Legendäres Extempore-Konzert 1979: 45 Jahre Punk in Tschechien

Rockband Extempore

Tot oder nicht? Ob der Punk noch lebt, darüber könnten Musikfans aller Generationen wohl vortrefflich streiten. Auch in der Tschechoslowakei kam die laute und rebellische Musikkultur in den 1970er Jahren auf. Eine genaue Geburtsstunde ist kaum zu bestimmen. Aber die gern erzählten Legenden kommen immer wieder auf ein Konzert zurück: jenes der Band Extempore am 23. Februar 1979 in der Prager Kneipe U Zábranských.

Die Band Extempore gab es bereits seit 1972. Sie spielte zunächst Folk-Rock, wurde mit der Zeit aber experimentierfreudiger. 1977 schaffte sie es mit ihren opulenten Rock-Opern sogar erstmals auf die Prager Jazz-Tage (PJD), einem Festival mit staatlicher Genehmigung, organisiert von der Jazz-Sektion des Musikerverbandes der ČSSR. Extempore waren live sehr aktiv, spielten regelmäßig in Prag und anderen Städten. Ihre Konzeptalben trugen sie dabei wie Theaterstücke vor und setzten bei der visuellen Umsetzung und dem Make-Up gern auf Schockeffekte.

Derart offen für ungewohnte und möglichst anstößige musikalische Experimente, nahmen Extempore – die zu der Zeit mit vollem Namen übrigens The New Rock And Jokes Extempore Band hießen – Songs in ihr Repertoire auf, die aus England zu ihnen hinüberschwappten. Dies passierte in kleinen, zufälligen Wellen. Denn offiziellen Zugang zur Rockmusik aus dem Westen hatte kaum jemand in der sozialistischen Tschechoslowakei. Bandleader Mikoláš Chadima berichtete vor einigen Jahren im Musikmagazin Uni, dass er zu seinem Glück mit Karel Habal befreundet war. Der Unterzeichner der Charta 77 und Musik-Fan war öfter in England und brachte von dort Punk-Platten mit. Zum ersten Mal die Sex Pistols zu hören, habe ihn jubilieren lassen, erinnerte sich Chadima.

Plexis | Foto: Offizielle Webseite der Band

Und so verpasste er einer Reihe der importierten Lieder tschechische Texte. Beim Extempore-Konzert am 23. Februar 1979 ertönten in der Kneipe U Zábranských im Prager Stadtteil Karlín dann Songs von britischen Punkbands wie Dr. Feelgood, The Stranglers, Wire, Generation X oder Magazine. Es soll das erste Mal gewesen sein, dass das Prager Publikum mit dieser musikalischen Neuigkeit aus Großbritannien konfrontiert wurde. In einer Hörerzuschrift an Radio Prag International vor drei Jahren wies Jiří Křivka allerdings darauf hin, er habe mit seiner Band Zikkurat schon 1978 bei Konzerten Stücke von The Stranglers, The Ramones oder den Sex Pistols gecovert.

Man kann annehmen, dass im tiefsten Sozialismus kaum Buch darüber geführt wurde, was damals in den Kellern, auf den Dörfern oder bei Partys geprobt und vor kleinem Publikum gespielt wurde. Der Punk jedenfalls hielt Ende der 1970er Jahre Einzug in die Proberäume und kleinen Clubs der Tschechoslowakei. Damals gründeten sich Bands, die bis heute spielen, so etwa Visací Zámek, E!E oder Tři Sestry. Eine wichtige Rolle im tschechischen Punk spielten auch Plexis. Die Band fand sich 1984 in Prag zusammen und löste sich erst auf, als im Januar vergangenen Jahres Bandgründer und Sänger Petr „Sid“ Hošek starb.

Autor: Daniela Honigmann | Quelle: Kulturní magazín Uni
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