Miroslav Houst - ein Maler, der auf Klassik steht

Miroslav Houst

Waren Sie schon mal im Atelier eines Malers? Außer Bildern, die da meistens überall an den Wänden hängen, duftet es dort charakteristisch nach Farben und nach den Ingredienzien, die nach zum Teil geheimen Rezepten der jeweiligen Künstlerwerkstatt hergestellt und in die Farben gemischt werden. So wenigstens hat es Jitka Mladkova erlebt, als sie vor einiger Zeit das Haus eines Malers besuchte. Den Maler will sie jetzt Ihnen im heutigen Kultursalon vorstellen.

Geboren vor 51 Jahren im westböhmischen Cheb/Eger, lebte aber bis zu seinem 5. Lebensjahr bei den Großeltern im westböhmischen Sokolov/Falkenau, danach zehn Jahre bei den Eltern im mittelböhmischen Kolin und dann in Prag, wo er zunächst eine renommierte Kunstfachschule besuchte und anschließend an der Akademie der Bildenden Künste studierte. Vier bedeutende Zeitabschnitte seines Lebens, verbracht in vier unterschiedlichen Ambienten von prägender Wirkung. Die Rede ist von Miroslav Houst. Studieren wollte er eigentlich in Dresden, denn es waren die alten Meister und der Zwinger, die es ihm angetan haben. Aus seiner Sicht gab es für ihn damals nur ein Hindernis: die Sprachbarriere. Doch um diese zu bewältigen fasste er die logische Entscheidung:

"Ich habe mir also gesagt, dass ich Deutsch lernen will. Dem damaligen Regime habe ich mich jedoch nie dermaßen untergeordnet gefühlt, um in seinem Sinne "richtig" an die Sache heran zu gehen. In jener Zeit wurde hierzulande auch das "richtige", also das DDR-Deutsch unterrichtet. Ich habe aber bei uns in Kolin, wo ich die Eltern zu besuchen pflegte, jemand gefunden, der aus Wien stammte und das Wiener Deutsch gemischt mit Prager Deutsch sprach."

In Dresden konnte Houst letzten Endes doch nicht studieren. Als er sich noch vor dem Abitur beim tschechischen Schulministerium um einen Studienplatz an der Dresdner Kunstakademie bewarb, wurde ihm vorsichtig angedeutet, dass dies nicht möglich war. Ja, schließlich war es doch sehr weit nach Dresden, ganze 200 Kilometer, erinnert sich der Künstler heute mit unüberhörbarer Ironie in seiner Stimme. Immerhin, Miroslav Houst ist Maler geworden, dessen Herz mitten der übertechnisierten postmodernen Welt immer für die Fortsetzung der hunderte Jahre langen klassischen Malereitradition schlug. Für uns Zeitgenossen und die Nachkommen hat er Bilder einer Welt geschaffen, die mit zunehmender Geschwindigkeit vor unseren Augen schwindet und schließlich auch aus unseren Erinnerungen zu schwinden droht. Sein Werk umfasst Portraits, Stillleben, monumentale Figuralkompositionen mit mythologischer Thematik aus der tschechischen Geschichte, aber auch Landschaftsmalerei, Graphiken und noch vieles mehr. Kurzum, ein Werk von ungewöhnlicher Genrevielfalt, voller Imagination und Einfühlungsvermögen des Künstlers, der über eine brillante Maltechnik verfügt. Wie entsteht so ein Potential für das künstlerische Schaffen? Dafür hat Miroslav Houst eine Erklärung:

"Wenn man über das Vermögen verfügt, die umliegende Welt durch Bilder wahrzunehmen, dann kann man sich unheimlich vieles aus der frühen Kindheit ins Gedächtnis rufen, in dem diese Bilder in ganzen Blöcken gespeichert ruhen. Das sind Tausende Impressionen, an die ich mich aus jener Zeit erinnern kann. Z.B. aus unserer Wohnung in der Nähe des Flusses Ohre/Eger, wie die Sonne in die einzelnen Zimmer schien und wie sich dort das Licht zu verschiedenen Tageszeiten veränderte - an den Vorhängen, an der Möbel usw. Wenn ich heute nur so aus dem Kopf male oder ein Buch illustriere, werden gerade diese Momente in mir wach."

Houst räumt ein, dass die Gegend um Sokolov nicht besonders anmutig wirkt, aber für ihn ist sie eine der schönsten. Schließlich habe sie in der Zeit seiner Kindheit wesentlich anders ausgesehen, da ihre Zerstörung durch den Tagebau erst kommen sollte, sagt er. Die Landschaft malen bedeutet für Houst keineswegs deren realistische Abbildung, sondern deren Stimmung zu Ausdruck zu bringen:

"Vielleicht kann man es verbal so formulieren, dass ich mich um ein Landschaftsportrait bemühe. Wissen Sie, ich habe eine Zeitlang die figurale Malerei bevorzugt. Ich glaube auch, dass jeder Maler, egal auf welchem Gebiet tätig, sich sehr tief mit der figuralen Malerei befassen sollte. Das ist ein sehr wichtiges Fundament. Wenn man ein Portrait eines Menschen macht, will man natürlich unter die Oberfläche gehen, um seine Substanz, seine Psyche bzw. seine Einzigartigkeit zu erfassen. Und genau so muss man auch eine Landschaft portraitieren."

Miroslav Houst betrachtet eine Landschaft wie eine Architektur, die der Maler in seiner Bildkomposition berücksichtigen muss. Sie sei, so Houst, von einer Stimmung geprägt, die sich auf den Künstler auswirke und ihm eine Art telepathisches Wahrnehmungsvermögen verleihe. Dank diesem kann der Künstler plötzlich erkennen, ob sich in der jeweiligen Landschaft etwas Angenehmes oder Unangenehmes zugetragen hat. Seiner Meinung nach gibt es Orte, wo man gar nicht malen kann, oder wo es lange dauert, bis dies möglich ist, weil in der Landschaft etwas Negatives steckt. Auf meine Frage, welche tschechische Landschaft es ihm angetan hat, antwortete Houst, ohne eine Sekunde zu zögern: Sumava, der Böhmerwald. Eine sonderliche, melancholische Gegend, die ihn manchmal - wie er wörtlich sagt - "in sich schlucke." Kann er sich noch an die erste Begegnung mit dem Böhmerwald erinnern?

"Ganz bestimmt. Einer meiner Großväter wurde im Böhmerwald geboren und hat mir immer wieder über den Böhmerwald erzählt. So kam ich sozusagen vorbereitet dorthin. Ich wusste vorher, was dort zu sehen ist. Das Ansprechen ereignete sich also zunächst in meiner Phantasie, denn aufgrund des Erzählten durch meinen Großvater habe ich mir eine konkrete Vorstellung gemacht. Diese hat, wie sich später zeigte, der Realität in hohem Masse entsprochen."

Wenn man sich das Kunstschaffen von Miroslav Houst näher anschaut, was wegen dessen Umfangs natürlich nur zum Teil möglich ist, kann man sich davon überzeugen, dass der Böhmerwald für ihn tatsächlich das zentrale Thema ist. Was ist also das Besondere an der Böhmerwaldlandschaft? Womit zieht sie ihn immer wieder in ihren Bann?

"Es ist eine geologisch ungewöhnliche Landschaft, die sich auch durch eine Sonderlage auszeichnet. Im Böhmerwald entspringt die Moldau, die nach einem langen Weg in die Elbe mündet und dadurch in die Nordsee gelangt. Jenseits des Böhmerwaldes erstreckt sich wiederum die Donaulandschaft. Der Böhmerwald ist also eine bedeutende Wasserscheide in Europa und seine Gebirgszüge stellen da eine Trennlinie, aber zugleich auch ein Bindeglied dar. Seit eh und je ist es eine besondere Region mit gewisser Spannung in sich. Diese hängt mit der Besiedlung des Böhmerwalds zusammen. Hier gab es früher undurchdringliche Wälder und sehr kalte Winter, und so war auch das Leben sehr hart. Die Bewohner des Böhmerwalds waren aber frei. Sie haben dieses Gebiet jeweils dafür bekommen, um dort zu leben und zu arbeiten. Dank ihrem schöpferischen Geist haben es die Böhmerwäldler vermocht, dieser Region eine ungeheuer menschliche Prägung zu verleihen. Das ist u.a. auch an den Böhmerwaldsagen zu dokumentieren. Einige von ihnen, die in Buchform erschienen, habe ich illustriert. Im Böhmerwald gab es z.B. Marienbilder, die an Bäumen befestigt waren, Totenbretter an Kreuzwegen, Kutschen- und Wanderwege zwischen den einzelnen Anwesen und und und. Kurzum, eine Sonderenklave: Einerseits eine zum Teil isolierte Welt mit spezifischer Lebensweise, gleichzeitig aber auch eine offene Welt, von der aus man nach Bayern und weiter in die Donauländer oder aber in die entgegengesetzte Richtung in die Moldau- bzw. Elbregion gelangen konnte. Die Leute haben sich damals nicht als Bayern, sondern als Böhmen empfunden. Schade, dass hier die Politik auf die allgemein bekannte Weise so sehr eingegriffen hat."

Das Schicksal zahlreicher Orte und Ortschaften im Böhmerwald, die das kommunistische Regime nach dem 2. Weltkrieg dem Erdboden gleich gemacht hat, findet seinen Niederschlag auch in Housts Bildern. Die bewegte Geschichte der Gegend wirke sich bei ihm früher oder später so aus, dass das entstehende Gemälde zu melancholisch werde, sagt Houst. Ist er, frage ich, bei seinen Streifzügen durch den Böhmerwald auf Lokalitäten gestoßen, wo einst Menschen gelebt hatten, bevor ihre Ansiedlungen von der Erdoberfläche verschwanden?

"Ja,ja, sogar ganz oft. Für das Museum in Kasperske Hory habe ich einen Zyklus von rund 50 Bildern gemalt, von denen ein Teil verschiedene Böhmerwaldsagen illustriert, und den Rest habe ich eben diesen Orten gewidmet. In meinem neuen Bildband schreibe ich im Begleittext über den Aufenthalt im Böhmerwald, den ich jeweils nach einiger Zeit einfach unterbrechen und woanders hin malen gehen musste. Einmal bin ich auf einen Ort gestoßen, wo einst auch eine Ansiedlung stand, von der nur noch ein Brunnen übrig blieb. Dieser Ort hat mich dermaßen angesprochen, dass ich dort mehrere Gemälde, aber auch Graphiken und Zeichnungen malte, und habe sogar mit dem Gedanken gespielt das Grundstück zu kaufen. Unglaubliche Auswirkungskraft! Dort muss eine enorme psychische Kraft gewesen sein!"

Es ist nicht nur der Böhmerwald, der den Maler Miroslav Houst immer wieder angezogen hat. Und es ist auch nicht nur sein Land, in dem er Inspirationen für sein Kunstschaffen sucht. Was er für sich außerhalb Tschechiens entdeckt hat, erfahren Sie im Kultursalon wieder in zwei Wochen.

Foto: http://www.pitturaclassica.com/