Museum in Varnsdorf
In der Mitte des 19. Jahrhunderts war es das größte Dorf im Habsburger Reich, kurz danach wurde es zur Stadt erhoben. Bekannt wurde sie vor allem dank der aufblühenden Textilindustrie. Die Rede ist von der nordböhmischen Grenzstadt Varnsdorf (Warnsdorf). In das Varnsdorfer Museum laden Sie im folgenden Reiseland Tschechien Martina Schneibergova und Lothar Martin ein.
Die Stadt Varnsdorf ist nicht nur durch die einst blühende Textilindustrie bekannt geworden. Aus der Kulturgeschichte der Stadt ist z. B. folgendes Ereignis beachtenswert: In Warnsdorf fand 1830 die erste vollständige Aufführung von Beethovens Missa solemnis statt. Mehr über die Stadtgeschichte, vor allem über das 19. Jahrhundert kann man im Varnsdorfer Museum erfahren, das sich in der Postovni-Straße befindet. Das Museumsgebäude stammt aus dem Jahr 1836, sein Vorderteil war ursprünglich eine bürgerliche Villa. Ihr Besitzer starb jedoch bald, und seit 1840 wurde das Haus an verschiedene Ämter vermietet. So wurde dort z. B. das Bezirksgericht, das Gefängnis, aber auch das Finanz- bzw. das Arbeitsamt untergebracht. Denn Varnsdorf war einst eine Bezirksstadt. Der Museumsleiter Josef Zbihlej dazu:
"Zurzeit ist das Museum in Varnsdorf eine Zweigstelle des Regionalmuseums von Decín/Tetschen. Ausgestellt werden hier vor allem Gegenstände aus unseren Sammlungen, die überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammen. Damals erlebte die Stadt den größten Aufschwung, denn bis zu dieser Zeit war Varnsdorf - wie der Name schon sagt - nur ein Dorf. Ihren Gartencharakter hat die Stadt bis heute bewahrt. Denn jede der ehemaligen Gemeinden hatte ihren Dorfplatz und ihren Namen, erst 1849 wurde Alt Warnsdorf mit weiteren fünf Dörfern zusammengeschlossen."
Das dadurch entstandene Dorf war mit seinen mehr als 10.000 Bewohnern das größte Dorf in Österreich. 1868 wurde Varnsdorf zur Stadt erhoben. In den letzten zwei Jahrhunderten war die Entwicklung der Stadt vor allem mit der dort angesiedelten Textilindustrie eng verbunden.Das Museum in Varnsdorf entstand 1939, auch wenn es Tendenzen zur Gründung eines Museums bereits seit 1890 gab. Denn damals wurde in Varnsdorf der erste Museumsverein eingerichtet, dessen Ziel es war, ein Stadtmuseum zu gründen. Der Verein begann, Exponate zusammenzutragen, erzählt Josef Zbihlej:
"99 Prozent unserer Exponate sind praktisch Geschenke von lokalen Gönnern und nur ein Bruchteil der Gegenstände wurde angekauft. Früher gab es hier Museen in primitiver Form jeweils an einer der hiesigen Schulen. Ein Lehrer wurde einfach damit beauftragt, in einem entsprechenden Schulraum das Museum einzurichten. Am Anfang gab es ein Museum in der Bürgerschule auf dem Marktplatz, und nur sonntags gab es dort Führungen. Später wurde das Museum im Schulgebäude betrieben, in dem heute das bischöfliche Gymnasium untergebracht ist. Erst 1939 nahm das Museum die Tätigkeit in den hinteren Räumlichkeiten des heutigen Gebäudes auf. Aus dieser Zeit ist dort eine Weberstube erhalten geblieben, in der es einen Webstuhl, historische Möbel und einen Ofen gibt."Dieser Teil des Museums ist gegenwärtig leider aus technischen Gründen geschlossen. Im anderen Teil des Museums ist eine ständige Ausstellung über den Lebensstil der Untertanen und Bürger vom 17. bis zum 20. Jahrhundert geöffnet. Anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes gibt es im Museum eine Ausstellung mit dem Titel "Als die Kanonen verstummten".
Die Museumstätigkeit besteht nicht nur in der Sortierung und Präsentation der Sammlungen, sondern auch in der Organisation verschiedener Ausstellungen von Werken von Amateurkünstlern und Fotografen, die über den regionalen Rahmen hinausgehen, sagt der Museumsleiter:"Eine Ausstellung dauert bei uns im Durchschnitt zwei Monate, so dass wir meistens sechs Ausstellungen im Jahr organisieren. Jedes Jahr bemühen wir uns um Abwechslung in der ständigen Ausstellung, so dass sich die Öffentlichkeit mit verschiedenen Schätzen aus unserem Depositorium bekannt machen kann."
Die Ausstellungs-, aber auch die sonstige Tätigkeit des Museums kann man sich ohne Unterstützung begeisterter Museumsfreunde nicht vorstellen. Diese gründeten vor neun Jahren den sog. "Kreis der Museumsfreunde":
"Dieser Verein bestand und besteht aus verschiedenen Interessenklubs. Es gibt bei uns Klubs der Naturfreunde, der Historiker, der bildenden Künstler, der Fotografen, der Sammler. Wir hatten auch einen Klub der Sammler von Weihnachtskrippen, dieser starb aber praktisch aus. Ein ähnliches Schicksal scheint den Sammlerklub zu ereilen, der heute nur noch drei Mitglieder hat, denn die jungen Menschen interessieren sich kaum noch für so etwas. Die Museumsfreunde geben ein Jahrbuch heraus, in dem neben Informationen über die Klubtätigkeit in den letzten Jahren auch viele Fachartikel veröffentlicht werden, die sich auf unsere Region konzentrieren."Vor zehn Jahren initiierte das Museum eine Art Graphik-Festival für Kinder und Jugendliche. Josef Zbihlej zufolge kommt eben die Graphik im Unterricht viel zu kurz. Das Museum organisierte aus diesem Grund eine ältere Graphikwerkstatt, in der die Kinder ihre Werke - Linolschnitte, Holzschnitte, Papierschnitte und anderes mehr - drucken können. Die Mitarbeiter des Museums besorgen ihnen auch das Material und beraten sie gern dabei, denn für viele junge Menschen geht es um ihre erste Begegnung mit der graphischen Kunst überhaupt. Für die Kinder wird ein Graphik-Wettbewerb organisiert, die besten Arbeiten werden ausgestellt und im Jahrbuch des Museums veröffentlicht, das nach dem Fluss "Mandava" (Mandau) benannt wurde.
Das Museum in Varnsdorf ist von Montag bis Freitag von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Im nächsten Reiseland durch Tschechien werden wir Sie noch durch die Museumsausstellung über den Lebensstil im 19. Jahrhundert führen.
Foto: Martina Schneibergova