Nach Messerattacke: Debatte um Umgang mit psychisch kranken Straftätern
Bereits seit Donnerstag wird in Tschechien darüber diskutiert und die Ereignisse in München vom Freitag befeuern die Debatte – über Straftaten psychisch kranker Menschen. Auslöser war dabei ein Mord in einem Prager Einkaufszentrum. Begangen wurde er von einer Frau, die nur Stunden vorher aus einer psychiatrischen Klinik entlassen wurde.
Das Brisante an dem Fall ist jedoch, dass die Frau am Vormittag vor der Tat aus der psychiatrischen Klinik in Prag-Bohnice entlassen wurde. Zudem soll sie laut Medienberichten krankhaft gewalttätig gewesen sein. Laut Polizei versuchte sie bereits früher eine Frau in einem Cafe zu erwürgen. Auch soll die Frau im Obdachlosen- und Junkie-Milieu den Ruf haben, eine aggressive Einzelgängerin zu sein.
Erst recht im Licht des erschreckenden Amoklaufes in München von vergangenem Freitag hat der Fall für reichlich Diskussion gesorgt. Insbesondere in die Richtung, ob denn der Umgang mit psychisch kranken Straftätern zu mild sei in Tschechien. Immerhin läuft zurzeit eine Reform der Psychiatrie an, die eben nicht mehr auf die stationäre Behandlung von Patienten setzen soll.
Vor allem Martin Hollý, der Leiter der betroffenen psychiatrischen Klinik Prag-Bohnice, sieht sich seit Donnerstag scharfer Kritik ausgesetzt. Auch das Gesundheitsministerium möchte nun durch eine Sonderkommission die gegenwärtige Lage in der Klinik untersuchen. Konkrete Aussagen zum Fall möchte Martin Hollý jedoch nicht treffen:„Zum jetzigen Zeitpunkt muss ich in diesem Fall eine Mauer hochziehen: Die ärztliche Schweigepflicht verbietet mir, Informationen zu dem Fall preiszugeben. Wir haben Experten einberufen, die extern die Vorgänge in unserem Haus untersuchen sollen. Somit soll verhindert werden, dass wir durch unsere eigenen eingespielten Abläufe blind geworden sind für solche Probleme. Nach jetzigem Stand der Dinge gab es von unserer Seite soweit kein Fehlverhalten.“
Die Frau sei voll zurechnungsfähig und mit der Realität im Reinen gewesen, ergänzte Hollý. Die nun bemühten Zusammenhänge würden sich vor allem ex post erklären und seien meist so nicht feststellbar.
Auch der Brünner Psychiater und psychiatrische Sachverständige Jiří Pokora warnt davor, es sich medial zu leicht zu machen, indem die Schuld den behandelnden Ärzten zugewiesen werde:
„Die Psychiater hatten sicher einen guten Grund, die Patientin aus der Behandlung zu entlassen. Sie hatten sie ja über eine längere Zeit hinweg gut beobachtet. Solche Ausnahmefälle, wie es dieser Mord einer war, können nie zu einhundert Prozent verhindert werden. Wir als Psychiater können nur daran arbeiten, die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass so etwas passiert.“
Zudem kritisiert Pokora indirekt die geplante Reform der Psychiatrie, bei der Patienten in Zukunft eher dezentral behandelt werden sollen. Die Reform werde hauptsächlich durch einen unguten gesellschaftlichen Druck forciert:„Der Gesellschaft geht es heutzutage eher um die Einhaltung der Patienten-Rechte als um die Sicherheit der Gesellschaft. Natürlich soll man darüber diskutieren, was jetzt richtig sei. Ich habe bisher rund 50 Kontrollen von selbsternannten Aktivisten, aber auch durch den Ombudsman erlebt. Es ging dabei immer darum, ob wir den Patienten rechtswidrig zu lange festhalten oder ob man ihn denn nicht ambulant behandeln könnte. Niemanden hat aber je interessiert, ob wir die Patienten in einem wieder gesunden Zustand entlassen.“