demonstrationen in Deutschland sehr stark sind. Überraschenderweise finde ich aber in Tschechien in Drogeriemärkten mehr beziehungsweise andere nachhaltige Produkte. Dabei ist der theoretische Diskurs in Deutschland schon weiter, weil er auch schon länger andauert als in Tschechien. Trotzdem glaube ich, dass in beiden Ländern noch sehr viel Arbeit bevorsteht, um das Thema omnipräsent zu machen. In Deutschland gab es ja gerade das Geschehen um Lützerath und eine riesige Demonstration. Daran war zu sehen, dass die Bunderegierung im Moment wenig bereit ist, die richtigen Schritte einzuschlagen.“
Sie sprechen sich für klimaneutrale Konzerte aus. Wie würde das funktionieren?
„Mit dem Wort ‚klimaneutral‘ ist das ja immer so eine Sache, da muss man aufpassen. Weil die Technologie noch nicht da ist, kann bis jetzt noch nichts wirklich klimaneutral stattfinden. Ich versuche aber, immer mehr mit Veranstaltern und Intendanten von Konzerthäusern ins Gespräch zu kommen. Denn sie sind diejenigen, die beispielsweise Energieverträge eingehen. Das heißt, wenn ich ein klimaneutrales Konzert spielen möchte, dann geht das schon mal nur in einem Konzerthaus oder auf einem Festival, das grünen Strom bezieht. Ansonsten müsste ich wahnsinnig viele Ausgleichszahlungen tätigen, um die CO2-Emmissionen auszugleichen.“
Und was sind Ihre nächsten Pläne?
„Ich habe vor fast zwei Jahren eine Initiative namens ‚Music for our planet‘ gegründet, und das soll nun ein offizieller Verein werden. Es sind auch einige größere Veranstaltungen im politischen Rahmen geplant, für die ich als Sprecherin und Musikerin eingeladen bin. Dann steht an, dass ich die Botschafterin und das offizielle Gesicht einer europaweiten Tierschutzorganisation werde. Daneben werde ich einfach weiter versuchen, dieses Thema überall präsent zu machen. Und es wäre natürlich toll, wenn es wirklich zu Kooperationen mit Festivals oder großen Konzerthäusern kommt, damit dieses Format mit dem Klimathema und verschiedenen Künsten im Rahmen von ‚Music for our planet‘ auf die Bühne gebracht wird.“
Dann erklären Sie doch noch kurz, was „Music for our planet“ ist?
„Dies war ein Aufruf, den ich im März 2021 gestartet habe. Ich wollte Musikern die Chance geben, ihre Stimme trotz des Lockdowns zu nutzen und am Tag des globalen Klimastreiks eine Botschaft gegen den Klimawandel zu senden. Es haben dann Musiker wie Yuri Revich, die Stuttgarter Philharmoniker oder auch Mitglieder der Berliner Philharmoniker mitgemacht sowie weitere aus Österreich, der Schweiz oder aus England. Seitdem darf ich als Kopf dieser Initiative eben bei Veranstaltungen wie dem Welternährungsforum oder im Berliner Bundestag sprechen. Das möchte ich noch weiter ausbauen. Denn ich glaube, Musiker brauchen eine Plattform und nehmen sie gern in Anspruch, wenn sie da ist, um sich zum Thema Klima auch auszutauschen.“