Magnesia Litera: Hauptpreis an verstorbenen Autor Balabán, Übersetzungspreis an Denemarková
Magnesia Litera heißt der wichtigste tschechische Literaturpreis. Am Sonntagabend wurde er zum zehnten Mal vergeben. Der Hauptpreis ging dabei an einen Autor, der im vergangenen Jahr unerwartet gestorben ist. Aber auch die deutsche Sprache spielte an dem Abend ein Rolle: So wurde die Schriftstellerin und Germanistin Radka Denemarková ausgezeichnet und zwar für ihre Übersetzung von Herta Müllers „Atemschaukel“ ins Tschechische.
„Es ist ein Roman, den Jan Balabán im Grunde in seinen letzten drei Lebensjahren geschrieben hat. Das Buch thematisiert den Tod seines Vaters, der Jan sehr aufgewühlt hat und ihm sehr viel von seiner Schaffenskraft genommen hat. Lange Monate war er nicht fähig weiterzuschreiben, dann kam wieder eine Phase fieberhaften Schreibens. Unter diesen Schaffensschwankungen entstand die Schriftform des Buches.“
Jan Balabán starb im April vergangenen Jahres sehr überraschend „im Schlaf“, wie es hieß. Zwei Tage zuvor hatte er an seinem Wohnort in Ostrava / Ostrau noch eine Pressekonferenz gegeben.Während der Hauptpreis an Balabán ging, wurde diesmal unabhängig davon auch noch das beste Prosawerk des Jahres ausgezeichnet. Es siegte Martin Ryšavý mit seinem Roman „Vrač“. Der Buchtitel ist russisch und bedeutet Arzt. Über sein Werk sagt der 44-jährige Autor:
„Es sind praktisch zwei Monologe, die jeweils eine Serie von Geschichten enthalten. Diese erzählt ein ehemaliger russischer Regisseur und späterer Straßenfeger seinem tschechischen Freund, und mit Hilfe der Geschichten wird auch ein gemeinsames Problem beider Gestalten berührt.“
In den vier weiteren Kategorien der Preise Magnesia Litera siegte auch eine Autorin, die sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz mittlerweile einen Namen gemacht hat. Radka Denemarková wurde aber nicht wie schon zweimal zuvor für ein eigenes Werk ausgezeichnet, sondern als Übersetzerin. Sie hat Herta Müllers „Atemschaukel“ ins Tschechische übertragen. Gegenüber Radio Prag erläuterte Radka Denemarková letztens, was sie an dem Buch so fasziniert:„Es ist sprachlich sehr, sehr präzise geschrieben. Und das Thema öffnet nicht nur Fragen, die das Leben der Deutschen in Rumänien und im Lager betreffen, sondern auch die Frage danach, was es eigentlich bedeutet, wenn wir in unserem Leben nur begrenzte Chancen haben, warum das bestimmte Menschen schaffen und die anderen nicht.“
Denemarková hat an der Prager Karls-Universität Germanistik studiert. Dass das so kommen würde, war für ein Kind aus den 60er und 70er Jahren in der Tschechoslowakei nicht unbedingt selbstverständlich. Doch der Weg zur deutschen Sprache begann für Radka Denemarková bereits mit etwa neun Jahren:„Wir hatten in der Schule nur die russische Sprache, aber mein Vater wollte, dass mein Bruder und ich auch Englisch und Deutsch sprechen können. Er hat damals zwei Damen ausgewählt, bei denen wir Privatstunden hatten. Die Dame, die uns Englisch beigebracht hat, war nicht so warmherzig und nett. Aber die Dame, die uns Deutsch beigebracht hat, war phantastisch.“
Denemarková hat im Übrigen neben Herta Müller auch weitere deutschsprachige Schriftsteller ins Tschechische übersetzt, vor allem Dramatiker wie Bertolt Brecht oder Thomas Bernhard.