Nationalpark Böhmerwald in der Kritik: Zuwenig Kernzone, zu viel bebaut

Foto: Khalil Baalbaki, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Der Böhmerwald, in vielen Versen und Liedern gepriesen als wahre Naturschönheit, sorgt erneut für Schlagzeilen. Doch es sind diesmal keine Lobeshymnen auf die herrliche und unberührte Landschaft, sondern eher das Gegenteil. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat nämlich Anfang der Woche eine Resolution verabschiedet, nach der Tschechien zu einer besseren Pflege und Betreuung des Nationalparks Böhmerwald (Šumava) aufgerufen wird.

Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Die Kritik, die jüngst über den großen Teich nach Europa hallte, wurde am Dienstag auf dem IUCN-Kongress in Honolulu geübt. In der von der Weltnaturschutzunion gebilligten Resolution wird unter anderem Tschechien aufgerufen, mit konkreten Schritten dafür zu sorgen, den Böhmerwald besser zu pflegen. Ansonsten könne für ihn der Status eines Nationalparks nach den internationalen Kriterien nicht aufrechterhalten werden. Dazu müssten zumindest zwei wesentliche Bedingungen erfüllt werden.

Eine dieser Bedingungen sei die unverzügliche Erweiterung der sogenannten Kernzone auf 30 Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks. In dieser Zone dürfen keine außernatürlichen Eingriffe vorgenommen werden. Zudem müsse ein wissenschaftlich unterstützter Zeitplan erstellt werden, nach dem schrittweise gewährleistet wird, in den nächsten Jahren noch weitere Flächen ihrer Natürlichkeit zu überlassen. Ziel müsse es sein, bis zum Jahr 2030 mindestens die Hälfte des Nationalparks in eine Kernzone zu verwandeln.

Pavel Hubený | Foto: Andrea Zahradníková,  Tschechischer Rundfunk
Die Leitung des Nationalparks verschließt sich dieser Aufgabe nicht, doch es gäbe noch legislative Hürden. Der Direktor des Nationalparks, Pavel Hubený:

„Wir sagen: Jawohl, in diese Richtung gehen wir, und wir wollen das Ziel irgendwann nach 2030 auch erreichen. Hierzu aber müssen auch alle rechtlichen Schritte auf den Weg gebracht werden, die wir dafür benötigen.“

Dies sind in erster Linie zwei Direktiven: Ein neuer Schutz-und Pflegeplan für den Nationalpark und eine Novelle zum Gesetz über den Landschaftsschutz. Umweltminister Richard Brabec (Ano) räumt dazu ein:

Richard Brabec  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Behandlung des Gesetzes im Abgeordnetenhaus wurde in der Tat zurückgestellt. Ich werde daher alles dafür tun, dass der Entwurf der Novelle in der Oktober-Sitzung oder spätestens November-Sitzung des Parlaments auf den Tisch kommt.“

In der Novelle wird geregelt, bis wann die jeweiligen Naturschutzgebiete des Landes ihre Kernzonen zu erweitern haben und vieles mehr. Andererseits zeigte sich Brabec von der Resolution der Weltnaturschutzunion sehr überrascht. Seinen Worten zufolge seien IUCN-Vertreter erst im Sommer im Böhmerwald vor Ort gewesen und hätten dabei nichts beanstandet. Er vermute, dass hinter diesem Sinneswandel die Aktivisten einiger NGOs stünden, die ihr Land bei der internationalen Institution angeschwärzt hätten. Professor Pavel Kindlmann von der Prager Karlsuniversität, der als Wissenschaftler dem IUCN-Kongress in Honolulu beiwohnte, nennt indes die für ihn wahren Verantwortlichen:

Pavel Kindlmann  (Foto: Ben Skála,  CC BY-SA 3.0)
„Für den Unmut sorgten einige Regionalpolitiker aus Südböhmen, die ihr Wahlprogramm für die nächsten Wahlen auf die Pläne zur Öffnung des Parks für Bauvorhaben gestützt haben. Die Folge dessen war die Vernichtung urwüchsiger Wildnis. Damit haben sie dem Ansehen der Tschechischen Republik in der Welt einen Bärendienst erwiesen.“

Nach Aussage von Direktor Hubený bilde die gegenwärtige Kernzone einen Anteil von 23 Prozent an der Gesamtfläche des Nationalparks. Weitere fünf Prozent der Gesamtfläche würden unter die Schutzzone fallen, in die man nur gelegentlich einwirken dürfe. Daher sei auch die erste Auflage – ein Ist-Zustand von 30 Prozent unberührter Fläche – von heut auf morgen nicht umsetzbar, erklärt Hubený.

Doch vielleicht gibt es schon bald Hilfe von den Nachbarn. Denn in der Resolution wird ebenso der Nationalpark Bayerischer Wald in Deutschland und das Naturschutzgebiet Böhmerwald-Mühltäler in Österreich kritisch hervorgehoben. Die Vertreter der drei Schutzgebiete erwägen deshalb eine Zusammenarbeit bei der Erfüllung der Auflagen.

Autor: Lothar Martin
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