„Mit Gottvertrauen in den Tod“ – Ausstellung in Benešov zum Attentat in Sarajevo

Foto: Martina Schneibergová

Demnächst vergehen 100 Jahre seit dem Attentat in Sarajevo. Opfer des Anschlags war das Thronfolgerpaar Franz Ferdinand von Österreich und seine Frau Sophie. Das Attentat war der unmittelbare Auslöser des Ersten Weltkriegs. In der mittelböhmischen Stadt Benešov / Beneschau wurde während der Museumsnacht auf dem Marktplatz eine Ausstellung eröffnet. Sie trägt den Titel „Attentat von Sarajevo – die Fragezeichen sind nicht verschwunden“ und befasst sich auch mit den Ereignissen kurz vor und nach dem Anschlag von Sarajevo. Zusammengestellt wurde sie von Petr Mareš.

Herr Mareš, worauf konzentriert sich die Ausstellung, die sich Fragen im Zusammenhang mit dem Attentat von Sarajevo stellt?

„Viele Fragen in Bezug auf dieses Thema sind immer noch offen. Wir, der Verein ´Freunde von Konopiště´, haben uns mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Mir ist dabei aufgefallen, dass Franz Ferdinand und seine Frau auf ihrer Reise nach Bosnien mehrere Möglichkeiten gehabt hätten, um ihrem Schicksal vielleicht doch noch zu entkommen. Oft traf aber der Landeschef von Bosnien, General Potiorek, die falschen Entscheidungen oder Maßnahmen. Das ist einfach so.“

Foto: Martina Schneibergová
Die Ausstellung heißt „Die Fragezeichen sind nicht verschwunden“. Gehört dazu beispielsweise auch die Frage, warum der Chauffeur Loyka anders gefahren ist als geplant?

„Ja, beispielsweise. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hat sich Leopold Loyka als Schuldiger gesehen. Allerdings gab es einige Warnungen im Vorhinein. Zum Beispiel sprach der österreich-ungarische Geheimdienst bereits vor der Reise nach Bosnien eine Warnung aus. Des Weiteren wurden sogar Briefe versandt, die ebenfalls vor einer Reise nach Bosnien warnten. Selbst auf der Reise nach Bosnien geschahen einige besondere Ereignisse, wie zum Beispiel, dass das Licht im Salonwagen von Wien nach Triest ausfiel und die Fahrt nur noch mit Kerzenlicht fortgesetzt werden konnte. Auf psychologischer Ebene hätten dies Warnhinweise für den Erzherzog sein können. Trotz all dieser Hinweise entschied er sich jedoch, nach Bosnien zu fahren. Er war gläubiger Katholik und ist wahrscheinlich mit großem Gottvertrauen gefahren.“

Foto: Martina Schneibergová
Stimmt es, dass es Überlegungen gab, ob seine Frau Sophie ihn nach Bosnien begleiten sollte oder nicht?

„Offiziell war die Reise eine militärische Angelegenheit. Der Hauptgrund waren die Manöver, jedoch gab es auch private Gründe. Denn für Sophie war es die erste offizielle Auslandsreise. Das war wohl der entscheidende Grund, warum sie letztlich zusammen nach Bosnien reisten. Das sind jedoch alles nur Vermutungen.“

Heutzutage ist dies nicht mehr vorstellbar, dass eine Person in so einer Funktion ohne polizeilichen Schutz reist. Wie war das damals: Wurden für Franz Ferdinand keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen?

Foto: Martina Schneibergová
„Eigentlich schon, aber zu wenige. Die Stadtpolizei war nur spärlich aufgestellt, das konnte man aus großer Entfernung erkennen: Auf den Straßen waren viele Lücken ersichtlich, wo keine Polizisten standen. Dies ist einer der Gründe für die geringe Sicherheit. Der andere ist, dass die Armee bei der Gewährleistung der Sicherheit vollkommen außen vorgelassen worden war, stattdessen blieben die Soldaten in den Bergen. Eigentlich wollte General Oskar Potiorek beim Besuch des Thronfolgers demonstrieren, dass er das Land beherrscht und dass er alles im Griff hat, es hätte also nichts passieren dürfen. Doch wahrscheinlich lagen die Ursachen für die Fehlplanungen in Oskar Potioreks Ego.“

Warum wurden die Soldaten nicht zur Gewährleistung der Sicherheit gerufen?

Foto: Martina Schneibergová
„Gute Frage. Wir sprechen hier von 20.000 Soldaten, die an den Manövern teilnahmen. Jedoch wurde nur ein kleiner Teil der Soldaten aus den Kasernen Sarajevos am Samstagnachmittag dorthin geschickt. Die Soldaten blieben in ihren Kasernen, weil Potiorek der Meinung war, dass die Uniformen der Soldaten zu schmutzig gewesen seien und damit nicht repräsentabel, und die Truppen zum Schutz nicht benötigt würden. Somit war die Armee leider vollkommen ausgeschlossen vom Besuch des Thronfolgers.“

Spielte die Entscheidung von Franz Ferdinand, den zuvor verletzten Offizier Merizzi im Krankenhaus besuchen zu wollen, eine Rolle?

„Ich würde sagen ja und nein. Denn wenn er den Hinweisen des Rathauses gefolgt wäre, dann wären alle Autos am Kai vorbei gefahren. Wahrscheinlich hab der Kronprinz und sein Gefolge die Ratschläge nicht oder falsch verstanden, denn sie entschieden sich, durch die engen Straßen in der Altstadt zu fahren. Diese Entscheidung hatte jedoch zur Folge, dass die Autos nur langsam fahren konnten beziehungsweise teilweise stehen bleiben mussten und dadurch ergab sich für den Attentäter eine gute Möglichkeit zu schießen.“

Eine Aufnahme von Rudolf Bruner-Dvořák
Es sind nun 100 Jahre seit dem Attentat vergangen. Historiker stellen sich jedoch immer noch die Frage, warum der Anschlag überhaupt stattfinden konnte. War es geplant?

„Dazu gibt es viele Theorien. Bei der aktuellen Führung durch die Ausstellung habe ich bereits den Namen des größten Wissenschaftlers in diesem Bereich erwähnt, des Historikers Wladimir Aichelburg. Aichelburg ist gebürtiger Tscheche und wohnt in Wien. Er ist der Meinung, dass es eine Mischung aus diversen Motiven war, gespickt mit vielen Zufällen und dem typischen Schlendrian der k.u.k. Monarchie."

Die Ausstellung über das Attentat von Sarajevo ist auf dem Marktplatz in Benešov noch bis zum 10. August zu sehen. Es ist nicht die einzige Exposition, die zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs in der mittelböhmischen Stadt eröffnet wurde. Im Rathaus gibt es eine Fotoausstellung über das Leben der Thronfolgerfamilie auf Schloss von Konopiště. Im Kunst- und Designmuseum sind zudem Aufnahmen vom Hoffotografen Rudolf Bruner-Dvořák zu besichtigen, der als ein Pionier der Foto-Reportage gilt.