Leipziger Buchmesse: Tschechische Autoren hoffen auf deutsche Übersetzung - so auch Formánek

Josef Formánek (Foto: databazeknih.cz)

Die Halle 4 der Leipziger Buchmesse – internationale Buchstände reihen sich aneinander. Am Stand C403 kommen Liebhaber tschechischer Literatur auf ihre Kosten. Jedes Jahr werden hier die aktuellen Trends vom Buchmarkt des Nachbarlandes vorgestellt. Zwischen dicken Schmökern stehen auch drei Bücher in kleinem Format, mit liebevoll bunt gemaltem Cover: Josef Formánek hat sie geschrieben. Er gehört zu den Bestsellerautoren Tschechiens und ist Teil der tschechischen Literaturlandschaft, die in Leipzig vorgestellt wurde.

48 Quadratmeter tschechische Literatur. Im Vergleich zu den insgesamt 65.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche der Leipziger Buchmesse klingt das wenig. Bücherregale, Vitrinen und Sitzgelegenheiten - der tschechische Gemeinschaftsstand war nicht gerade ein Blickfang. Dennoch fanden Liebhaber der tschechischen Kultur dorthin. Jana Chalupová hat den Stand mit konzipiert:

„Die tschechische Präsentation besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden Bücher vorgestellt, die dem tschechischen Kulturministerium am Herzen liegen. Bücher, die prämiert wurden, aktuelle Trends, die die jüngste Entwicklung in der tschechischen Literaturlandschaft zeigen. Der zweite Teil ist kommerziell. Es präsentieren sich tschechische Verlagshäuser, die auf ihre Bücher aufmerksam machen wollen. Dieses Jahr sind zwölf Verlage dabei. Das Repertoire reicht von Kinderbüchern, über Belletristik und Kunstbände, bis hin zur Fachliteratur.“

Josef Formánek  (Foto: databazeknih.cz)

Der Fokus des Gemeinschaftsstandes lag nicht auf Büchern, die bereits in Deutschland angekommen sind, sondern auf Literatur, die bis jetzt nur auf Tschechisch erhältlich ist. Das Ziel war dabei, deutsche Verlage auf die Werke aufmerksam zu machen. Bei den Lesungen mit tschechischen Autoren wurden einzelne Textausschnitte auf Deutsch übersetzt. Manche auch mit Bezügen zu Deutschland, erklärt Chalupová:

„Hier in Leipzig haben sich zwei Autoren vorgestellt, die auf die deutsch-tschechischen Beziehungen eingegangen sind. Die erste ist Kateřina Tučková mit ihrem Erstling ´Die Vertreibung der Gerta Schnirch´. Sie beschäftigt sich darin mit der Vertreibung der Brünner Deutschen. Das zweite Buch ist ´Nichts als die Wahrheit´ von Josef Formánek, der die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges verarbeitet.“

Das Buch von Josef Formánek trägt den Untertitel: „Ein brutaler Roman über die Liebe zum Leben“. Es handelt von einer Begegnung. Wie in dieser Textstelle aus dem Anfang des Buches „Nichts als die Wahrheit“ beschrieben:

„Deshalb stellte ich eines Tages voller Glück fest, dass in dieser gewaltigen weißen Ödnis jemand neben mir stand. Der Mann von der Müllhalde. Ich lächelte ihm zu, blieb stehen und fragte ihn, ob ich mit ihm gehen dürfe. […] dann sagte er: ´Na gut! Kommen Sie mit. Aber es wird Sie verändern.´ Er hat Recht gehabt. Es hat mich verändert. Beim Schreiben über seinen Lebensweg bin ich verrückt geworden. Die Erde hat unter mir gewankt, und ich hatte derartige Angst vorm Tod, dass ich keinen Schritt tun konnte. Ich bin sowohl vom Trinken, als auch von dieser Geschichte verrückt geworden. Sie hat mir getrotzt wie ein Felsblock.“

Solch eine Begegnung, wie sie der Ich-Erzähler hat, erlebte Formánek selbst:

„Ich liebe Dinge, die problematisch sind. Ich bin einem Menschen begegnet, der gebrandmarkt ist. Er war bei der SS. Vielleicht würde sich jemand anderes von ihm abwenden. Aber mich hat er fasziniert, ich wollte erfahren, was er für ein Mensch ist. Letztlich habe ich erfahren, dass unter der harten Kruste ein hervorragender Mensch ist. Mich hat auch fasziniert, was er alles durchgemacht hat. Er kämpfte in der deutschen, in der russischen und der tschechischen Armee. Er wurde Millionär, dann saß er im Gefängnis. Er war in eine Jüdin verliebt. Mich hat kurzum interessiert, was das für ein Mensch war. Als ich das Buch vorbereitet habe und mit ihm gesprochen habe, sprach er von sich selbst als Monster. Mein Eindruck ist anders. Ich glaube, dass er ein Mensch ist, der zwischen die Räder der Geschichte geraten ist und sein einziges Ziel war zu überleben.“

Der fliegende Jaguar

Diese Lebensgeschichte hat Formánek tatsächlich dann im Roman verarbeitet. Der Autor liebt es auch sonst, ungewöhnliche Inspiration zu suchen. Ein weiteres Beispiel ist sein zweites Buch, „Der fliegende Jaguar“, das er in elf Stunden und 19 Minuten in dem Schaufenster einer Buchhandlung schrieb und damit einen Weltrekord aufstellte.

„Was das Buch ´Der fliegende Jaguar´ betrifft - das war eine Wette. Es stimmt aber, dass ich es gerne habe, wenn ich nicht weiß, was hinter der Kurve ist, was auf mich zukommt. Es macht mir Spaß ein Buch zu schreiben und selbst überrascht zu sein, in welche Richtung es geht. Ganz bestimmt liebe ich Abenteuer und brauche Adrenalin, um Bücher schreiben zu können“, so der Autor.

Formánek hat sich schon immer vom Abenteuer leiten lassen. 1992 gründete er ein Magazin für Geografie und bereiste daraufhin über 30 Länder. Er lebte mehrere Monate auf der indonesischen Insel Siberut im Urwald, worüber er auch seinen ersten Roman „Der Mann mit den Brüsten und der Geschichtendieb“ schrieb. Josef Formánek:

„Ich beherrsche außer Tschechisch nur Russisch und die Sprache der Mentawai. Mentawai sprechen nur 2000 Leute im Urwald. Meine Frau sagt mir deshalb, dass ich der unpraktischste Mann der Welt bin. Ich solle lieber eine Weltsprache lernen. Englisch oder Deutsch. Ich bin also immer auf Übersetzungen angewiesen, lasse mir alles dolmetschen. Das ist auch schön. Weil man sich seine Antwort länger überlegen kann.“

Auf Übersetzung war Formánek auch bei seiner Lesung auf der Leipziger Buchmesse angewiesen. Ein Literaturvermittler übernahm die eigentliche Lesung und trug Textausschnitte auf Deutsch vor. Formánek kommunizierte mit dem Publikum, indem er die Szene scherzhaft mit einer Marionette darstellte:

„Ich habe mich an den Namen orientiert zum Beispiel Marschall Malinowski oder Moloděc. Ich glaube, jeder Autor hat sich sein Buch genau eingeprägt. Ich kenne es fast auswendig. Also habe ich die Stellen, die ich auf Deutsch nicht verstanden habe, im Kopf ergänzt. Ich habe auch die Leute im Publikum angeschaut, ihre Reaktionen beobachtet. Ob sie gelacht haben, sich gewundert haben oder ob sich ihre Miene verfinstert hat.“

Ob die Leipziger Buchmesse dem Autor das gewünschte Ergebnis gebracht hat, nämlich die Übersetzung in andere Sprachen, wird sich bald zeigen:

„Wir verhandeln zurzeit mit einigen deutschen Verlagen, und ich hoffe auf ein positives Ergebnis. Aber ich möchte es jetzt nicht kaputt reden, ich bin abergläubisch“, sagt der Autor.

Deutsche Leser können sich auf ein Buch gefasst machen, das keinen kalt lässt. Josef Formánek schildert Szenen menschlichen Leidens in aller Grausamkeit, mit einer Portion Sarkasmus. Gleichzeitig bejaht er darin das Leben, wie die folgende Textstelle zeigt, in der ein Kamerad des Protagonisten stirbt:

„Das kreischende, immer näher und näher rückende Geräusch, machte ihn vollkommen taub. Ein Einschlag. Er war verschüttet, spürte die Last des Erdreichs. In seinem Kopf ging es drunter und drüber. Irgendetwas muss passieren, sagte er zu sich, und schaute auf seine abgerissene Hand. Sie lag ein Stück entfernt und der Daumen stand aufrecht ab. Es begann zu schneien. Er hatte den Eindruck schon lange dort zu liegen. Die Schneeflocken deckten die Blutlache ab, und die färbte sie als Gegenleistung rötlich ein. Irgendetwas muss passieren, sagte er sich noch einmal und wartete. Sein Herzschlag beschleunigte sich enorm und gnädigerweise war er trotz der Kälte in heißem Schweiß gebadet. Es passierte gar nichts und Ralf starb mit offenen Augen, als wolle er sich davon überzeugen, dass ihm sein Daumen, der ja eigentlich gar nicht mehr seiner war, immer noch viel Glück wünschte. Er musste nicht leiden. Außer an der Liebe zum Leben, deren Prämisse die Gegenwart des Todes ist.“