Mehr Effizienz, weniger Müll: Tschechische Kernforscher untersuchen Reaktor der vierten Generation
Während der Atomausstieg in Deutschland vor Kurzem abgeschlossen wurde, bleibt man der Kernkraft in Tschechien weiterhin treu. Gesucht wird dabei auch nach Lösungen, um die Reaktoren noch effizienter zu gestalten und strahlenden Abfall zu minimieren.
„Atomkraft? Ja, bitte!“, so lautet der tschechische Ansatz hinsichtlich Kernenergie. Während in Deutschland die letzten Meiler vom Netz gegangen sind, zerbrechen sich Forscher hierzulande die Köpfe, wie man die Reaktoren noch effizienter gestalten kann. Einer von ihnen ist Petr Vácha:
„Im Grunde ist es die alte Idee der Alchimisten, die einfach so Gold entstehen lassen wollten. In unserem Fall möchten wir aus Abfall verwendbare Brennstoffe schaffen“,
so Vácha, der am Institut für Kernforschung (ÚJV) in Řež in Mittelböhmen forscht. Dem Wissenschaftler zufolge gibt es Aufholbedarf, was die Effizienz von Atomkraftwerken angeht. So würden derzeit lediglich fünf Prozent des Brennstoffes in den Kraftwerken verwertet werden und ein viel zu großer Teil würde weiterhin strahlen, schildert Vácha in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Doch durch eine neue Generation von Reaktoren soll sich das in Zukunft ändern:
„Sie können einen höheren Prozentanteil der Brennstoffe verbrennen als die Leichtwasserreaktoren und auch bereits abgebrannte Elemente verwenden.“
Diese sogenannten Reaktoren der vierten Generation nutzen schnelle Neutronen, die bei der Kernspaltung freigesetzt werden. Zu diesen sogenannten „schnellen Brütern“ wird bereits seit Jahrzehnten geforscht, ebenso wie zu Hochtemperaturreaktoren. In ihrem Falle stellt die extreme Hitze die Wissenschaftler jedoch vor einige Herausforderungen, denn die verwendeten Materialien müssen den Temperaturen standhalten. Milan Mika führt in eine Halle in Řež, in der Gegenstände getestet werden können – ohne den Einsatz radioaktiver Stoffe.
„Diese große Garage nennen wir ‚Giraffenhaus‘. Aufgrund der Größe können wir hier ganze Anlagen aufbauen und testen. Jeden Monat sieht es hier anders aus. Beispielsweise können wir erforschen, wie sich ein bestimmtes Material bei einer Temperatur von 435 Grad unter einer bestimmten chemischen Belastung verhält. Die Probe kann nach dem Test in das Labor gebracht und untersucht werden.“
Eine ähnliche Testhalle betreibt das Institut für Kernforschung in Plzeň / Pilsen. Seit mehreren Jahren wird dort ein Modell eines Reaktors der vierten Generation getestet. Petr Vácha stellt einen Vergleich zu der Technik an, die heute am weitesten verbreitetet ist:
„Einem Leichtwasserreaktor sieht der neue Reaktor optisch sehr ähnlich. Es gibt einen Reaktorbehälter, Kühlspiralen und Wärmetauscher. Es fließt dort aber kein flüssiges Metall oder Wasser, sondern Gas.“
Konkret wird für die Kühlung Helium verwendet:
„Es hat die besten Wärmeeigenschaften aller Gase und ist deshalb das perfekte Kühlmittel. Helium kann auch nicht reagieren, was seinen Einsatz sehr sicher macht. Allerdings kann das Gas nur sehr schlecht abgedichtet werden.“
Die Abdichtung des Reaktors ist deshalb eine der größten Herausforderungen für die Forscher. Und freilich hat auch der Reaktor der vierten Generation seine Schwachstellen. Denn er kann atomaren Abfall zwar weiternutzen, aber auch er produziert strahlenden Müll. Doch Vácha verteidigt die Technologie:
„Es entstehen genauso wie bisher Spaltprodukte, die wir als Abfall ansehen und vermeiden wollen. Es sind allerdings weniger und die Halbwertszeit ist niedriger, sodass man mit den Brennelementen besser umgehen kann. Ein Endlager muss nicht mehr für eine Million Jahre gebaut werden, sondern nur für 1000 Jahre.“
Und dies sei laut Vácha eine doch recht überschaubare Zeit. Die Forscher vom Institut für Kernforschung in Řež hoffen deshalb, dass ihre Reaktoren schon bald kommerziell Strom erzeugen könnten. Ihnen zufolge könnte die Technik um das Jahr 2040 herum einsatzbereit sein.