Maskenpflicht in Tschechien entschärft – Opposition spricht von „Zirkus“
Noch bevor die neue Maskenpflicht in Kraft tritt, hat Premier Andrej Babiš (Partei Ano) seinen Gesundheitsminister wieder zurückgepfiffen. So muss ab 1. September beispielsweise in Restaurants und Geschäften kein Mund-Nasen-Schutz angelegt werden. Die aktualisierten Regeln wurden am Donnerstag in Prag vorgestellt.
Zwei Schritte vorwärts und einer zurück – das ist der Rhythmus, in dem derzeit die tschechische Regierung eine neue Maskenpflicht einführt. Denn ab September soll hierzulande wieder ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, auch weil in den vergangenen Wochen die Corona-Infektionszahlen nach oben gegangen sind. Am Montag und Mittwoch präsentierte daher Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) recht weitgehende Vorschriften. Anscheinend war aber nicht alles abgesprochen, denn Premier Andrej Babiš reagierte prompt:
„Ich bin leicht geschockt, was da aus dem Gesundheitsministerium herausgepurzelt ist. Das gefällt mir überhaupt nicht. Wenn ich mit gesundem Menschenverstand urteile, dann geht eine ganze Reihe der Anordnungen nicht in meinen Kopf.“
Besonders nannte Babiš die vielen Ausnahmen bei der relativ strengen Maskenpflicht. So etwa sollten in der Schule die Kinder und Jugendlichen zwar keinen Mund-Nasen-Schutz in den Klassenzimmern und in der Kantine tragen, aber auf den Gängen schon.
Nicht nur der Premier kritisierte allerdings am Mittwoch die angedachten Regeln. Ebenso zeigten sich die Wirtschaftsverbände alarmiert. Tomáš Prouza ist Vizepräsident der tschechischen Handelskammer. Er verwies auf die zu dem Zeitpunkt noch geplante Maskenpflicht in Restaurants, Hotels und Geschäften.
„Der Mund-Nasen-Schutz ist ein Signal dafür, dass es ein Problem gibt und man nicht groß irgendwo hingehen oder auch hinfahren sollte. Dabei hofft zum Beispiel die Tourismusbranche darauf, das relativ schöne Wetter im September noch zu ihren Gunsten zu nutzen. So verliert sie nun aber ihre potenziellen Kunden“, so Prouza.
Premier Babiš jedenfalls verhandelte am Donnerstag noch einmal nach mit Gesundheitsminister Vojtěch und den Epidemiologen. Im Ergebnis wurde die neue Maskenpflicht ab 1. September entschärft. Oder wie der Ressortchef selbst im Behördensprech sagte:
„Wir sind zu bestimmten Schlüssen gekommen, die die außerordentlichen Maßnahmen betreffen. Letztere werden aber nicht aufgehoben, sondern besser ausgerichtet auf jene Bereiche, in denen wir das größte Risiko sehen.“
Nach dieser Sichtweise besteht ein größeres Infektionsrisiko in öffentlichen Einrichtungen denn in Privatbetrieben mit Publikumsverkehr – warum auch immer. Jedenfalls erläuterte Gesundheitsminister Vojtěch weiter, wo ab 1. September nun definitiv die Maskenpflicht in Tschechien gilt:
„Das sind vor allem die Behörden, Kliniken, Arztpraxen und sozialen Einrichtungen, der öffentliche Nahverkehr, Züge und Busse sowie die Wahllokale bei den anstehenden Wahlen.“
Und auch bei Veranstaltungen in Innenräumen ab 100 Teilnehmern gilt die Pflicht. In der kommerziellen Sphäre soll es jedoch auch ohne Mund-Nasen-Schutz gehen.
„Das sind jene Betriebe, die Güter oder Dienstleistungen anbieten und Räume für Kunden bereitstellen. Da vertrauen wir auf eine Nachverfolgung der Infektionsketten. Ich habe dem zugestimmt unter der Voraussetzung, dass wir Ende September die epidemiologische Entwicklung auswerten. Sollte sich die Lage verschlechtern nach dem Beginn des neuen Schuljahrs und der stärkeren Interaktion der Menschen, dann kehren wir zu meinen ursprünglichen Plänen zurück“, sagte der Gesundheitsminister.
Auch in der Schule gilt erst einmal keine Maskenpflicht. Sollte sich jedoch in einem Bezirk die epidemiologische Lage verschlechtern, wird die Pflicht ab der sogenannten gelben Warnstufe auch dort eingeführt.
Premier Babis gab am Donnerstag zu, dass die Kommunikation zu dem Thema nicht glücklich verlaufen sei. Oppositionspolitiker fanden deutlichere Worte. Der stellvertretende Vorsitzende der Bürgermeisterpartei Stan, Petr Gazdík, sprach von einem „Zirkus“, ODS-Vize Martin Baxa warf der Regierung „Dilettantismus“ vor. Und Top-09-Chefin Markéta Pekarová Adamová sagte:
„Uns wurde schon vor Monaten die Nachverfolgung von Infektionsketten inklusive Corona-App als wirksames Mittel angepriesen, um allgemeine Maßnahmen wie das Maskentragen zu umgehen. Dasselbe gilt für das neue Corona-Warnstufensystem. Doch es zeigt sich, dass die Regierung dies nicht in Griff bekommt.“
Das Warnstufensystem nennt sich Corona-Ampel, obwohl es aus vier Farben besteht. Bisher sind auch die tschechischen Bezirke mit Infektionsherden nicht schlechter als mit der zweiten, der grünen Stufe bewertet worden. Dies bedeutet zwar ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko, aber keine unkontrollierte Verbreitung des neuen Corona-Virus.